Baustopp in Berlin
Die Krise bei Signa spitzt sich zu: Alle Bauprojekte in Berlin wurden gestoppt, ein Sanierungsexperte hat das Ruder übernommen, und die Investoren verlieren das Vertrauen. In der Landespolitik werden Rufe nach harten Konsequenzen laut. Von Sebastian Schöbel
Einen guten Moment für eine wirtschaftliche Krise gibt es nicht. Aber dass die Signa-Holding des Immobilieninvestors René Benko ausgerechnet jetzt in Schieflage geraten ist, dürfte eine Rettung besonders schwierig machen. Der Markt für Gewerbeimmobilien, speziell Bürogebäude, sei zurzeit besonders herausfordernd, sagt Alexander Fieback, Immobilienökonom bei der Forschungs- und Beratungsgesellschaft Bulwiengesa in Berlin. "Der ganze Markt ist im Krisenmodus."
Nicht nur die Zinswende mache der Branche zu schaffen, sondern auch die weiter steigenden Baukosten. Dazu kommt, so Fieback, dass durch die neue Homeoffice-Kultur der Bedarf an Bürogebäuden, wie Signa sie im Portfolio hat, sinkt. "Die Investoren stehen nicht gerade Schlange." Schnell an Geld zu kommen, indem man Immobilien in guter Lage abstößt, könnte sich also als schwierig erweisen.
Dass die Grünen in Berlin bei Signa nun politisch die Daumenschrauben anziehen wollen - mit einem Moratorium auf die bisher noch laufenden Planungsverfahren für das Karstadt-Warenhaus am Hermannplatz und das Bauvorhaben auf dem Kurfürstendamm - hält Fieback für den falschen Schritt. "Das wird die Sache nicht einfacher machen. Wenn sie nicht mal einen Bebauungsplan haben, werden Investoren nicht das Risiko eingehen, da zu investieren oder die Sache sehr genau prüfen, was Zeit kostet."
Dieses Risiko sieht auch Berlins Bausenator Christian Gaebler (SPD). "Wer dies fordert, nimmt billigend in Kauf, dass wichtige Projekte zur Entwicklung der Berliner Zentren und zahlreiche Arbeitsplätze aufs Spiel gesetzt werden", teilte ein Sprecher seiner Verwaltung auf rbb-Nachfrage mit. Man halte an den Bebauungsplänen für beide Signa-Projekten fest, so Gaebler. Denn an beiden Standorten seien auch Wohnungen und Flächen für den Gemeinbedarf geplant, die man nicht gefährden wolle.
Die Grünen aber hoffen, die Signa-skeptische Stimmung des früheren Koalitionspartners SPD nutzen zu können: Schließlich hatten sich die Sozialdemokraten bei einem Parteitag im Frühjahr schon klar gegen Benkos Hochhauspläne am Kurfürstendamm und am Hermannplatz ausgesprochen. "Der Konzern steht de facto vor den Ruinen seines Geschäftsmodells", sagte der grüne Stadtentwicklungsexperte Julian Schwarze dem rbb. "Für Berlin bedeutet das, dass Signa kein Partner mehr sein kann und die Zusammenarbeit beendet werden muss." Die versprochenen Investitionen in die Warenhäuser seien nie erfolgt, so Schwarze, nun drohe auch noch der Verkauf der Filialen, die der Senat mit seiner Vereinbarung sichern wollte. Dem Konzern am Hermannplatz und am Kurfürstendamm auch noch Baurecht zu erteilen, würde lediglich den Verkaufswert der Grundstücke in die Höhe treiben, "ohne zu wissen, was für die Stadt dabei herausspringt".
Dass die Schieflage der Signa Holding auch die Warenhäuser von Galeria Karstadt Kaufhof in Gefahr bringt, steht für den Handelsexperten Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein bereits fest. Er sehe nur noch zwei Optionen: Entweder der neu eingesetzte Signa-Beiratschef Arndt Geiwitz sucht den außergerichtlichen Vergleich mit Signas Gläubigern, oder es stehe ein Insolvenzverfahren an. "Die Situation wird nicht besser, die Banken sind in Aufruhr, und damit herrscht Alarmstimmung."
Heinemann kritisiert, dass von den 200 Millionen Euro, die der Mutterkonzern Signa nach der Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof in alle Warenhäuser stecken wollte, nur ein kleiner Teil wirklich gezahlt worden sei. Mehr Geld werde nun angesichts der aktuellen Probleme nicht mehr kommen. Zudem drohe ein mageres Weihnachtsgeschäft. "Sollte es auf eine weitere Insolvenz hinauslaufen, dann ist nicht zu erwarten, dass von der Signa-Gruppe Gelder zugeschossen werden. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Warenhäuser", sagt Heinemann. Benko müsse nun Transparenz in sein komplexes und teils hoch verschuldetes Firmengeflecht bringen. "Ich glaube, dass es auf ein Insolvenzverfahren hinausläuft."
Die Situation hätte man kommen sehen müssen, so Heinemann: Vereinbarungen wie in Berlin der "Letter of Intent" mit dem damals rot-grün-roten Senat - bei dem Signa Zugeständnisse für diverse Bauprojekte gemacht wurden, wenn im Gegenzug Warenhäuser erhalten bleiben - seien rückblickend ein Fehler gewesen. "Alles, was auf Kommunal- und Bundesebene gedealt worden ist, war mehr als naiv."
Gewinner der Signa-Krise könnten diejenigen sein, die aktuell nach günstigen Bürogebäuden Ausschau halten, sagt Immobilienexperte Fieback. "Die Preise sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich gefallen." Dazu könne, zumindest theoretisch, auch die öffentliche Hand gehören, so der Experte. Dass das Land Berlin immer auf der Suche nach Immobilien in guter Lage ist, zeigte zuletzt die Diskussion um den Kauf des Quartiers 207 in der Friedrichstraße. Das galt als möglicher Standort der Zentral- und Landesbibliothek. Doch bei der angespannten Berliner Kassenlage dürfte eine Schnäppchenjagd im Signa-Portfolio derzeit kaum realistisch sein.
Sendung: rbb24 Inforadio, 09.11.2023, 6 Uhr
Beitrag von Sebastian Schöbel
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