Personalmangel und Überlastung
Die Berliner Kita-Erzieherinnen aus Eigenbetrieben schlagen Alarm. Wegen Personalmangels könnten sie die Kinder nur mehr "verwahren". Pädagogische Angebote blieben meist auf der Strecke. Deshalb wurde eine "Gefährdungsanzeige" initiiert.
Erzieherinnen und Erzieher der Berliner Kita-Eigenbetriebe wollen an diesem Donnerstag streiken. Zu dem Warnstreik hat die Gewerkschaft Verdi am Dienstag aufgerufen.
Die Berliner Erzieherinnen und Erzieher wollen Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) am Donnerstag eine kollektive Gefährdungsanzeige übergeben. 2.600 Menschen haben sie nach Gewerkschaftsangaben bisher unterschrieben. Sie erwarte noch weitere 400 Unterschriften, sagte Gewerkschaftssekretärin Tina Böhmer am Dienstag in Berlin.
Wegen des Personalmangels in den Kitas könnten sie ihre Bildungsaufgabe nicht mehr erfüllen, argumentieren die Pädagogen in der Gefährdungsanzeige. Nötig seien mindestens doppelt so viele Beschäftigte in den Berliner Kitas, rechnet Verdi vor.
Die kollektive Anzeige solle zeigen, dass das Problem nicht nur einzelne Erzieher betreffe, sondern systemisch sei. "Wir sehen im politischen Handeln keine substanzielle Trendwende und müssen deshalb zu drastischeren Maßnahmen greifen", sagte Böhmer. Familienstaatssekretär Falko Liecke (CDU) bezeichnete die Aktion hingegen als "reine Symbolpolitik", die wenig mit der Realität zu tun habe.
Am Donnerstag soll in mehreren Bundesländern im Sozial- und Erziehungsdienst gestreikt werden, so auch in Bremen und Hamburg. Hintergrund sind neben den prekären Arbeitssituationen auch die laufenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder, die in der zweiten Runde ohne Arbeitgeberangebot blieben.
Der Protest in Berlin steht dabei unter dem Motto "Der Akku ist leer". Vor allem durch große Gruppen, Lärm und enge Räume fühlen sich viele Erzieherinnen und Erzieher im Kita-Alltag überlastet. Oft nähmen sie deshalb etwa Dokumentationsarbeit sogar noch mit nach Hause, sagen Beschäftigte. Sie berichten zudem, dass es oft nur noch um die Verwahrung der Kinder gehe. "Es sind keine pädagogischen Angebote mehr möglich. Man geht permanent über seine psychischen und physischen Belastungsgrenzen hinaus", sagte etwa Ulrike Schulz, die in einer Kita des Landes Berlin arbeitet.
Tage, an denen mehr als die Hälfte des Personals bei voller Kinderzahl fehle, seien nicht selten. "Man hofft dann, dass man den Tag übersteht, dass es vorbeigeht und fängt an, die Stunden zu zählen", so Schulz. Oft gehe es nur noch darum, die Grundbedürfnisse der Kinder abzudecken. "Ein Buch vorlesen - das fällt dann weg", so Schulz. Statt pädagogischer Angebote sei oft nur das freie Spiel möglich. Die Situation führe dazu, dass der Beruf nicht mehr attraktiv sei und viele junge Erzieherinnen schon nach kurzer Zeit umsattelten. Aber auch langgediente Kolleginnen würden noch umschulen, sagte Böhmer. Gleichzeitig seien viele offene Stellen unbesetzt, weil kein geeignetes Personal gefunden werde.
Um die Personalsituation zu verbessern, fordert die Gewerkschaft Verdi unter anderem, die Stunden der Kolleginnen in einer berufsbegleitenden Ausbildung nicht mit in die Personalberechnung für die Kitas einzubeziehen. Durch die Ausbildung stehen diese Erzieherinnen nicht durchgängig für die Betreuung von Kindern zur Verfügung. Die Personalausstattung, so Verdi, müsse den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden und Inklusion ermöglichen.
In Berlin gibt es 282 Kita-Eigenbetriebe, die von 35.000 Kindern besucht werden. Laut Bildungsverwaltung sind im Land Berlin 36.700 pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen tätig, darunter rund 7.400 in Eigenbetrieben und rund 29.300 Personen bei freien Trägern.
Berlinweit lag die Personalquote demnach über alle rund 2.900 Kitas bei rund 103 Prozent. Gesamtstädtisch sei von einem gedeckten Bedarf auszugehen. Laut Gewerkschaftssekretärin Böhmer ist jedoch etwa doppelt so viel pädagogisches Personal nötig, um einen ausreichenden Personalschlüssel zu garantieren.
Sendung: rbb24 Abendschau, 14.11.2023, 19:30 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen