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Audio: Antenne Brandenburg | 20.11.2023 | Björn Haase-Wendt | Quelle: dpa/Oleksandr Latkun

Preisdruck und Personalmangel

"Kosten-Tsunami" bedroht Brandenburger Bäcker

Hohe Preise für Energie und Rohstoffe belasten zunehmend das Bäckerhandwerk. Ein weiteres Problem ist das fehlende Personal. Im Nordwesten Brandenburgs schließen erste Bäckerfilialen. Droht das Bäckersterben? Von Björn Haase-Wendt

Die Teigknetmaschine läuft auf Hochtouren in der Backstube von Thomas Hausbalk, im Ofen backt der Kuchen. Der Fretzdorfer ist seit 1985 Bäcker und führt im kleinen Wittstocker Ortsteil den Traditionsbetrieb, der im nächsten Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert. Den Handwerksbäckern in der Region gehe es so schlecht wie schon lange nicht mehr, sagt Hausbalk, der auch Obermeister der Prignitzer Bäcker- und Konditoreninnung ist: "Personalkosten, Rohstoff- und Energiekosten, naja das ist schon eine schwierige Zeit."

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Kostensteigerungen für Energie und Rohstoffe

In den vergangenen Jahren sind die Preise in die Höhe geschossen, nicht nur die für Strom und Gas, sondern auch die für Mehl, Saaten, Fette und mehr. So habe sich der Mehlpreis mehr als verdoppelt – zwischenzeitlich sogar verdreifacht, sagt Hausbalk.

Hinzu kommt der Preisdruck durch die Discounter. Brötchen für 15 Cent das Stück, das sei im Handwerk einfach nicht möglich. "Backwaren sind als Werbeartikel verkommen. Den Leuten wird da erzählt, es wird zehn Mal am Tag frisch gebacken, aber das ist ja nicht so. Das ist alles nur Tiefkühlware", sagt der Bäcker sichtlich frustriert.

Die Handwerksbäcker können im Gegenzug ihre Kostensteigerungen gerade in den ländlichen Regionen nicht voll umlegen. "Jetzt ist ein Punkt erreicht, wo der Preis ziemlich ausgereizt ist", sagt Thomas Hausbalk.

Aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Lage würden auch viele Kunden genauer aufs Geld schauen, stellt Bäckermeister Ulf Grünberg aus Lenzen, ganz im Nordwesten der Prignitz fest: "Die Leute gucken einfach, brauche ich wirklich fünf Brötchen zum Frühstück oder reichen auch vier." Auch Kuchen werde weniger gekauft und die Kunden würden eher zum halben statt zum ganzen Brot greifen. In der Summe führe das zu einem spürbaren Rückgang der Mengen.

Erste Filialen schließen

Erste Betriebe ziehen im Nordwesten Brandenburgs die Reißleine und schließen einen Teil der Filialen, weil es sich nicht mehr rechnet. Betroffen sind etwa Wittenberge, Perleberg und Neuruppin.

Stehen die Handwerksbäcker also vor dem Aus? Nein, sagt Ulf Grünberg. Allerdings werde es zu einer Verlagerung kommen. "Wir werden nicht mehr als Massenhersteller das Volk satt machen", sagt der Lenzener. Handwerksbäcker müssten sich stattdessen vom regulären Einzelhandel absetzen – mit qualitativ hochwertigen Backwaren und einem besonderen Service. "In den Dörfern beim Überlandverkauf bringen wir das Brot auch schonmal direkt in die Küche zu den Menschen, die das nicht mehr holen können", so Grünberg.

Doch nicht nur die Rohstoffpreise sind ein Problem, sondern auch die hohen Lohnkosten und der Personalmangel. Aktuell seien die Löhne die Kostentreiber Nummer eins, sagt der Lenzener Bäcker, auch wenn er es gut und richtig finde, dass die Mitarbeiter mehr Geld verdienen.

Allerdings sei die Geschwindigkeit der Lohnsteigerungen kaum noch stemmbar, sagt Grünberg. Er meint damit die Erhöhung des Mindestlohnes. "Je nach Betriebsstruktur machen die Lohnkosten 50 Prozent des Verkaufspreises aus. Wenn wir dann 20 Prozent Erhöhung innerhalb eines Jahres haben, schaffen wir das nicht unsere Verkaufspreise mitzunehmen."

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Rückgang an Betrieben in Brandenburg mit am höchsten

Die Probleme treffen die Bäckereibetriebe in Brandenburg mit am stärksten, wie Zahlen des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks zeigen. So gab es 2022 in Brandenburg 278 Betriebe, ein Rückgang um sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Bundesdurchschnitt beim Rückgang der Betriebe lag demnach bei 3,6 Prozent. Damit gehörte Brandenburg neben dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt zu den Bundesländern mit dem größten Rückgang an Bäckereibetrieben. In Berlin gab es im vergangenen Jahr nach Angaben des Zentralverbandes 145 Handwerksbäcker, was sogar einen leichten Zuwachs bedeutet.

"Die Branche sieht sich mit einem Kosten-Tsunami konfrontiert, der dazu führt, dass Betrieben die Luft ausgeht", teilte Verbands-Hauptgeschäftsführer Friedemann Berg rbb|24 mit. In den kommenden Jahren kämen mit der CO2-Abgabe und der Mauterhöhung weitere Kostensteigerungen hinzu. So werde sich nach Einschätzung des Zentralverbandes der Trend hin zu Bäckereibetrieben fortsetzen, die ein regionales Netz an Verkaufsstellen aufgebaut haben. Kleinstbetriebe würden aufgrund der Lage hingegen das Nachsehen haben.

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Jugend für das Handwerk begeistern

Diese Einschätzung teilt der Lenzener Bäcker Ulf Grünberg mit Filialen in der Prignitz und Mecklenburg. Beim Mangel an Bäckern, Konditoren und Verkaufspersonal sieht er aber auch Versäumnisse in der Branche, wie er sagt. So sei es in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen, jungen Menschen das Handwerk näherzubringen. "Wir arbeiten da jetzt dran, holen Kinder und Jugendliche in die Bäckereien und backen mit ihnen. Immer in der Hoffnung, dass irgendeiner nach der Schule sagt: Das versuche ich mal."

Bisher habe er noch keine unbesetzten Stellen, sagt Grünberg, er bilde aktuell sieben Azubis aus. Trotzdem: Bewerber stehen auch hier nicht Schlange. Dabei gebe es vergleichsweise hohe Ausbildungsvergütungen und geregelte Arbeitszeiten, auch wenn sie natürlich frühmorgens beginnen. "Ich möchte mit keiner Krankenschwester tauschen, die im Drei-Schicht-System arbeitet. Wir arbeiten immer konstant zur gleichen Zeit", sagt Grünberg.

Azubis aus dem Ausland

Der Lenzener Bäcker setzt aber auch auf Lehrlinge aus dem Ausland. Mitarbeiter aus Usbekistan und Syrien und demnächst auch aus Bangladesch lernen in der Backstube und im Verkauf. Für den Betrieb bedeutet das einen zusätzlichen Aufwand, denn die ausländischen Lehrlinge müssen in der Region klarkommen. Außerdem gebe es einen großen bürokratischen Aufwand, bis es die Visa für die ausländischen Azubis gebe.

So müssten die Interessenten einen Lebensunterhalt, Vorab-Genehmigungen von den Arbeitsagenturen und auch Sprachkenntnisse nachweisen. "Die Hürden sind berechtigt. Bis die abgearbeitet sind von den deutschen und ausländischen Stellen dauert das aber einfach viel zu lange", kritisiert Ulf Grünberg. Er hält trotzdem an seinem Weg fest, denn nur so könne der Fachkräftebedarf langfristig gedeckt und die Zukunft seines Handwerkes gesichert werden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 20.11.2023, 14:30 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

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