Vorschlag aus Thüringen
Ein Landkreis in Thüringen will Asylsuchende zu Arbeitseinsätzen verpflichten. Sie sollen Hecken schneiden oder Gehwege fegen. Gegen weniger als einen Euro pro Stunde als Bezahlung. Die Berliner Arbeitssenatorin hält nichts davon. Von Yasser Speck
Asylbewerberinnen und Asylbewerber im thüringischen Saale-Orla-Kreis sollen in Zukunft für Arbeitseinsätze verpflichtet werden. Das hat der Landkreis bekanntgegeben. Grundlage ist eine Regelung im Asylbewerberleistungsgesetz, so ein Sprecher des Landkreises.
Die Geflüchteten sollen Schnee schippen, Hecken schneiden oder Gemeinschaftsunterkünfte reinigen. Für ihre Arbeit sollen sie lediglich 80 Cent pro Stunde erhalten - 6,5 Prozent des Mindestlohns. Würden die Asylsuchenden die Arbeit verweigern, drohen ihnen Leistungskürzungen. In Berlin wird es eine Arbeitspflicht vorerst nicht geben.
Die Arbeitspflicht in dem thüringischen Landkreis löst in Berlin unterschiedliche Reaktionen aus. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte der "Bild", er begrüte die Arbeitspflicht "in Einzelfällen". Für die Berliner Arbeits- und Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (ebenfalls SPD) kommt eine Arbeitspflicht für Asylbewerber dagegen nicht in Frage.
"Asylbewerber für 80 Cent die Stunde verpflichtend arbeiten zu lassen, ist weder eine Wertschätzung der Arbeit noch eine akzeptable Bezahlung", sagte Kiziltepe rbb|24. Die deutsche Sprache zu erlernen und die Möglichkeit zum frühzeitigen Arbeiten seien dagegen wichtige Faktoren für gelungene Integration, so die Senatorin. Dem schließt sich auch der Verein Pro Asyl an.
Asylbewerber dürfen oft monatelang nach ihrer Ankunft in Deutschland nicht arbeiten gehen. Je nachdem, wie viele Kinder sie haben und aus welchem Land sie kommen, entscheidet sich, wie lange sie auf eine Arbeitserlaubnis warten müssen. Der Verein Pro Asyl kritisiert diese Regelung. "Statt politischer Stimmungsmache gegen Geflüchtete, sollten endlich alle Arbeitsverbote für Geflüchtete aufgehoben werden", teilte Sprecher Tareq Alaow mit.
Sollten Asylbewerberinnen und Asylbewerber im Saale-Orla-Kreis die Arbeitseinsätze verweigern, drohe ihnen die Kürzung von Leistungen. Alaows kritisiert diese Sanktionen. "Wenn Geflüchtete mit Sanktionen belegt werden können, wenn sie prekäre Arbeitsgelegenheiten ablehnen, hat das nichts mit fairen Beschäftigungsverhältnissen zu tun, sondern grenzt an Zwangsarbeit." Pro Asyl fordert stattdessen mehr Deutschkurse für geflüchtete Menschen anzubieten und die Arbeitsverbote für Asylsuchende aufzuheben.
Ehsan Vallizadeh ist Arbeitsmarkt- und Integrationsforscher am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Er hinterfragt die Gründe für die Arbeitspflicht im Saale-Orla-Kreis. "Geht es dem Landkreis um Arbeitsmarktintegration, müsste man das anders aufziehen", sagt Vallizadeh im Gespräch mit rbb|24. Man müsse eher in Bildung und Sprache investieren, anstatt die Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse zu bringen, so der Forscher.
Angesichts des zunehmenden Arbeitskräftebedarfs wäre nach Einschätzung von Vallizadeh eine Aufhebung des grundsätzlichen Beschäftigungsverbots für Asylsuchende überlegenswert. Wie sich nun die Arbeitspflicht für Asylsuchende im Saale-Orla-Kreis auf den dortigen Arbeitsmarkt auswirken werde, sei offen. Es gebe keine empirischen Befunde dazu, so Vallizadeh.
In Berlin wird es die in näherer Zukunft auch nicht geben. Die zuständige Senatorin Kiziltepe erteilte einer Arbeitspflicht für Asylsuchende in Berlin eine Absage.
Sendung: rbb|24 Inforadio, Der Morgen, 08:02 Uhr.
Beitrag von Yasser Speck
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