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Audio: Radio Fritz | 15.09.2023 | Nachrichten | Quelle: KEYSTONE/dpa/Christian Beutler

Krypto-Automaten in Berlin

Illegal - und trotzdem gibt's hier Bitcoins gegen Bargeld

Unkompliziert, schnell und legal - das versprechen die Betreiber von Bitcoin-Automaten. Doch wohl nicht alle Maschinen, die in Berlin stehen, sind erlaubt. Wer sind die Betreiber? Eine Reportage von Hasan Gökkaya

Durch den Eingang, gleich rechts, neben Chipstüten, Pappbechern und Sonnenblumenöl, steht die Maschine, die das globale Finanzsystem verändern soll. Vielleicht hat es praktische Gründe oder es gehört einfach zu Berlins Charme, dass als Austragungsort dieser technischen Revolution ein Späti in Mitte herhalten muss.

"Buy Bitcoin" (Bitcoins kaufen) und "Sell Bitcoin" (Bitcoins verkaufen) steht auf dem Display. 50 Euro habe ich dabei, ich tippe auf "Buy".

Elf Bitcoin-Automaten stehen in Berlin, elf Mal gibt es die Möglichkeit, Bargeld in eine Maschine zu stecken und dafür Bitcoins zu kriegen. Unkompliziert, spontan, ohne Internet und legal - denke ich, ist aber gar nicht so, wie sich noch herausstellen wird.

Um Bitcoins zu kaufen, verlangt der Automat meine Telefonnummer. Spätestens hier stelle ich mir erste Fragen: Ich soll meine private Telefonnumer eintippen? Wer steht am anderen Ende der Bitcoin-Leitung? Ist das hier seriös? Werbung finde ich auf der Maschine nicht, aber ein kleiner Sticker fällt mir auf. "Probleme" / Fragen?", dafür gebe es eine Whatsapp-Hotline. Ich notiere mir die Nummer.

Auswahl beim Bitcoin-Automat: "Buy Bitcoin" und "Sell Bitcoin". | Quelle: rbb/Hasan Gökkaya)

Bitcoin - ein gewaltiges Spekulationsobjekt

Bevor ich gehe, frage ich mich aber noch: Warum steht dieser Bitcoin-Automat hier überhaupt?

Die Frau, die hinter der Kasse arbeitet, will nicht wirklich mit mir darüber reden. "Wir sind zufrieden", antwortet sie kurz auf meine Frage. "Ein paar Kunden kommen am Tag", sagt sie dann noch mit leiser Stimme. Das Gespräch verstummt.

Wer nach Bitcoin-Automaten sucht, wird im Internet schnell fündig. Die Adressen sind auf einer Website lokalisierbar, zu lesen sind da auch höfliche Gesprächsverläufe, offenbar auch zwischen Kunden und dem Betreiber des Automaten, der in diesem Späti steht.

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Bitcoin, Ethereum, Cardano und Dutzende weiterer Kryptowährungen sind mittlerweile auf dem "Markt" - gemeint ist natürlich die Blockchain, ein raffiniertes Netzwerk, in der jede Transaktion protokolliert und kryptografisch verschlüsselt wird. Banken, staatliche Institutionen, also kapitalistische "Finanzmärkte", sollten in der Bitcoin-Welt keinen Platz haben. Eigentlich haben sie aber Platz, sogar ziemlich viel, da in der Realität Kryptowährungen längst zu Spekulationsobjekten verkommen sind.

Im Alltag kann nur wenig mit Bitcoins gekauft werden. Dabei wurden weltweit Hunderte von Milliarden in Bitcoin und Co. investiert. Anfänger, Profis, Banken, Aktienhändler: Alle machten fleißig mit, es kam zu heftigen Kurssprüngen, viele Menschen wurden arm oder reich. Was wohl der bis heute unbekannte und mysteriöse Bitcoin-Erfinder "Satoshi Nakamoto" darüber denkt? Niemand weiß es.

Drei Kilometer weiter bringen Rolltreppen mich auf die oberste Etage der Saturnfiliale am Alexanderplatz. Hier, wo sich Jugendliche zum Diablo-IV-Zocken treffen, steht ein weiterer Bitcoin-Automat. Allerdings wird dieser von einem Unternehmen betrieben, das öffentlich Werbung für sich macht: Kurant ist nach eigenen Angaben europäischer Marktführer und der älteste Betreiber von Bitcoin-Automaten in Österreich.

Mit fallen hier gleich zwei Sachen auf: Dieser Automat sieht anders aus und er ist im Moment kaputt. "AUßER BETRIEB! Keine VPN-Verbindung aufgebaut", steht auf dem Display.

Laut "coinatmradar.com", eine Art Google Maps für Bitcoin-Automaten auf der Welt, gibt es in Deutschland Dutzende von Kryptoautomaten - die meisten werden von Kurant betrieben. Nur, warum? Es gibt etliche Kryptobörsen - wie Binance (Malta) oder Kraken (USA) - im Internet, wo sich nach Kontoeröffnung Kryptowährungen kaufen und verkaufen lassen. Das Thema Sicherheit spielt dabei immer wieder eine Rolle, nicht nur aus Sorge vor Hackern, die Börsen leer räumen könnten, sondern auch vor Behörden, die immer stärker gegen Kryptobörsen wegen schlechter Regulierungsmöglichkeiten vorgehen.

Und da ist noch etwas: Ein persönlicher Ansprechpartner fehle bei Onlinebörsen, sagt Thomas Sperneder von Kurant im Gespräch mit rbb|24. "Versuchen Sie da mal jemanden zu erreichen, wenn sie ein Problem haben".

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Kurant: "So ist die Gesetzeslage"

Automaten nehmen Bargeld. Onlinebörsen nicht. Das sei der entscheidenende Unterschied. Für den Kauf von Bitcoins an den Automaten von Kurant sei kein Bankkonto oder Onlinezugang nötig. Und das sei besonders interessant für Einsteiger, "die älter als 30 Jahre sind und Onlineplattformen als Black Box sehen", sagt Sperneder. Völlig spontan und ohne Internet funktioniert das Geschäft aber auch bei Kurant nicht. Bevor eine Transaktion überhaupt stattfinden kann, müssen ein paar Schritte zur Authentifizierung durchlaufen werden.

Die Maschine will zunächst wissen, mit wem sie es zu tun hat. Dafür ist im Vorfeld eine Registrierung im Internet nötig. Nach der Registrierung erfolgt ein Login am Automaten über die Handynummer, an die ein Zugangscode geschickt wird. Wer eingeloggt ist, kann die Maschine dann mit Bargeld füttern. Im Tausch gibt's Bitcoins - allerdings nicht in Form von Münzen, die aus der Maschine ploppen, sondern durch einen Transfer auf eine Wallet-Adresse, eine Art Online-Porte­mon­naie, also ein Speicherort für die Krypotwährung.

Bitcoin-Automat in einem Berliner Späti | Quelle: rbb/H.Gökkaya

So eine Wallet-Adresse muss man sich vorher im Internet zulegen - auch dabei muss man sich in der Regel verifizieren lassen, etwa durch das Vorzeigen des Personalausweises. Machbar ist das alles, anonym ist das Geschäft dann aber nicht mehr. Und spontan 50 Euro in den Automaten schieben, bringt ohne Wallet-Adresse auch nichts - logisch, irgendwo muss die Kryptowährung landen. "Das ist ein einmaliges Verfahren, das man durchlaufen muss. Danach kann man die Automaten bedienen. Das Vorab ist notwendig, so ist einfach die Gesetzeslage", sagt Sperneder. Vor allem die deutsche Gesetzeslage. Denn in Österreich sei alles ein bisschen unkomplizierter, weil Automaten dort ohne vorherige Registrierung funktionieren würden, wenn die Beträge 250 Euro nicht übersteigen.

Kurant betreibt sieben der elf Automaten, die in Berlin stehen. Zwei weitere Dienstleister betreiben die anderen vier Automaten, die in Mitte, Kreuzberg, Steglitz und Prenzlauer Berg stehen - mindestens, denn das sind nur diejenigen, die "coinatmradar" listet. Es könnte weitere geben.

Anscheinend hat jeder Betreiber dabei seine eigene Definition von der "Gesetzeslage". Ein Automat, der in einem Späti in Prenzlauer Berg steht, und hinter dem namentlich wieder ein anderer Betreiber steckt, ist offenbar an keiner ID-Legitimation interessiert. Stattdessen öffnet sich direkt ein gelbes Display, die Begrüßung: "Kaufen Sie Bitcoins!" Nach einem Klick muss ich mich entscheiden, ob ich bis zu 5.000 Euro oder mehr als 5.000 Euro einzahlen will.

Ich klicke auf ersteres, auf dem Display erscheint ein kleines Fenster mit einem Gesicht - das ist mein Gesicht! Ich bin im Visier einer Kamera. Dazu öffnet sich ein weißes Textfeld, in das die Wallet-Adresse eingetragen werden soll. "Dorthin werden gekaufte Bitcoins überwiesen. Achten Sie darauf, dass die Adresse korrekt ist", heißt es. Spontan vorbeigekommen bin ich, aber ohne Wallet endet die Tour auch hier für mich. Ich sehe einen Sticker: "Benötigen Sie Hilfe? Dann schreiben sie bitte eine Nachricht, über Whatsapp oder Email. Keine Anrufe möglich!" Ich notiere mir auch diese Nummer.

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Für die Aufsichtsbehörden sind Kryptowährungen zu einer ernsten Herausforderung geworden. Denn die Regulierung ist schwierig und das lockt auch Kriminelle an, die Bitcoins als Zahlungsmittel nutzen oder Geld waschen wollen. "Mit Bitcoin-Wechselautomaten ist grundsätzlich eine Integration von inkriminierten Geldern in den Wirtschaftskreislauf und Geldwäsche möglich", schreibt mir das Bundeskriminalamt.

Generell geht es um viel Geld. Sehr viel Geld. Aktuell ist ein Bitcoin rund 24.000 Euro wert (Stand: 06.09.2023). Schlagzeilen machte die Kryptowährung, als zu Hochzeiten die Marke von 60.000 Euro geknackt wurde. So oder so - für meine 50 Euro hätte ich also nur ein Bruchstück eines Bitcoins erhalten.

Automaten-Betreiber brauchen Erlaubnis der Bafin

Weil es eben um so viel Geld geht, kontrolliert in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) das Geschäft mit Kryptowährungen. Zumindest will sie das. Seit 2011 ist Bitcoin nach Auffassung der Bafin nämlich ein "Finanzinstrument" und damit grundsätzlich der Finanzdienstleistungsregulierung unterworfen. Wer also öffentlich Automaten aufstellt, der braucht eine Erlaubnis der Bafin.

Kurant hat nach eigenen Angaben eine solche Genehmigung durch die Zusammenarbeit mit einer Privatbank. Die in Hamburg anässige Sutor-Bank bestätigt dies auf Nachfrage von rbb|24 - die Erlaubnis basiert demnach auf dem Geschäft mit "Finanzkommission" und die Bank ist "aufsichtsrechtlich Betreiber" der Automaten. Der Betrieb sei jedoch an Kurant ausgelagert. In der Unternehmensdatenbank der Bafin ist die Sutor-Bank gelistet und hält verschiedene Genehmigungen, darunter eine für das "Finanzkommissionsgeschäft".

In Berlin läuft das Geschäft - trotz fehlender Genehmigung

Wer keine Erlaubnis hat, dem darf die Bafin den Betrieb untersagen. So geschehen 2020, als der Betreiber von shitcoins.club laut Bafin deutschlandweit unerlaubt Kryptoautomaten aufstellte [bafin.de]. Tatsächlich werden auf jener Website Automaten in Deutschland nicht mehr angezeigt. Wer zudem beim Aufstellen von Kryptoautomaten hilft, etwa indem er Räume oder Strom zur Verfügung stellt, ist in die "unerlaubten Geschäfte einbezogen" und muss mit Maßnahmen rechnen.

Haben die beiden Betreiber, die ihre Automaten in Spätis stehen haben, eine Genehmigung? Ich schreibe die erste Nummer aus dem Späti in Berlin-Mitte an. Wer ist der Betreiber, will ich wissen. Tatsächlich muss ich nicht lange warten und bekomme einen in London ansässigen Unternehmensnamen mitgeteilt. Ebenso hat die Hotline die Vorwahl von Großbritannien. Im Internet finde ich ein paar Informationen über das Unternehmen, kann aber nicht sagen, ob sie echt sind oder nicht. Einmal erhielt ich eine automatisierte Antwort über Whatsapp, in dieser fiel der Name einer weiteren Firma. Googelt man diese, taucht nicht eine Adresse in London, sondern Malaga auf.

London, Malaga, Dublin - und wieder Berlin

Wie gut die Automaten gepflegt werden, merke ich bereits, als ich bei der ersten Kontaktaufnahme erkläre, dass ich vor dem Automaten stehe, aber Angaben zum Betreiber fehlen. Schon am nächsten Tag bekomme ich eine Whatsapp-Nachricht: Inzwischen sei ein Mitarbeiter vor Ort gewesen und habe einen neuen Sticker angebracht. Wenige Wochen später suche ich den Automaten wieder auf, tatsächlich: Da klebt ein Sticker mit einem Betreibernamen (jener aus London). Auf diesem findet sich nun auch der Hinweis, dass der Betreiber mit der "Ulster Bank" in Irland zusammenarbeite. Eine Bank also? Klingt gut, denke ich mir.

Doch als ich dem Betreiber wieder schreibe und mich dieses Mal als rbb-Journalist kenntlich mache, will ich wissen: Hat der Betreiber eine Erlaubnis der Bafin, um mit Kryptoautomaten in Berlin Geschäfte zu machen? Die Nachricht kommt an. Die Gegenseite liest die Nachricht. Doch dieses Mal gibt es keine Antwort. Dabei war die Hotline zuvor so auskunftsfreudig.

Bis heute werden auf Whatsapp Stories geteilt, um zu verkünden, ob und wie viel Bargeld gerade im Automaten steckt. Mit 10.000 Euro seien die Automaten in Mitte und Steglitz wieder gefüllt, heißt es einmal im Juli, später gibt es die Mitteilung, dass derzeit 1,64 Bitcoin verfügbar seien und Anfang September heißt es wieder: Berlin-Mitte: 8.000 Euro, Berlin-Steglitz: 10.000 Euro.

Mir fällt noch etwas auf: Der offiziell genannte Betreiber, der in London sitzen soll, taucht in der Unternehmensdatenbank der Bafin gar nicht auf. Er ist der Behörde also nicht bekannt. Eine Erlaubnis zum Geschäft mit Kryptowährungen kann er auch nicht über die in Irland sitzende Ulster Bank haben. Die Bank selbst taucht in der Bafin-Datenbank zwar auf, ist dort aber nur als "grenzüberschreitender Dienstleister" erfasst. Daraus ergibt sich keine Genehmigung, um in Deutschland Geschäfte mit Kryptowährungen zu machen. Angesprochen auf den Fall erklärt ein Sprecher der irischen Bank auf Nachfrage von rbb|24 zudem: "Die Ulster Bank Irland DAC ist in keiner Weise mit einem Betreiber von Bitcoin-Automaten verbunden."

"Das muss ein Missverständnis sein"

Und der Automat in Prenzlauer Berg mit dem gelben Display? Auch dieser Betreiber taucht in der Datenbank der Bafin nicht auf. Prompt kommt aber eine Antwort, als ich mich als rbb-Journalist kenntlich mache und nach der Genehmigung frage: "Das muss ein Missverständnis sein. Die Maschine ist schon lange deaktiviert." Die im Internet gefundene Adresse sei gar nicht aktuell, erklärt er weiter auf Whatsapp.

Auf mich wirkte der Automat im Späti hingegen funktionstüchtig, vor allem als die Kamera mich erfasste und ich aufgefordert wurde, eine Wallet-Adresse einzugeben. Ich hake noch einmal nach. Keine Antwort.

Immerhin: Meine 50 Euro habe ich noch.

Sendung: Radio Fritz, 15.09.2023, 8 Uhr

Beitrag von Hasan Gökkaya

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