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Quelle: rbb / Schneider

Brandenburger Weizen im Klimawandel

Aller Ähren wert?

Die Menschen essen mehr Weizen und deshalb setzen Brandenburger Landwirte auch langfristig darauf. In Zukunft aber wird der Klimawandel den Anbau erschweren, noch dazu auf den sandigen märkischen Böden. Doch es gibt Lösungsansätze.

Ja, eines heißen, fernen Tages könnten zwischen Finsterwalde, Schwedt und Neuruppin reichlich Erdnüsse, Sesam und Trockenreis geerntet werden - aber bis dahin muss es vor allem der Weizen richten. Fabian Blöchl kann den Wandel der Zeiten aus der Sicht eines Landwirts recht anschaulich erklären, dafür muss er nur an seinen Großvater denken: Der baute auf seinem Betrieb im Süden Brandenburgs vor 60 Jahren vor allem Roggen an, die sogenannte "Brotfrucht der Mark" - das Getreide, das Brandenburg am stärksten geprägt hat. Auch, weil die leichten, sandigen Böden nicht viel anderes hergaben.

Doch die Tradition schwindet: Der Roggen ist seit Jahren auf dem Rückzug, Brandenburg steht nicht mehr auf Platz 1 der Bundesländer. Stattdessen spielt der Weizen eine immer größere Rolle, weil aus ihm mehr rauszuholen ist. "Mein Großvater hatte nicht die Sorten zur Verfügung, um den Weizen auf unseren Böden auch wirklich zu einem guten Brotweizen werden zu lassen. Das heißt: Mit ordentlichem Eiweiß- und Klebergehalt, wie wir ihn heute haben. Damals haben die Leute noch viel mehr Mischbrot gegessen. Heute ist es eben Ciabatta, Baguette, dazu Pizza und so weiter", erzählt Blöchl. Er ist Landwirt und Referent für Ackerbau beim Landesbauernverband. Und weil Grüne Woche ist, steht er an diesem Mittag nicht auf seinem Feld, sondern in einer Messehalle in Berlin.

Bedarf könnte bis 2050 weltweit um 60 Prozent steigen

Gemessen am Flächenverbrauch ist dieses Ährengras die mit Abstand am weitesten verbreitete Nutzpflanze weltweit. Auch in Brandenburg belegt sie die größten Anbauflächen, auch wenn das Bundesland im deutschen Vergleich nur im hinteren Mittelfeld liegt. Der Konsum steigt seit Jahren, auch in Deutschland - entgegen des Hypes um glutenfreie Produkte und des mittelprächtigen Images, das helle Brötchen oder Toastbrot in punkto gesunder Ernährung haben. Und glaubt man den Prognosen, wird sich daran erst einmal nichts ändern: Denn die Weltbevölkerung wächst.

Laut aktuellen Schätzungen der G20 dürfte der Weizenbedarf bis 2050 um 60 Prozent steigen - wobei kaum neue Anbauflächen zu erwarten sind. Deutschland ist nach Frankreich der zweitgrößte Produzent der EU, Weizen wächst hier so gut, dass die deutsche Landwirtschaft einen Selbstversorgungsgrad von 121 Prozent hat - es wird also mehr geerntet, als gegessen wird. Aber die steigenden Temperaturen, die Trockenheit und Extremwetterereignise wie Starkregen bedrohen diese Anbauform, wie wir sie heute kennen. Besonders in Brandenburg.

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Trockener im Sommer, nasser im Winter - und öfter Unwetter

Obwohl die Region viele Gewässer hat, zählt sie zu den trockensten und am wenigsten niederschlagsreichen Bundesländern, entsprechend anfällig sind ihre Böden. Zugleich steigen die Temperaturen laut Deutschem Wetterdienst (DWD) dort kontinuierlich an und werden das laut Prognose weiter tun. Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) warnt, dass Mitteleuropa ohne drastische Reduzierung der Treibhausgasemissionen in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts (2051-2100) mit einer siebenfachen Zunahme von Dürreperioden rechnen muss. Die Prognose für Brandenburg: Trockenere Sommer, feuchtere Winter und häufigere Unwetter.

Der Trockenstress macht den Weizen anfälliger für Krankheiten. Ebenfalls zu beobachten: Wenn viel Wasser vom Himmel kommt, dann zur ungünstigen Zeit. Im vergangenen Jahr war es im Frühjahr zu nass, im Frühsommer viel zu trocken und dann wieder zu nass - Ergebnis war eine bescheidene Ernte, von der 70 Prozent zu Tierfutter wurde, weil die Qualität für Brot und Brötchen nicht reichte. "Im Grunde genommen geht es beim Weizen immer ums Wasser - das muss dann da sein, wenn er es braucht", sagt Fabian Blöchl. Neonlicht brennt von oben auf die Messehallengesichter, überall Häppchengewusel und Stimmenbrei, aber Blöchl kann so erzählen, dass man das alles ausblendet. Er greift in einen der Getreidesäcke, die adrett an dem Stand des Bauernverbandes drapiert worden sind und lässt eine Handvoll Körner durch seine rechte Hand rieseln.

Früher in die Vollen gehen

Das große Problem, sagt der Anbauexperte, sei die Frühjahrstrockenheit, die sich immer stärker auswirke. "Die Sommerkulturen, zum Beispiel Mais, Hafer, Gerste, die haben schon heute eine riesengroße Niederschlagslücke zwischen Februar und April. Wenn man wieder auf den Acker kommt, ist das Wasser schon weg." Deshalb gehe der Trend zu den Winterkulturen wie dem Winterweizen, der im September ausgesät wird. Der könne den Niederschlag im Winter nutzen um zu wachsen. Der Nachteil: Er kann von Virusinfektionen, wie Frost oder Schwächeparasiten angegriffen werden.

Im Sommer könne man beim Weizen über künstliche Beregnung reden, sagt Blöchl. Noch lohnt sich das, weil der Ertrag pro Hektar vergleichsweise hoch ist. Wird Wasser teurer und kostbarer, würde sich diese Rechnung ändern. Hier könnte die technische Entwicklung etwas Druck herausnehmen: Es gibt immer präzisere Bewässerungssysteme und Sensortechnologien, um die Wetterbedingungen und die Beschaffenheit des Ackers zu überwachen - dadurch kann man es deutlich effizienter einsetzen.

"Möglichkeiten, die mein Großvater vor 60, 70 Jahren beim Weizenanbau nicht hatte": Fabian Blöchl, Referent für Acker- und Pflanzenbau beim Landesbauernverband Brandenburg. | Quelle: rbb / Schneider

Die Genschere - und das große Geschäft

Große Hoffnungen liegen auf der Entwicklung von Weizensorten, die Hitze besser abkönnen und mit weniger Wasser auskommen. Weizen, wie wir ihn heute kennen, ist das Produkt von Tausenden Jahren Züchtung. Er hat heute einen sechsfachen Chromosomensatz. Das eröffnet riesige Möglichkeiten, macht die Angelegenheit aber auch kompliziert. Studien zeigen, dass moderne Zuchtsorten etwa beim Weizen auch am besten mit begrenzten Wassermengen zurechtkommen. Biotechnologiekonzerne wie Bayer planen hier mit riesigen Gewinnen und bewerben ihre Produkte aggressiv, zum Beispiel einen flacheren Weizen, der weniger anfällig für Winderosion ist. In Argentinien und Brasilien ist inzwischen der Anbau eines gentechnisch veränderten, sogenannten HB4-Weizens erlaubt, der Trockenstress viel besser verträgt. Die Züchter haben ihm dafür ein Gen aus der Sonnenblume spendiert.

Das Streitobjekt bei alldem ist eine winzige Schere, bitte aber nur bildlich vorstellen: Mit der sogenannten Crispr/Cas-Schere können Züchter heute das Genom von solchen Pflanzen aufschnibbeln und dann verändern. Die EU hat das allerdings nicht erlaubt – Gentechnik durch die Hintertür, ohne die langfristigen Folgen für Mensch und andere Arten absehen zu können, werfen Kritiker den Entwicklern vor. Aber mit den herkömmlichen Sorten wird es, sieht man sich Klimamodelle an, wohl nicht gelingen, die wachsende Weltbevölkerung sattzukriegen. Agrarexperten gehen davon aus, dass solche veränderten Züchtungen irgendwann mit konventionellen gleichgesetzt werden. Aber Fachleuten zufolge hat auch das Potential dieses Superweizens Grenzen. Entscheidender ist der Boden.

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Öfter mal was Anderes

Einfache Rechnung: Wenn weniger brauchbares Wasser oben kommt, ist es umso wichtiger, das vorhandene in der Erde zu behalten. Mulchen und organischer Dünger helfen, noch wichtiger ist aber der Anbau von Zwischenfrüchten, zum Beispiel Kleegras oder Lupinen - denn dadurch ist der Boden ständig bedeckt, was weniger Wasser verdunsten lässt. "Wenn ich dagegen im Winter meinen Acker blank liegen lasse, ist das Wasser weg", sagt Blöchl. Der Humus im Boden wird angereichert und verbessert so die Bodenstruktur, noch dazu wird so mehr Kohlenstoff im Boden fixiert - was dem Klimaschutz hilft.

Forscher empfehlen auch eine vielfältigere Fruchtfolge, um das Risiko von Krankheiten und Schädlingen zu verringern. Das heißt: Nicht nur Getreide, Mais und Raps, sondern beispielsweise auch Sonnenblumen, Lein, Buchweizen und Hafer anbauen. Diese Abwechslung durch unterschiedliche Pflanzen hilft dabei, Nährstoffe und Wasser gut in allen Bodenschichten zu verteilen.

Ein weiterer Baustein: Den Pflug in der Garage stehen lassen und den Boden weniger bearbeiten. Das geht unter anderem, indem man so genannte Grubber an Traktoren hängt, die den Boden zwar aufreißen, aber nicht wenden. Eine relativ neue Option ist das "Strip-Till"-Verfahren, erklärt Blöchl: "Das heißt im Grunde, dass die Bauern einen viel größeren Teil des Ackers immer bedeckt halten, weil sie nur Streifen bearbeiten und den Rest in Ruhe lassen. Auch das hilft, dass weniger Wasser verdunstet. Diese Verfahren fragen unsere Mitglieder in Brandenburg stark nach."

Besonders Pilze machen dem Weizen zu schaffen: Für seinen Anbau werden 80 Prozent der weltweit eingesetzten Fungizide eingesetzt. | Quelle: dpa-Zentralbild

Spritzenmäßig

Wenn man den Boden in Ruhe lässt um Wasser zu sparen, bedeutet das auch mehr Unkraut - denn das wird dann nicht durch die aufgeworfene Erde verschüttet. Und damit zum seit Jahren heiß umstrittenen Thema Glyphosat. Das Dilemma aus Sicht der Bauernverbände: Mindestens gleichbleibende Erträge bei weniger Wasser und mehr Hitze sind im Klimawandel ohne Herbizide nicht zu schaffen.

Die steigern die Produktivität und verringern die Ertragsverluste. Allerdings haben sie auch negative Auswirkungen auf die Biodiversität, also Artenvielfalt, stellt unter anderem das Thünen-Institut fest, dass zu Landwirtschaft forscht. Erst vor kurzem hat die EU die Zulassung für Glyphosat um zehn Jahre unter Auflagen verlängert. Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA hatte über drei Jahre lang rund 2.400 wissenschaftliche Studien zu Glyphosat ausgewertet. Sie sieht "keine kritischen Problembereiche" für den Menschen sowie für die Umwelt, mehrere Aspekte blieben aber ungeklärt: Zum Beispiel ernährungsbedingte Risiken für Verbraucher, Risiken für Wasserpflanzen und Auswirkungen auf den Artenschutz [tagesschau.de].

Umweltschutzorganisationen und Öko-Anbauverbände sehen in Glyphosat Gefahren für Menschen und Umwelt und lehnen das Totalherbizid ab. Der Bauernverband sagt: Würde Glyphosat verboten, würden Landwirte wieder zum Pflug greifen. Das koste Wasser und Diesel und die Ernteeinbußen seien deutlich größer. Das EU-Vorhaben, den Pestizideinsatz bis 2030 zu halbieren, ist wieder vom Tisch - vor allem wegen des Widerstandes der Agrarbranche.

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Suchdrohnen und sparsamere Sorten

Aber auch an diesem Problem wird weltweit geforscht - auch in Brandenburg. Das Julius Kühn-Institut für Kulturpflanzen tüftelt in Kleinmachnow an neuen Weizensorten, bei denen man bis zu 60 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen muss. Die neuen Züchtungstechniken hätten das Potential, große Züchtungsfortschritte in viel verkürzten Zeiträumen zu erzielen, sagt der Chef des Bundesinstitut für Risikobewertung.

Das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) verfolgt im Projekt "Weed-AI-seek" auf Feldern in Potsdam eine andere Idee, mit der sich der Pestizideinsatz senken lassen könnte. Eine Drohne sucht Winterweizenfelder automatisch nach Unkraut ab und kann sogar dessen Art bestimmen. Mit einer automatisch erstellten Karte sollen die Landwirte dann genau sehen können, wo Unkraut anstatt Weizen wächst - und das Pestizid dann auch nur dort einsetzen, anstatt auf der Fläche. Die Weiterentwicklung: Feldroboter könnten die Unkräuter dann mit buchstäblich möglichst wenig Aufriss entfernen, so die Idee des ATB.

Warum nicht zum Nachbarn

Auch wenn vielleicht eines Tages Drohnen über Brandenburger Weizenfelder surren, es weniger, aber viel größere Betriebe geben wird, wie die Prognosen verheißen, und der Computer das wenige Wasser auf den Tropfen genau verteilt: Fabian Blöchl sagt, er könne sich nicht vorstellen, dass der Weizen an den Rand gedrängt werde. Dafür sei die Welt zu hungrig danach und die Ware wegen einheitlicher Qualitätsstandards problemlos zu vermarkten.

Aber ihm schwebt trotzdem Anderes vor. "Natürlich ist der globale Preis immer ausschlaggebend. Aber wir wollen wieder dahin, dass der Preis auch in Brandenburg so ist, dass der Weizen nicht nach Peru oder Indonesien gehen muss, sondern zuerst in einen Nachbarort gehen kann", sagt der Landwirt. Das sei heute nicht oft genug der Fall - was auch an dem liegt, was der Kunde in der Bäckerei zu zahlen bereit ist.

Man sollte sich nicht an alten Gewohnheiten festkrallen, stellt er noch zum Abschied fest. Aber als Süd-Brandenburger schlage sein Herz noch immer für den Roggen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.01.2023, 9 Uhr

Beitrag von Sebastian Schneider

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