Elektronikmesse in Berlin
In diesem Jahr feiert die Internationale Funkausstellung ihr 99. Jubiläum - doch die Messe hat sich gewandelt. Unter einer neuen Leitung wurde das Konzept verändert. Nun muss es sich bewähren. Von Lisa Splanemann
Ein vierbeiniger, silberfarbener Roboterhund läuft durch die Messehalle. Eine große Menschentraube hat sich um das Gerät gebildet. Gesteuert wird der Roboter über einen Controller – künftig seien Sprachbefehle auch mit dem Sprachprogramm ChatGPT möglich, erläutert die Vertreiberfirma. Einen Stand weiter begrüßt ein menschenähnlicher Roboter die Besucherinnen und Besucher der diesjährigen IFA. Mit einem Mikrophon können in mehreren Sprachen Fragen an den Roboter gerichtet werden – dieser reagiert und antwortet.
Robotik und Künstliche Intelligenz sind zwei der Schwerpunkte auf der Internationalen Funkausstellung in diesem Jahr. Die Messe gibt sich modern, grün und innovativ. Die diesjährige IFA sei größer als die im vergangenen Jahr, so die Veranstalter. Mehr als 2.000 Unternehmen seien 2023 auf der IFA, im vergangenen Jahr waren es nach Zahlen der Veranstalter noch rund 1.100. Die Ausstellung will darüber hinaus internationaler werden – sie setzt in diesem Jahr auf mehr Aussteller aus asiatischen Ländern.
Die Branche erlebt derzeit wirtschaftlich angespannte Zeiten. Der Markt für Home-Electronics-Produkte habe in Deutschland im ersten Halbjahr dieses Jahres einen Umsatz von rund 21,3 Milliarden Euro erzielt, erklärt der IFA-Mitveranstalter gfu, der Branchenverband für Haushalts- und Unterhaltungselektronik. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bedeutet das ein Minus von mehr als sechs Prozent.
Seit rund einem Jahr liege die Konsumstimmung auf einem insgesamt sehr niedrigen Niveau, beobachtet das Marktforschungsinstitut GfK. Im August war der Konsumklimaindex rückläufig und auch für den September erwarten die GfK-Experten ein sinkendes Konsumklima. Vor allem steigende Preise würden die Kaufkraft der privaten Haushalte belasten. Die Inflationsrate in Deutschland lag im August, nach ersten Schätzungen des Statistischen Bundesamts, knapp über sechs Prozent.
Auch die steigenden Bauzinsen tragen dazu bei, dass den Firmen inzwischen Aufträge wegbrechen. "Wir bekommen die wirtschaftliche Situation ganz deutlich zu spüren, indem die Auftragseingänge in der Möbel- und Elektroindustrie zurückgehen", schildert Reinhard Zinkann, Geschäftsführender Gesellschafter bei Miele. "Die Menschen bauen nicht mehr, Bauanfragen und -genehmigungen gehen zurück und die Menschen halten ihr Geld zurück." Insofern sei die derzeitige Situation für die Branche ausgesprochen schwierig.
In den vergangenen Pandemiejahren erlebte die Branche für Unterhaltungselektronik und Haushaltstechnik eine Sonderkonjunktur – die Menschen steckten beispielsweise mehr Geld in die Home-Office-Ausstattung. Diese Sondernachfrage bleibt nun aus.
Mit der Internationalen Funkausstellung hofft die Branche, die Geschäfte anzukurbeln. Aussteller auf der IFA schildern, die Messe für Unterhaltungselektronik und Haushaltstechnik sei eine wichtige Plattform zum Vernetzen. So sagt etwa Michael Mehnert, Geschäftsführer der Siemens Hausgeräte in Deutschland, sie würden in Berlin eine gute Möglichkeit sehen, Neuheiten sowohl Händlern als auch Endkonsumenten zu zeigen.
In der "IFA Next"-Halle stellen rund 350 Start-ups ihre Produkte und Ideen vor. Zu ihnen gehört auch der App-Entwickler Aimee. "Wir haben hier einen kleinen Messestand und kommen mit ganz, ganz vielen Menschen ins Gespräch, mit Kunden und mit Investoren", beschreibt Benjamin Heinrich von Aimee: "Allerdings sind wir ganz am Anfang unserer Unternehmensgründung und wünschen uns hier vor Ort eigentlich einen Austausch mit Leuten über Förderprogramme. Das findet hier auf der Messe aber nicht statt." Auch der Standort sei nicht optimal, weil sich die Start-up-Halle etwas weiter außerhalb befindet.
Vernetzung, Künstliche Intelligenz und "Smart Home" – die Ausrichtung der IFA, die auf eine lange Geschichte mit vielen bedeutenden Innovationsvorstellungen zurückblickt, hat sich gewandelt. Mit Bekanntwerden des Sprachprogramms ChatGPT sei das Thema Künstliche Intelligenz "insgesamt in den Fokus gerückt", beobachtet Sebastian Klöß, Bereichsleiter für Consumer Technology, AR/VR und Metaverse beim Digitalverband Bitkom. Dadurch sei es "auch für andere Branchen interessanter geworden, das Thema wieder in den Vordergrund zu stellen". Inwieweit sich etwa Produkte mit Künstlicher Intelligenz durchsetzen, wird sich zeigen.
Bereits im vergangenen Jahr haben die Aussteller auf das Thema Nachhaltigkeit gesetzt. Mit Beginn der steigenden Energiekosten stieg die Nachfrage nach energieeffizienteren und ressourcenschonenderen Produkten. "Wir sehen, dass Geräte mit Energieeffizienzklasse A der höchsten Nachfrage unterliegen", schildert Michael Mehnert, Geschäftsführer der Siemens Hausgeräte in Deutschland, "demensprechend haben wir uns als Hersteller darauf eingestellt und haben beispielsweise unser gesamtes Geschirrspüler-Sortiment grüner gemacht". Auch Miele setzt auf Energieeffizienz und Produkte, die KI nutzen. "Nachhaltigkeit, Umwelt und Energieverbrauch sind so zentrale Themen unserer Welt, dass es fast selbstverständlich ist, dass das beim Kauf der Geräte eine Rolle spielt", sagt Reinhard Zinkann, Geschäftsführender Gesellschafter bei Miele.
Die Messe setzt ebenfalls auf diese Trends und hofft auf steigende Besucherzahlen. Die IFA-Veranstalter erwarten in diesem Jahr rund 180.000 Besucherinnen und Besucher. Das wären zwar rund 20.000 mehr als im letzten Jahr, allerdings liegt diese Prognose noch immer unter den Zahlen aus Vor-Corona-Zeiten.
Die Internationale Funkausstellung musste eine coronabedingte Pause einlegen, bevor sie im letzten Jahr wieder neu starten konnte. Die deutsche Messewirtschaft habe schwere und schwerste Jahre hinter sich, erläutert Dirk Binding, Bereichsleiter Digitale Wirtschaft, Infrastruktur und Regionalpolitik bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Frühestens 2025 trete eine breite wirtschaftliche Erholung nach den Messeverboten der Corona-Pandemie ein, schätzt der Verband der deutschen Messewirtschaft, AUMA, die derzeitige wirtschaftliche Situation ein.
Aber: Im ersten Halbjahr dieses Jahres gab es laut AUMA deutschlandweit rund sieben Millionen Messebesucher – ein deutlicher Zuwachs im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. "Wir erleben einen Neustart", sagt Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD). Das Messe-, Tourismus- und Kongressgeschäft sei zurück. Auch Dirk Binding von der DIHK zeigt sich optimistisch, dass das Messegeschäft wieder zurückkommt. Nichtsdestotrotz steht die Messewirtschaft vor diversen Herausforderungen, warnt Binding, "der Bedarf an Arbeitskräften steigt und auch die Kosten nehmen zu". Die Auswirkungen könnte auch die IFA künftig zu spüren bekommen.
"Die IFA ist eine wichtige Leitmesse für Berlin", sagt der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, vor dem Messeeingang am offiziellen Eröffnungstag der diesjährigen IFA, "die IFA gehört zu Berlin – genauso wie der Funkturm zum Messestandort hier in Berlin."
Etwas aber hat sich geändert: Die Ausstellung findet in diesem Jahr unter neuer Leitung statt. Nach längerem Hin und Her wurde Ende 2022 bekanntgegeben, dass die IFA in Berlin bleibt und von einem neuen Management geleitet wird. Die Messe Berlin übernimmt seit diesem Jahr nur noch die Vermieterrolle. Organisiert wird die Internationale Funkausstellung von der IFA Management GmbH, einem Joint Venture der gfu und dem britischen Veranstalter Clarion Events.
"Wir haben uns auf eine gute Zusammenarbeit geeinigt", sagt Emanuel Höger von der Messe Berlin, "was für uns als Messe, aber auch für Berlin, das Wichtigste ist, dass wir die IFA für die nächsten zehn Jahre in Berlin gesichert haben". Das sei der entscheidende Erfolg für beide Seiten.
Sendung: rbb24 Inforadio, 04.09.2023, 14:35 Uhr
Beitrag von Lisa Splanemann
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