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Quelle: dpa/M. Merz

Alternative zum Diesel

Biokraftstoff aus Frittenfett

Dieselmotoren sind schlecht für die Umwelt - mit dem Kraftstoff HVO100 werden sie aber sauberer. Er wird aus biologischen Rest- und Abfallstoffen hergestellt, womöglich im Frühjahr soll er freigegeben werden. Es gibt aber auch Kritik. Von Philipp Rother

Dieselmotoren erzeugen drei Formen von Emissionen: Feinstaub, Stickoxide (NOX) und Kohlendioxid (CO2). Der CO2-Ausstoß ist vom Verbrauch abhängig. Effizientere Motoren können diesen reduzieren - und auch der Kraftstoff.

Die Deutsche Bahn hat daher im Juli erstmals in Brandenburg mit Biokraftstoff angetriebene Regionalzüge auf die Schiene geschickt. Zwischen Berlin und Wittenberge rollt seitdem der Prignitz-Express (RE6) mit Sprit aus biologischen Abfallstoffen im Tank - genauer gesagt mit hydriertem Pflanzenöl, kurz: HVO100.

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Die Klimabilanz der Triebwagen werde verbessert, ohne sie umbauen zu müssen, teilte die DB zum Start des Pilotprojektes mit. Laut Unternehmen fahren die 16 Dieselzüge auf der Strecke nun mit 90 Prozent weniger CO2-Emissionen. Betankt werden sie mit HVO100 in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin). Die dortige Tankstelle sei entsprechend umgestellt worden.

Nach zehn Wochen zog die Bahn eine positive Bilanz: "Es gab keine Ausfälle von Zugfahrten, die auf die Verwendung von HVO100 zurückzuführen sind", teilte das Unternehmen dem rbb auf Nachfrage mit. Es sei auch immer genug Treibstoff verfügbar gewesen.

Zuvor sei der wie Wachs riechende Biokraftstoff bereits in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg und Thüringen eingesetzt worden. Die Güterverkehrstochter DB Cargo hat den Angaben zufolge bereits die gesamte Flotte (rund 800 Fahrzeuge) für den Biokraftstoff freigegeben.

Die ökologische Alternative zum Diesel wird ausschließlich aus biologischen Rest- und Abfallstoffen - vor allem pflanzliche Öle und tierische Fette - in einem aufwändigen Umwandlungsprozess hergestellt. Frittenfett wird so zu einem Dieselersatzstoff. Laut Bahn ist er frei von Palmöl und tritt nicht in Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelerzeugung. Er fördert demnach auch keine schädlichen Anbaumethoden.

Umstieg auf HVO100 bringt "sofortigen CO2-Effekt"

"Der Umstieg von Diesel auf HVO100 bringt - trotz der Primärenergie, die bei der Herstellung benötigt wird - einen sofortigen CO2-Effekt", sagte auch Verkehrsexperte Hans-Jürgen Hennig im Gespräch mit rbb|24: "Nicht der Motor ist das Problem, sondern das, was ich einfülle. Damit wird ganz wesentlich entschieden, was hinten bzw. oben rauskommt." Auch der ADAC hat den Kraftstoff geprüft - neben dem CO2-Vorteil stößt ein mit HVO100 betanktes Fahrzeug auch weniger andere Schadstoffe aus, so das Ergebnis.

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Hennig war bis zu seinem Ruhestand Geschäftsführer von Regiobus Potsdam-Mittelmark: "Wir haben die komplette Busflotte auf einen ähnlichen Kraftstoff umgestellt. Es lief völlig problemlos, und es waren keine Umbaumaßnahmen nötig." Auch die Stadt Beelitz (Potsdam-Mittelmark) setzt - nach einer ausführlichen Beratung von Hennig - auf HVO100. 1.000 Liter seien bereits über einen Vertriebspartner einer finnischen Firma gekauft worden. Der Kraftstoff wurde seitdem in verschiedenen Fahrzeugen des Bauhofes getestet.

Die Stadt will den Testbetrieb nun ausweiten - auch die Feuerwehr sowie der Wasser- und Abwasserzweckverband Nieplitz sollen mit je einem Auto mitmachen. "Man muss die Fahrzeuge nicht mehr warmlaufen lassen, es gibt keinerlei Leistungsverlust bei den Motoren und es entsteht so gut wie kein Ruß", berichtete der Bürgermeister der Stadt Bernhard Knuth.

Der Kraftstoff ist laut Stadt auch wichtig, weil nicht für alle Spezialfahrzeuge elektrische Alternativen zur Verfügung stehen. Sollte sich der Kraftstoff weiter bewähren, ist demnach sogar denkbar, eine HVO100-Tankstelle einzurichten. "Der Kraftstoff ist etwa fünf Prozent teurer als herkömmlicher Diesel. Der geringe Aufpreis steht jedoch in keinem Verhältnis zum Nutzen, wenn wir 90 Prozent CO2 einsparen können", so Knuth weiter.

Ausgangsstoffe könnten in anderen Bereichen fehlen

"Der Einsatz von HVO100 in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ist sicher mittelfristig eine Brückentechnologie", erklärte Hennig. Das spare Ressourcen und diene der Nachhaltigkeit, weil keine Fahrzeuge vorzeitig ausgemustert werden müssen.

Das Umweltbundesamt bestätigte dem rbb auf Nachfrage, dass mit HVO100 betankte Fahrzeuge je nach eingesetzten Rest- und Abfallstoffen deutlich weniger CO2 ausstoßen als mit Diesel betriebene Fahrzeuge. Wird Palmöl oder andere Anbaubiomasse (Rapsöl) als Rohstoff für HVO eingesetzt, fällt die Treibhausgasminderung sehr viel geringer aus. Reinhard Herbener, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet "Kraftstoffe und Energie im Verkehr", äußerte Kritik am Biokraftstoff: "Auch die Rest- und Abfallstoffe, die zur Verwendung als HVO in Frage kommen, sind knapp. Die Ausgangsstoffe für den Dieselersatz kommen bereits heute in anderen Industrien effizient zum Einsatz, zum Beispiel in der Chemiebranche. Dort würden sie künftig fehlen."

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"Biogene Öle werden auch in anderen Anwendungen genutzt und können dort teils höhere Treibhausgasminderungen erzielen als beim Einsatz im Verkehr", so Herbener weiter: Es würde lediglich zu einer "Verschiebung" kommen, die aus Sicht der Umwelt womöglich gar keinen Sinn ergeben würde. Kraftstoffe sollten perspektivisch nur in solchen Anwendungen eingesetzt werden, die nicht elektrifizierbar sind, also im Flug- und Schiffsverkehr und in Teilen des Schwerlastverkehrs – zumal elektrisch betriebene Fahrzeuge noch weniger Energie verbrauchen. Laut Umweltbundesamt werden in Deutschland pro Jahr ca. 35 Millionen Tonnen Diesel verkauft - "durch HVO100 könnte sowieso nur ein kleiner Teil ersetzt werden", erklärte Herbener.

HVO100 erfüllt die Kraftstoffnorm DIN EN 15940 und ist damit in Europa für den Verkauf grundsätzlich zugelassen - in Schweden gibt es den Biokraftstoff an den Tankstellen bereits seit acht Jahren. Er kostet im Schnitt 50 Cent mehr als Diesel. Auch deshalb verharrt der Marktanteil noch immer unter fünf Prozent. Auch in Belgien und den Niederlanden kann HVO100 bereits getankt werden.

In Deutschland ist der Kraftstoff bisher nur zu Testzwecken unter anderem in kommunalen Betrieben zugelassen. Reisebus-, Fernbus- und Dienstwagenflotten sowie Privatpersonen ist die Nutzung bisher nicht erlaubt. Auch privatwirtschaftlich betriebene Fahrzeugflotten des Straßengüterverkehrs dürfen nicht mit HVO100 betankt werden.

Das soll sich aber ändern: Die Ampel-Regierung hatte sich bereits im März darauf geeinigt, HVO100 zuzulassen. Hennig erwartet die endgültige Freigabe des Kraftstoffs im kommenden Frühjahr: "Viel zu spät, aber besser als nie." Jeds Auto und jeder LKW könnte dann auch in Deutschland komplett mit HVO100 statt Diesel betankt werden - bislang sind nur geringe Beimischungen erlaubt. Fraglich ist nur, wie viel HVO100 dann auch wirklich verfügbar sein wird.

Beitrag von Philipp Rother

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