Fachkräftemangel in Teltow-Fläming
Teltow-Fläming ist das wirtschaftliche Zugpferd Brandenburgs. Keine anderer Landkreis hat so viele Industrieunternehmen. Aber das Wirtschaftswachstum ist in Gefahr: Fachkräftemangel. Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen, ist kompliziert. Von Alexander Goligowski
Es rauscht, es surrt, es piept. Bei Hesco in Luckenwalde ist die Werkshalle voll mit Maschinen, die Kunststoffteile vor allem für die Autoindustrie drucken, gießen oder spritzen. Stolz führt der Geschäftsführer Felix Reiche durch sein Familienunternehmen. Nach der Wende hatte sein Vater den Betrieb wieder aufgebaut, jetzt übernimmt der Sohn das Zepter.
Die Auftragsbücher sind voll, und dennoch könnte es besser laufen, denn die ein oder andere Maschine steht momentan still. "Eigentlich könnten sie rund um die Uhr laufen, das wäre auch besser für die Maschinen. Wir fahren aber nicht alle Schichten, weil uns die Leute dafür fehlen", erklärt Felix Reiche und zeigt auf die neueste Anschaffung. "Für diese Maschine brauchen wir spezielle Fachkräfte, sogenannte Kunststoffformgeber. Da muss man sich mit IT und auch Chemie auskennen, die Ausbildung dauert vier Jahre. Deshalb sind diese Leute rar gesät und heiß umworben."
Mit anderen Worten: Hesco hat kaum eine Chance gegen die lukrativen Arbeitsangebote aus Westdeutschland. Seit Jahren fehlen dauerhaft etwa fünf Mitarbeiter.
Der Fachkräftemangel hindert Hesco am Wachsen. Das Unternehmen mit seinen 50 Angestellten hatte beim Wettbewerb um Aufträge zuletzt öfter das Nachsehen, weil die Produktion nicht die Mengen versprechen konnte, welche die Kunden aus der Großindustrie verlangten. Woher also Arbeitskräfte nehmen? "Wenn wir uns die Zahlen ansehen, werden wir zukünftig nicht ohne Fachkräfte aus dem Ausland zurechtkommen", sagt Felix Reiche.
Er sorgt sich um die Wettbewerbsfähigkeit Brandenburgs, wie er erklärt, wenn es nicht gelingt, attraktiver für Arbeitskräfte aus dem Ausland zu werden. Fünf von 50 Mitarbeitern bei Hesco sind schon jetzt nichtdeutscher Herkunft - zehn Prozent. Damit liegt das Unternehmen im Brandenburger Durchschnitt. Während 2015 laut Arbeitsagentur nur 3,8 Prozent der Beschäftigten in Brandenburg ausländischer Herkunft waren, sind es Stand 2023 mittlerweile 10,9 Prozent. Im Landkreis Teltow-Fläming liegt dieser Anteil noch einmal deutlich höher. Hier sind fast 20 Prozent der Beschäftigten keine Deutschen.
Der Facharbeiter Mohammed Faour ist gebürtiger Syrer und seit diesem Jahr deutscher Staatsbürger. Ein langer Weg für den 22-Jährigen, der 2015 minderjährig nach Deutschland kam. Bei Hesco hat er seine Ausbildung gemacht und ist danach der Firma treu geblieben. Er kenne aber auch seinen Marktwert, erzählt Felix Reiche mit einem Schmunzeln. "Mohammed bekommt natürlich Angebote, die Unternehmen kämpfen untereinander um junge Fachkräfte. Es kann gut sein, dass wir irgendwann nicht mehr mithalten können, wir müssen auch immer das Gehaltsgefüge innerhalb der Firma im Blick behalten", sagt er.
Die Unternehmen in Deutschland kannibalisieren sich in Sachen Fachkräfte gegenseitig. Es braucht insgesamt mehr, sei es durch Ausbildung oder aus dem Ausland. Angesprochen auf die aktuelle politische Lage sagt Felix Reiche: "Ein weltoffenes Erscheinungsbild unseres Bundeslandes, aber auch der ganzen Bundesrepublik ist ganz essentiell für uns, sowohl wegen unserer internationalen Kundschaft als auch für das Anwerben neuer Fachkräfte aus dem Ausland."
Auch bei ESB Schulte in Luckenwalde sind ausländische Beschäftigte nicht mehr wegzudenken. Die Firma fertigt technische Bauteile für Automatiktüren. Hier gibt es einfachere Tätigkeiten und hochkomplexe Aufgaben an computergestützten Maschinen. Etwa ein Viertel der Belegschaft von 120 Mitarbeitern ist ausländischer Herkunft.
Steffen Mamerow aus dem Management-Team hat dauerhaft mindestens sechs Stellen ausgeschrieben, wie er sagt. Er steht neben einer neuen CNC-Maschine. Die hat eine halbe Million Euro gekostet und steht gerade still. "Auch uns fehlen Fachkräfte, also ist diese Schicht gerade unbesetzt. Es ist keine glückliche Situation", sagt er.
Zusammen mit dem Co-Chef Sven Ziege sucht Mamerow gezielt auch auf internationalen Portalen. So haben sie auch Luciano Rasteli gefunden. Der Nordmazedonier bedient gerade eine Maschine, die spezielle Bauteile für Brandschutztüren produziert. Seit Januar 2023 arbeitet er für ESB Schulte. Sein Weg nach Deutschland als Fachkraft war für die Firma von großen bürokratischen Hürden geprägt. Ohne den persönlichen Einsatz der Chefs hätte es nicht geklappt. Allein der Familiennachzug von Rastelis Frau und den beiden Kindern sei ein bürokratisches Monster gewesen, wie Mamerow erzählt. Er und Ziege suchten eine Wohnung, organisierten Sprachkurse, besorgten die Schulplätze für die Kinder und einen Job für die Frau - ohne hätte sie nicht einreisen dürfen.
"Über ein halbes Jahr musste Luciano auf seine Familie warten, wenn wir uns nicht gekümmert hätten - für die Familie wäre die deutsche Bürokratie unschaffbar gewesen", schildert Sven Ziege die Lage und wirkt dabei besorgt. "Aus meiner Sicht muss das zukünftig deutlich einfacher gehen. Wenn wir die bürokratischen Hürden abbauen, werden mehr Fachkräfte wie Luciano in der Lage und auch Willens sein, hierherzukommen und uns zu unterstützen", sagt Ziege.
Mit dem sogenannten Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das seit November 2023 schrittweise in Kraft tritt, sollen solche Dinge nun endlich geregelt werden. Die Einreise von Fachkräften soll einfacher werden und ausländische Berufsqualifikationen sollen leichter anerkannt werden. Wie gut das Gesetz wirkt? Unternehmerverbände halten das neue Gesetz für richtig. Für Hesco und ESB Schulte ist es aber noch zu früh für eine Einschätzung. Erst wenn sie ihre Stellen in naher Zukunft besetzt bekommen, kann sich das Einwanderungsgesetz als tauglich erweisen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 09.01.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Alexander Goligowski
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