Energieversorgung
Im Ringen um das Berliner Fernwärmenetz ist dem Senat ein wegweisender Erfolg gelungen: Im Bieterverfahren ist Berlin nun einziger Gesprächspartner von Vattenfall. Der Konzern ist bereit, zentrale Forderungen des Landes zu erfüllen. Von Sebastian Schöbel
Berlin ist ab sofort der einzige Bieter, mit dem Vattenfall über den Kauf des Fernwärmenetzes verhandelt. Das vereinbarten das schwedische Unternehmen und der Senat in einem "Letter of Intent", der am Freitag unterschrieben wurde.
Nach monatelangen Verhandlungen, die zwischenzeitlich durch die Wiederholungswahl ins Stocken geraten waren, hat sich Vattenfall nun gegen zwei andere Bieter im Verfahren entschieden und ist nach rbb-Informationen bereit, zentrale Forderungen des Berliner Senats zu akzeptieren.
Weil beide Seiten Vertraulichkeit vereinbart haben, ist über den genauen Inhalt der Vereinbarung nur wenig bekannt. Bis Jahresende sollen die Verhandlungen laut Wirtschaftsverwaltung abgeschlossen sein.
Ein zentraler Punkt war in den bisherigen Gesprächen der Preis: Der Senat hatte laut Insidern stets klar gemacht, dass der von Vattenfall avisierte Preis von drei bis vier Milliarden Euro nicht akzeptabel sei. Berlin strebt nun eine Summe von weniger als zwei Milliarden Euro an.
Außerdem will der Senat das Geschäft mit einer Übernahme der Gasag verknüpfen. Vattenfall müsste dafür seine Anteile an der Gasag abtreten, während Berlin im Gegenzug etwas mehr als 50 Prozent der Anteile übernehmen und Mehrheitseigner der Gasag werden würde. Die beiden bisherigen Mit-Eigentümer, das Unternehmen Eon und der französische Energiekonzern Engie, müssten ihre Anteile von jeweils rund 30 Prozent entsprechend anpassen. Mit beiden Unternehmen muss allerdings noch verhandelt werden.
"Unser Ziel ist eine nachhaltige, sichere und bezahlbare Wärmeversorgung für Berlin", sagte Finnazsenator Stefan Evers (CDU). "Der Eintritt in exklusive Verhandlungen mit Vattenfall über einen möglichen Erwerb der Fernwärme durch Berlin markiert einen wichtigen Schritt auf diesem Weg." Wirtschaftsenatorin Franziska Giffey (SPD), die zusammen mit Evers den Letter of Intent unterschrieben hat, betonte die Bedeutung des Fernwärmenetzes für die klimaneutrale Wärmeversorung Berlins. "Das ist das wichtigste Vorhaben unserer Energiepolitik in dieser Legislatur und eine enorm bedeu tende Weichenstellung für die Zukunft."
Das Land Berlin hat in den Verhandlungen stets auf die Verknüpfung von Gasag und Fernwärmenetz bestanden. Vattenfall hatte das lange Zeit abgelehnt, im Sommer aber eine Kehrtwende vollzogen. Dass der schwedische Konzern nun nachgibt, könnte auch an den Angeboten anderer Bieter liegen: Offenbar waren die nicht attraktiv genug.
Damit ist der schwarz-rote Senat nun in der Position, das Fernwärmenetz zurück in Landeshand zu holen. Darauf hatten sich CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt. Die Christdemokraten hatten sich zunächst gegen die Kommunalisierung des Netzes ausgesprochen, waren in den Verhandlungen aber auf die SPD zugegangen.
Finanziert werden soll der Ankauf des Fernwärmenetzes nicht aus dem Sondervermögen Klimaschutz, sondern aus dem regulären Haushalt. Wo genau das Geld im nächsten Doppelhaushalt herkommen soll, ist bislang allerdings noch unklar. Die Schuldenbremse verbietet eigentlich weitere Kreditaufnahmen. Geklärt werden muss die Frage allerdings schnell: Schon bis Ende des Jahres soll es Klarheit über den Rückkauf des Netzes geben, bis Mitte 2024 sollen auch die restlichen Fragen, etwa zur Übernahme der Gasag durch das Land Berlin, geklärt sein.
Das Berliner Fernwärmenetz ist das größte Westeuropas und versorgt aktuell rund 1,3 Millionen Haushalte. Allerdings trägt die Wärmeerzeugung auch zu 40 Prozent der Berliner CO2-Emmissionen bei. Die Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung ist damit ein elementarer Bestandteil der Klimaziele. Berlin setzt dabei auch auf grünen Wasserstoff: Der soll, so die Idee, aus erneuerbaren Energien gewonnen und zur Wärmeerzeugung genutzt werden.
Als Lieferant käme vor allem Brandenburg in Frage: Hier gibt es bereits Pläne für den Aufbau einer Wasserstoffproduktion, unter anderem in der bisherigen Ölraffinerie PCK in Schwedt. Allerdings ist die Transformation der Berliner Wärmeerzeugung eine kostspielige Mammutaufgabe, Expert:innen rechnen mit einem Investitionsbedarf in Milliardenhöhe.
Sendung: rbb24 Abendschau, 20.10.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Sebastian Schöbel
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