Streik im Einzelhandel
Verdi und der Handelsverband sind so verkracht, dass sie sich erstmal einigen müssen, wie im aktuellen Tarifstreit weiterverhandelt wird. Das könnte weitere Streiks im Einzelhandel und die wiederum leere Regale in der Vorweihnachtszeit mit sich bringen. Von Anna Bordel
Mal ist es das Frischeregal, was geplündert wirkt, mal ist manches Obst oder Gemüse nicht zu bekommen. Immer wieder fallen zurzeit Lücken in Supermarkt-Regalen auf. Mit flächendeckenden Lieferengpässen wie zu Pandemiezeiten hat das momentan aber nichts zu tun, sondern mit Streiks im Einzelhandel.
Allzu groß sind die Löcher in den Regalen derzeit offenbar nicht. Zwei Berliner Geschäftsführer - einer Edeka-Filiale in Zehlendorf und eines Rewes in Pankow - räumen gegenüber rbb|24 ein, dass hin und wieder manche Artikel fehlen. Die Lücken kämen ihnen zufolge bei allen Produkten mal vor, seien aber auch schnell wieder aufgefüllt.
Solche Einzelfälle bestätigt auch der Handelsverband. "Hier und da gibt es mal Lücken in der Lieferkette, das kann schon mal sein. Die werden aber in der Regel schnell wieder befüllt, sodass wir keinen Mangel an irgendwelchen Produkten in der Stadt sehen", sagt Phillip Haverkamp vom Handelsverband Berlin Brandenburg (HBB). Auch die Verbraucherzentrale Berlin gibt an, noch keine Beschwerden oder Anfragen zu leeren Supermarktregalen erhalten zu haben.
Hintergrund ist, dass die Gewerkschaft Verdi und der Handelsverband seit Monaten darum streiten, um wie viel das Gehalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einzelhandel erhöht werden soll. Verdi fordert 2,50 Euro pro Stunde, die Arbeitgeber wollen nur 90 Cent mehr geben. Derzeit sind alle Tarifgespräche auf Landesebene abgesagt, aber am Freitag wird auf Bundesebene zwischen Handelsverband und Verdi besprochen, wie die Tarifverhandlungen weitergehen können. Und ob.
Man habe bislang nicht das Gefühl gehabt, Verdi sei in irgendeiner Form kompromissbereit, so Nils Busch-Petersen vom HBB. Und auch bei Verdi ist man sauer: "Das, was der Handelsverband angeboten hat, sehen wir als Blockade", sagt Kalle Kunkel, Verdi-Sprecher für Berlin und Brandenburg.
Sollten sich beide Seiten nicht einigen, könnte es laut Kunkel zu weiteren Streiks im Vorweihnachtsgeschäft kommen. Das könne die Lager betreffen, aber auch das Personal, das im Supermarkt Waren einräumt oder die Kunden berät. "Es ist ja jetzt schon so, dass manche Produkte tageweise nicht mehr angeboten werden können. Das kann im Weihnachtsgeschäft natürlich noch mal andere Dimensionen annehmen", so Kunkel.
Nils Busch-Petersen vom Handelsverband ist da eher unbesorgt. "Es kann schon mal sein, dass etwas nicht ganz rechtzeitig ausgepackt ist. Aber wir werden insgesamt für unsere Kunden da sein", sagt er.
Schon im vergangenen Jahr gab es auffällig leere Regale in Supermärkten, seinerzeit kamen zu corona-bedingten Lieferengpässen auch noch Lieferstopps einzelner Konzerne, etwa des US-Unternehmens Mars hinzu. Mars hatte Preissteigerungen für seine Produkte gefordert, die etwa Rewe und Edeka nicht ohne Weiteres an ihre Kunden weitergeben wollten. Daraufhin stoppte der Konzern jegliche Warenauslieferung.
Auch derlei Streitigkeiten seien laut Handelsverband normal. Der Handel würde sich als eine Art Gatekeeper verstehen und nicht zulassen, dass Hersteller die Inflation oder die Energiekrise ausnutzen, um überzogen hohe Preise zu verlangen. Aktuell gibt es zumindest für Rewe keinen vergleichbaren Lieferstopp, wie ein Sprecher rbb|24 auf Nachfrage sagte.
Sendung: rbb 88.8, 13.11.2023, 9:16 Uhr
Beitrag von Anna Bordel
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