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Quelle: dpa/Carsten Koall

Fehlende Papiere und Regelverstöße

Gewerkschaft sieht "viele schwarze Schafe" im Sicherheitsgewerbe

Bei einer Razzia in einer Geflüchteten-Unterkunft in Berlin konnten Dutzende Sicherheitsmitarbeiter keine korrekten Papiere vorweisen. Die Gewerkschaft Verdi zeigt sich wenig überrascht. Doch wo hakt es in der Branche?

Weihnachtsmärkte, Flüchtlingsheime, Schwimmbäder - in Deutschland werden immer mehr Sicherheitsdienstleistungen nachgefragt. In diesem Jahr dürfte der Umsatz bundesweit auf elf Milliarden Euro steigen. Der größte Auftraggeber ist die öffentliche Hand.

Allein in Berlin arbeiteten 2019 laut dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft rund 360 Unternehmen in der Branche - angefangen bei kleinen Firmen mit rund 20 Mitarbeitern bis zu international tätigen Dienstleistern, die zehntausende Menschen beschäftigen. Insgesamt sind in der Hauptstadt rund 24.000 Menschen im Sicherheitsgewerbe tätig.

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Polizei: 87 Sicherheitsmitarbeiter hatten keine ordentlichen Papiere

Eine Berliner Firma ist beispielsweise damit betraut, am Ankunftszentrum Tegel für Sicherheit zu sorgen; zuletzt waren dort 183 Mitarbeiter in dieser Einrichtung präsent. Bei einer Razzia am Montag stellten Zollbeamte und Polizisten aber bei 87 von ihnen Verstöße gegen die Bewachungsverordnung fest. 55 von ihnen mussten ihre Arbeit sofort einstellen. Laut Polizei Berlin fehlten etwa Nachweise, dass die Mitarbeiter für die Arbeit in dem Ankunftszentrum entsprechend geschult waren.

Auch seien Mitarbeiter nicht im sogenannten Bewacherregister eingetragen, hieß es. Schließlich fehlten auch Zuverlässigkeitsüberprüfungen. Sie sollen sicherstellen, dass Mitarbeiter beispielsweise keine Vorstrafen haben, die sie für die Arbeit ungeeignet machen. So dürfen Sicherheitsmitarbeiter, die in einem Ankunftszentrum arbeiten, nicht wegen Körperverletzung vorbestraft sein.

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Firmen müssen oft lange auf Dokumente warten

Dem rbb teilte das Unternehmen mit, nicht alle Mitarbeiter seien mit Sicherheitsaufgaben betraut gewesen - in diesen Fällen seien die Dokumente eventuell gar nicht nötig gewesen. Es solle jedoch Überprüfungen geben.

Ersten Erkenntnissen zufolge hatten fast die Hälfte der im Ankunftszentrum tätigen Angestellten keine ordentlichen Papiere. "Mich überrascht das gar nicht", sagt Christian Schadow von der Gewerkschaft Verdi und nennt mehrere mögliche Gründe: So müssen die Behörden für die Zuverlässigkeitsüberprüfung etwa das Führungszeugnis einsehen. Das muss man allerdings erstmal beantragen und dann oft Wochen warten. "Aus Branchenkreisen hört man, dass während dieser Wartezeit einige Firmen oft schon Aufträge annehmen, die dann erfüllt werden müssen. Da gibt es viele schwarze Schafe", so Schadow weiter.

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Branche ist unübersichtlich

Außerdem könnten Sicherheitsfirmen fast nur an Arbeitskosten sparen, wenn sie bei Ausschreibungen ein besseres Angebot als die Konkurrenz machen wollen. Das erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass Firmen nicht nur bei Lohnzuschlägen, sondern auch bei Qualifikationsnachweisen nicht ordentlich arbeiten. Schließlich ist die Branche laut Schadow sehr kleinteilig: Sie besteht neben einigen großen Unternehmen vor allem aus vielen kleinen Firmen.

Das Gewerbe bringt es mit sich, dass die Mitarbeiter oft in Schichtdiensten an verschiedenen Orten arbeiten - auch nachts, allein oder in kleinen Gruppen. Die Einhaltung des Arbeitsrechts sei daher schwer zu kontrollieren, so Schadow. Auch die gewerkschaftliche Arbeit werde dadurch erschwert.

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Generell herrsche in der Branche seit der hastigen Eröffnung von vielen Flüchtlingsheimen im Jahr 2015 "Goldgräberstimmung", meint Schadow. Seitdem habe sich die Lage zwar etwas entspannt. Aber immer noch könne es sein, dass Firmen schnell viele Mitarbeiter für relativ einfache Arbeiten wie in dem Ankunftszentrum rekrutieren wollen und deshalb bei Qualifizierung und Registrierung nicht sorgfältig arbeiten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 5.12.23

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