Supermärkte entsorgen weniger Lebensmittel - zum Leidwesen der Tafeln
Bei den Tafeln in der Region fragen immer mehr Menschen an - gleichzeitig sinkt die Menge der Lebensmittel, die von den Supermärkten gespendet wird. Hintergrund ist eine eigentlich erfreuliche Entwicklung. Von Julian von Bülow
Supermärkte wie Rewe verkaufen inzwischen etwa 98 Prozent ihrer Produkte
Weniger Lebensmittelüberschuss führt zu weniger Abgaben an die Tafel
sinkende Spenden trifft ärmere Menschen
Kleinere Portionen, Aufnahmestopps - die Lage bei den 44 Tafeln in Brandenburg ist teils angespannt. Die Hilfssstellen, die Bedürftige mit Lebensmitteln versorgen, stehen gleich vor mehreren Herausforderungen.
Die erste ist die große Nachfrage wegen des Kriegs in der Ukraine. Viele Geflüchteten aus der Ukraine seien auf Lebensmittelunterstützung angewiesen, heißt es. Dazu fragen viele Geflüchtete aus anderen Ländern an. Gleichzeitig schlagen die gestiegenen Preise auch Löcher ins Budget der Einheimischen. Nach Nationalität unterscheiden will man bei den Tafeln nicht - wer bedürftig ist, soll etwas zu Essen bekommen.
Die Folgen des Ukraine-Krieges bekommen auch die Tafeln in Brandenburg zu spüren. Die nachfrage sei deutlich höher, die Zahl der Spenden hingegen zurückgegangen. Hinzu kommen weiterhin Kosten für Energie, heißt es etwa aus Oder-Spree.
Weniger Lebensmittelverschwendung = weniger Spenden
Zur hohen Nachfrage komme hinzu, dass Supermärkte generell immer weniger Lebensmittel an Tafeln abzugeben haben, sagt Eric Gallasch, Vorsitzender der Tafel Berlin/Brandenburg. Die Supermärkte würden immer passgenauer bestellen. "Dank Digitalisierung und Modernisierung gibt es dort weniger Lebensmittelverschwendung", so Gallasch.
Die Rewe-Gruppe etwa teilte rbb|24 dazu mit, dass die Umsatzverluste durch Lebensmittelabfälle und -spenden im Lebensmitteleinzelhandel kontinuierlich gesunken seien. Mittlerweile verkauften Rewe und Penny im Jahresdurchschnitt über 98 Prozent ihrer Lebensmittel. Erreicht wird das den Angaben zufolge durch moderne Prognosesysteme, automatisierte Bestellverfahren, nahtlose Kühlketten sowie Schulungen und kurze Transportwege zwischen Lagerstandorten und Supermärkten.
Laut Gallasch kommt verstärkend hinzu, dass Lebensmittel wie "Rettertüten" oder "To Good To Go" das Spendenvolumen verkleinern, weil sich Leute für einen kleineren Preis liegengebliebene Lebensmittel gegen Feierabend abholen können.
Geringe Supermarktdichte auf dem Land problematisch
Für Supermärkte in ländlichen Regionen kommt eine weitere Herausforderung dazu. Abseits des Speckgürtels gebe es schon jetzt eine geringere Supermarktdichte, sagt Gallasch. Schrumpfen Orte langfristig, verschwinden irgendwann auch Supermärkte und das Spendenvolumen sinkt weiter. Die Bedürftigen gibt es aber trotzdem.
Das trifft bereits auf Orte wie Rathenow im Havelland zu. "Die Spenden der Supermärkte in Rathenow und Premnitz sind nicht ausreichend, um die Menschen zu unterstützen, die uns jeden Tag besuchen", sagt die Leiterin der Tafel in Rathenow, Henriette Meier-Ewert, zu rbb|24.
Doch wie mit der Lebensmittelknappheit umgehen? "Wir sind derzeit darauf angewiesen, dass der Bundesverband und der Landesverband der Tafeln bei Lebensmittel-Herstellern und Großspendern Lebensmittel organisiert", sagt Meier-Ewert. Diese Spenden würden dann über das Logistikzentrum in Berlin und in Finsterwalde verteilt.
Doch um alle, die anfragen, vollumfänglich zu unterstützen, reicht das nicht immer. In Rathenow werden daher kleinere Portionen ausgegeben. Andere Tafeln würden auf größere Abhol-Intervalle ihrer Kunden setzen, sagt Meier-Ewert. Oder sie verhängen einen Aufnahmestopp, wie etwa in Potsdam oder Perleberg.
Lebensmittel zukaufen sei keine Option, sagt Henriette Meier-Ewert von der Tafel Rathenow. Das verbieten die Regularien der Tafeln. "Das finde ich auch gut und richtig, denn wir sind ja eigentlich angetreten, um Lebensmittelverschwendung zu verhindern und nicht um dazuzukaufen." Für die Versorgung der Menschen sei der Staat zuständig.
Es ist eine Zwickmühle: Auch Gallasch freut sich, dass weniger unverkäufliche Lebensmittel bei den Supermärkten anfallen, gleichzeitig möchte er auch die Menschen bei der Tafel versorgt wissen. Er fordert daher, verstärkt die Ursachen der Armut zu bekämpfen.
Den Tafeln sei auch mit Spenden von einzelnen geholfen. Es helfe schon sehr, wenn jemand 20 Packungen Nudeln kauft und bei der lokalen Tafel vorbeifährt, so Eric Gallasch. Gerade weil es von Supermärkten auch meist nur schnell verderbliches wie Obst, Gemüse oder Brötchen gebe.
Landesregierung fördert Tafeln
Die Landesregierung brachte im Frühjahr bereits ein Hilfspaket auf den Weg: Mit einer halben Million Euro fördert das Land Brandenburg die Tafeln 2023, um ihre gestiegenen Energiekosten zu kompensieren sowie die Bindung von Ehrenamtlichen zu verbessern.