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Quelle: Schumacher Quartier

Neue TU-Studie zu Holzbau in Berlin

Zwischen Klimakiller Beton und Mondholz zu Mondpreisen

Das Schumacher-Quartier will mehr als Wohnraum bieten: Es soll zeigen, was moderner Holzbau alles leisten kann. Doch Kritikern ist der viel zu teuer. Eine neue Studie der TU tritt dem entgegen: mit wissenschaftlichen Argumenten, vor allem für die Klimabilanz. Von Sebastian Schöbel

Mit einer neuen Studie der TU Berlin wirbt die Tegel Projekt GmbH für den Einsatz von Holz im Berliner Wohnungsbau. Der Baustoff habe nicht nur eine deutlich bessere Klimabilanz als herkömmliche Baustoffe wie Beton oder Ziegel, sondern sei auch regional erhältlich und könnte eine positive Auswirkung auf die Forstwirtschaft haben.

Für die Studie hat ein Forscherteam um Galina Churkina, Leiterin des Fachbereichs Stadtökologie an der TU Berlin, eines der geplanten Gebäude im Schumacher-Quartier untersucht. Für den vierstöckigen Wohnblock ohne Keller wurden mehrere Bauvarianten durchgerechnet: vom herkömmlichen Betonbau bis zum Vollholzbau mit Spezialmaterial. "Den ersten Platz nehmen Massivholzbauweisen ein, gefolgt von Holzrahmen-Leichtbauweisen", so das Fazit der Untersuchung. Mineralbasierte Bauweisen mit Beton oder Ziegeln schneiden hingegen bei der Klimabilanz am schlechtesten ab.

Schumacher Quartier in Berlin-Tegel

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Studie als Argument für Holzbau im Schumacher Quartiers

"Stahl und Stahlbeton als konventionelle Baumaterialien verursachen bei der Produktion hohe CO2-Emissionen und verfügen nur über eine geringe oder gar keine Kapazität zur Speicherung von Kohlenstoff", schreibt Studienleiterin Churkina. "Ihre ureigensten Vorteile, Festigkeit und Steifigkeit, gehen erheblich auf Kosten der Umwelt."

Mit der von ihr beauftragten Studie will die Tegel Projekt GmbH die Vorteile des Holzbaus im Schumacher-Quartier herausstellen. Auf dem ehemaligen Flughafengelände soll auf 46 Hektar Fläche ein Stadtteil mit Vorbildfunktion entstehen: Die geplanten rund 5.000 Wohnungen sollen so ressourcen-schonend wie möglich gebaut und das gesamte Quartier klimafreundlich gestaltet werden. Neben Gebäuden sind auch Versickerungsflächen für Regenwasser und Grünanlagen für Biodiversität geplant. Das Projekt gilt zugleich als Blaupause für Berlins Strategie, auch im Bausektor klimaneutral zu werden.

Holzbau in Brandenburg

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Märkische Kiefer oder Mondholz aus Österreich?

Das Holz für den Wohnungsbau in Tegel soll aus regionaler Forstwirtschaft kommen: Besonders Kiefernmonokulturen in Brandenburg sollen aufgelöst, das gewonnene Holz verbaut und die Wälder wieder zu Mischwäldern gemacht werden. Laut der TU-Studie liegt der Holzbedarf für das Schumacher-Quartier je nach Bauart zwischen 139.515 und 382.582 Kubikmetern. Das Holz aus Forsten in Berliner Landesbesitz könnte einen Teil des Bedarfs abdecken, so die Studie. Bezieht man den deutlich größeren Bestand der Brandenburger Forsten mit ein, könne der Holzbedarf sogar komplett aus der Region bedient werden. Allein in Brandenburg würden demnach pro Jahr fast 880.000 Kubikmeter Fichtenholz in Staatswäldern geschlagen.

Regionales Holz wäre laut der Studie auch Spezialhölzern aus anderen Regionen vorzuziehen. So gebe es zwar inzwischen Vollholz-Bauverfahren, bei denen sogar Dübel und andere Verbindungselemente aus Holz sind. Allerdings müsste das Baumaterial zum Teil von weit weg angeliefert werden, was die Klimabilanz verschlechtert. Als Beispiel wird die Firma Thoma aus Österreich genannt, die ihr Holz nur "bei abnehmendem Mond" in bestimmten Forsten schlägt, weil das Holz dadurch angeblich robuster und weniger anfällig für Schädlinge sei. Es ließen sich jedoch "keine aktuellen Quellen finden, die diese Ergebnisse untermauern", so die TU-Forscher.

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Holzbau ist teurer - und schneller

Kritiker des Holzbaus verweisen allerdings immer wieder auf die höheren Baukosten: Die liegen laut der Branche zwischen sechs und zwölf Prozent über denen von konventionellen Methoden. Die Holzbau-Branche selbst spricht von einem Preisunterschied von 300 Euro pro Quadratmeter. Auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen von Berlin, die 50 Prozent der Gebäude im Schumacher-Quartier bauen sollen, hatten sich zunächst skeptisch gezeigt: So sagte Gesobau-Chef Jörg Franzen 2022 im Abgeordnetenhaus, dass im Schumacher-Quartier "nach jetzigem Stand wirtschaftlich keine einzige Wohnung gebaut werden" könne. Auch aus der Degewo kamen zuletzt eher kritische Töne: Vorstandsmitglied Sandra Wehrmann geht laut "Frankfurter Allgemeiner Zeitung" [Bezahlinhalt] beim Holzhybridbau sogar von bis zu zwanzig Prozent höherer Kosten aus.

Inzwischen scheint sich diese Einstellung allerdings geändert zu haben. "Die aktuelle Baupreisentwicklung lässt erkennen, dass bei vielen Projekten kaum ein Unterschied zwischen konventioneller Bauweise und dem Holzhybridbau besteht", teilte ein Degewo-Sprecher auf rbb-Nachfrage mit. Zudem sei die Bauzeit kürzer. Das Unternehmen habe inzwischen bereits mehrere hundert Wohnungen in Holzbauweise errichtet, aktuell sei eine Holzbau-Kita in Arbeit, und weitere Projekte sollen folgen.

Streit um Autobahntunnel

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Gesobau-Chef Franzen verweist gegenüber dem rbb allerdings weiterhin auf die höheren Preis beim Holzbau, vor allem bei höheren Gebäuden. "Vorteile liegen vorwiegend im Holzhybridbau", so Franzen. "Dieser bietet die Möglichkeit, inbesondere die technisch anspruchsvollen Bauteile in kostengünstiger Massivbauweise zu errichten." Zudem sei Holzbau schneller und platzsparender, weil geringere Wandaufbauten nötig seien.

Dennoch bleibe der Holzbau anspruchsvoll, gerade auch mit Blick auf Brand- und Schallschutzvorgaben. "Darüber hinaus fehlen im Berliner Raum jahrelange Erfahrungswerte und Expertise im Holzbau, die alle Beteiligten sich erst erarbeiten müssen." Dennoch gewinne der Holzbau auch in seinem Unternehmen an Bedeutung, sagt Franzen, aktuell seien insgesamt rund 100 Wohneinheiten in konkreter Planung.

Berlin ist Holzbau-Hauptstadt Deutschlands

Laut einer Marktstudie des Beratungs- und Analyseinstituts Bulwiengesa hat Berlin eine höhere Holzbauquote als alle anderen Bundesländer. Deutschlandweit spielt Holz allerdings weiter eine untergeordnete Rolle: Mehr als 96 Prozent aller neuen Gebäude werden weiterhin mit konventionellen Baustoffen errichtet, so die Bulwiengesa-Untersuchung. Als Grund gibt die Branche neben den erhöhten Kosten vor allem fehlende Handwerker und mangelnde Holzbau-Expertise an.

Im Schumacher-Quartier sollen die ersten Gebäude bis 2027 fertiggestellt sein. Zuletzt gab es allerdings Verzögerungen, weil die Autobahngesellschaft des Bundes den Bebauungsplan blockierte: Die Autobahnplaner fordern einen größeren Abstand der Gebäude zum darunter liegenden Tunnel der A111. Das wiederum könnte laut Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dazu führen, dass mehr als 500 Wohneinheiten weniger im Schumacher-Quartier entstehen. Die Verhandlungen sollen noch in diesem Monat fortgesetzt werden.

Quelle: Tegel Projekt GmbH/Macina

Beitrag von Sebastian Schöbel

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