Auftakt der Grünen Woche
Kurz vor Beginn der Grünen Woche lädt Brandenburgs Ministerpräsident Woidke Bauernverbände zu Gesprächen nach Berlin ein – und sagt Zuschussleistungen für Landwirte zu. Für beide Seiten geht es aber um mehr. Von Birgit Raddatz
Für Heiko Terno wird es eine gute Grüne Woche, das weiß er, noch bevor die Tore am Berliner Messegelände am kommenden Freitag für Besucherinnen und Besucher anlässlich der Ernährungs- und Landwirtschaftsmesse öffnen. Nicht nur, weil die Brandenburg-Halle mit 250 Ausstellern und fast 70 Ständen ausgebucht ist. Die Landwirtschaft spiele derzeit eine Rolle am Küchentisch vieler Menschen, freut sich Terno. Er leitet selbst einen Landwirtschaftsbetrieb und ist außerdem Vizepräsident des Brandenburger Bauernverbandes. "Die Landwirtschaft steht wieder im Mittelpunkt und das in der Breite der Gesellschaft."
Eigentlich waren die Landwirte pessimistisch in das neue Jahr gestartet - hohe Kosten für Energie, Dünger und Futtermittel belasten die Branche. Dass die Bundesregierung Agrarsubventionen streichen will, war für viele nur der berühmte Tropfen. Seit Wochen blockieren Landwirte und Landwirtinnen vor allem in Brandenburg Autobahnauffahrten, kamen Anfang der Woche zu Tausenden nach Berlin. Bauernpräsident Joachim Rukwied hat mit neuen und weitreichenden Protesten kommende Woche gedroht, sollte die Bundesregierung die geplanten Steuererhöhungen beim Agrardiesel nicht zurücknehmen.
Verschiedene Minister auf Bundes- und Landesebene ergriffen bereits Mikrofone, kletterten auf Lautsprecherwagen, verteidigten entweder die Pläne oder übten wiederum Kritik an der Ampel-Koalition. So auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Als sich vergangene Woche zahlreiche Landwirte mit ihren Traktoren auf die Straße vor der Staatskanzlei in Potsdam stellten, stellte sich Woidke hinter ihr Anliegen und rief die Bundesregierung dazu auf, die geplanten Subventionskürzungen beim Agrardiesel zurückzunehmen.
Doch Worte allein brächten nicht viele Sympathiepunkte, vor allem nicht angesichts der anstehenden Wahl im September. Woidke, selbst gelernter Agraringenieur, und seine angeschlagene SPD sind angewiesen auf die Zustimmung aus der Landwirtschaft. 2020 arbeiteten hier fast 38.000 Menschen in über 5.000 landwirtschaftlichen Betrieben, in Medien war von einer breiten Zustimmung der Brandenburgerinnen und Brandenburger für die Proteste der Bauern zu lesen.
Kurz vor Beginn der Grünen Woche lud Woidke deshalb am Donnerstag nun Vertreter der Kreisbauernverbände auf das Berliner Messegelände zum Gespräch ein. Mit dabei: Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) sowie Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne). "Wir können nicht nur mit dem Finger auf die Bundesebene zeigen, sondern müssen auch schauen, wie wir unseren Landwirten mehr Planungssicherheit verschaffen", so Woidke.
Zwar wird Brandenburg nicht mit kurzfristigen Finanzhilfen helfen. Woidke versprach aber, das Land werde die Ausgleichszulage von 25 Euro pro Hektar auch über das Jahr 2025 hinaus zahlen. Diesen Zuschuss können landwirtschaftliche Betriebe in benachteiligten Gebieten Brandenburgs etwa aufgrund eines schlechteren Bodens beantragen, derzeit profitieren davon rund 80 Prozent aller Agrarunternehmen im Land. Kostenpunkt: Rund 25 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt.
Außerdem wolle man darüber sprechen, wie bürokratische Mehrbelastungen für die Landwirte verringert werden können, hieß es nach dem Treffen. In vier Wochen sollen die Gespräche weitergehen.
Henrik Wendorff, Präsident des Brandenburger Bauernverbandes, nutzte die Gelegenheit des seltenen und ressortübergreifenden Spitzentreffens, um die aus seiner Sicht "unter den Tisch gefallenen Themen" wiederzubeleben. Etwa der Einsatz der flächendeckenden Satellitenüberwachung. Seit vergangenem Jahr sollen so Unstimmigkeiten zwischen Angaben im Agrarantrag für EU-Zahlungen und dem tatsächlichen Zustand der Äcker ermittelt werden. Eine Vorgabe der Europäischen Union, die ab dem kommenden Jahr verbindlich greifen soll; Brandenburg war hier Vorreiter. Dass die Äcker aus dem All beobachtet und geprüft werden, gefällt den Bauern allerdings gar nicht. "Da steckt ein Stück Vertrauensverlust dahinter", vermutet Wendorff.
Dieser Vertrauensverlust – ob er nun gefühlt oder real ist – wird deutlich in Halle 21a auf dem Berliner Messegelände. Dort steht Heiko Terno nun am Stand des Landesbauernverbandes, zuvor war er ebenfalls bei den Gesprächen mit den Vertreterinnen und Vertretern der Landesregierung dabei. Er sei eigentlich mit der SPD sehr zufrieden gewesen – bis zur vergangenen Wahl. Mit dem grünen Koalitionspartner kann Terno so gar nichts anfangen. "Teilweise haben nicht mehr Fachleute über uns bestimmt, sondern es wurden Ideologien durchgesetzt, die uns mit Kosten belastet haben - aber keine Auswirkungen auf die Umwelt hatten."
Derweil schaut Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel von den Grünen bei den Ausstellern auf der Grünen Woche vorbei, probiert für die Kameras Fischbuletten, Wurst und Spreewaldgurken. Die Kritik, dass der Austausch zwischen Landwirtschaft und Politik schlechter geworden sei, seit die Grünen das Ressort in Brandenburg übernommen haben, weist Vogel von sich. "Wir diskutieren sehr intensiv mit verschiedenen landwirtschaftlichen Verbänden über den Weg in die Zukunft."
Wie dieser Weg aussieht, darüber wird wohl auch in der kommenden Woche auf dem Berliner Messegelände intensiv diskutiert werden.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.01.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Birgit Raddatz
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