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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 19.02.2024 | Christoph Hölscher | Landwirtschaftsminister Vogel | Quelle: IMAGO / Jochen Eckel

Agrarstrukturgesetz in Brandenburg

Schutz vor Landgrabbing bleibt in weiter Ferne

Die Brandenburger Landesregierung plant seit 2020 ein Agrarstrukturgesetz, um den Verkauf landwirtschaftlicher Flächen an Spekulanten einzudämmen. Statt eines beschlussfähigen Entwurfs gibt es zum Ende der Legislaturperidoe Streit in der Koalition. Von Andreas B. Hewel und Michael Schon

Mit dem Vorwurf, beim Agrarstrukturgesetz auf der Bremse zu stehen, kann Johannes Funke bestens leben. Funke ist agrarpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Brandenburger Landtag und Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Havelland. Aus seiner Abneigung gegen die geplante Gesetzesregelung macht er keinen Hehl: Der aktuelle Entwurf ließe sich im parlamentarischen Verfahren "nicht zu einem Ergebnis" führen, sagte er im Dezember 2023 im Landtag. Zu viele Fragen sind aus seiner Sicht ungeklärt. Das geplante Gesetz sei alles andere als ausverhandelt.

Landwirtschaftsminister will regional verankerte Agrarstruktur

Dabei soll es die Landwirte vor Bodenspekulationen schützen. Gerade nicht-landwirtschaftliche Investoren will Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) mit dem Gesetz in die Schranken weisen. "Ziel ist eine regional verankerte Agrarstruktur, die die Wertschöpfung in Brandenburg hält", betonte Vogel zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens im Frühjahr 2020.

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Denn seit Investoren, die selbst nicht in der Landwirtschaft tätig sind, Ackerland als Spekulationsobjekt entdeckt haben, wird es gerade für Landwirtinnen und Landwirte zunehmend schwer bis unerschwinglich, Land zu erwerben. Viele Landwirte sprechen von "Landgrabbing". Frei übersetzt: Andere schnappen ihnen das Land vor der Nase weg. Dies führt auch zu hohen Pachtpreisen und Flächenverlusten in der Landwirtschaft.

Das liegt an der derzeitigen Rechtslage: Bislang wird Ackerland in der Regel an den Meistbietenden verkauft. Ob danach auf dem verkauften Boden Landwirtschaft betrieben wird oder nicht, spielt keine Rolle. Da reine Bodenspekulantinnen und -spekulanten oft finanzstärker sind als Landwirtinnen und Landwirte, haben Bäuerinnen und Bauern beim Verkauf oft das Nachsehen. Besonders nach der Finanzkrise 2008 rückte der Landkauf bei Investoren in den Vordergrund.

Vorkaufsrecht für Landwirte geplant

Genau da will das Gesetz nun eingreifen. Es soll Landwirten ein Vorkaufsrecht einräumen. Zudem soll es eine Regelung gegen Preismissbrauch geben. Und hier beginnt der Streit.

Denn diese Regelungen greifen direkt in Eigentumsrechte ein. Das grün geführte Landwirtschaftsministerium geht davon aus, dass ein solcher Eingriff durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs gedeckt ist, solange damit Preismissbrauch verhindert, die Entwicklung von lebensfähigen Betrieben gesichert und Bodenspekulation vermieden würde.

Landwirte gegen staatliche Regulierung von Verkaufspreisen

Agrarfunktionär Funke ist davon nicht überzeugt. "Eigentum ist ein hohes Gut", sagt er. Geschützt von Landesverfassung und Grundgesetz. Er argumentiert, dass das geplante Gesetz zu sehr die Interessen potenzieller Käufer in den Mittelpunkt stelle. Was aber sei mit Landwirten, die Flächen verkaufen wollten? Wenn einer sage, "ich verkaufe 10 Hektar und sichere damit meine Rente ab, dann ist das ein berechtigter Anspruch", meint Funke.

Den Verkaufspreis könne man nicht einfach durch staatliche Preisregulierung absenken und sagen, "du kriegst jetzt nur noch die halbe Rente". Er sei für Reformen im Bodenrecht, beispielsweise die Überführung der bisherigen Regelungen in ein einheitliches Gesetz. Diese müsse aber "wirkungsneutral" sein. Anders gesagt: Die Spielregeln am Bodenmarkt dürften durch ein neues Gesetz nicht verändert werden.

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Seit dem 17. April 2023 liegt das Agrarstrukturgesetz als Entwurf vor. 18 Stellungnahmen von anderen Ministerien, Landkreisen oder Verbänden folgten bereits bis Anfang Juni 2023. Ein Zeichen dafür, wie unterschiedlich die Interessen sind. Und für Landwirtschaftsminister Vogel der Beweis, dass das Gesetz bereits ein breites Beteiligungsverfahren durchlaufen hat.

SPD: Gesetz nicht vor der Wahl durchpeitschen

Auch das sieht SPD-Mann Funke anders. "Ich sehe die Gefahr, dass verschiedene Gruppen auf die Idee kommen, zu klagen", warnt er. Landwirtschaftsminister Vogel sei nicht gut beraten, wenn er das Gesetz vor der Wahl noch durchpeitschen wolle. In der Kürze der Zeit bis zum Ende der Legislaturperiode könne man das Gesetz gar nicht mehr mit allen beteiligten Gruppen ausverhandeln.

Vogel selbst hält sich bedeckt, welche Chancen auf Umsetzung er bis zur Landtagswahl sieht. Auf Nachfrage von rbb|24 heißt es lediglich, es sei "erklärtes Ziel der Landesregierung", den landwirtschaftlichen Bodenmarkt vor außerlandwirtschaftlichen Interessen zu schützen.

Ein Kabinettsbeschluss ist offenbar nicht in Sicht. Erst danach kann das Agrarstrukturgesetz als Entwurf in den Landtag eingebracht werden. Und nur das Parlament kann das Gesetz beschließen. Kommt es nicht, kann das Landgrabbing weitergehen wie bislang.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.02.2024, 07:00 Uhr

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Beitrag von Andreas B. Hewel und Michael Schon

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