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Krankenhaus unter Druck
Unter steigenden Kosten sowie mangelnder Finanzierung leidet das Uniklinikum Ruppin-Brandenburg in Neuruppin. Ende Februar sollen dort nun zwei Fachkliniken geschlossen werden, um das Finanzloch etwas zu reduzieren. Dagegen gibt es seit Wochen Protest.
Eigentlich sollten in den Kliniken für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie am Uniklinikum Neuruppin schon zum Jahreswechsel die Lichter ausgehen, doch noch werden dort einige Patienten versorgt. "Wir behandeln Notfälle, machen Beratungen für andere Kliniken im Haus und ambulante Operationen", sagt Achim Franzen, der Chefarzt der Klinik für HNO-Krankheiten.
Seit der Ankündigung der Schließungspläne Ende November vergangenen Jahres versuchen Mediziner und Pfleger, aber auch niedergelassene Ärzte, sowie Patienten die Schließung der beiden Fachabteilungen abzuwenden. Unter anderem gab es mehrfach auf dem Neuruppiner Schulplatz Kundgebungen mit mehreren hundert Teilnehmern für den Erhalt der Kliniken.
Denn kommt es zur Schließung, sei die medizinische Versorgung im ganzen Nordwesten Brandenburgs gefährdet, so die Einschätzung. Patienten mit Tumorerkrankungen, aber auch Kinder müssten dann in weitentfernte Kliniken nach Hennigsdorf, Eberswalde oder Brandenburg an der Havel. Schon jetzt seien Notfälle zu sehen, bei denen die weiten Wege nicht machbar seien. "Also Sie werden nicht mit einem Kind, dass nach einer Mandeloperation nachblutet – um etwas typisches zu nennen – dann eben 80 Kilometer nach Brandenburg fahren können", so der Chefarzt. Die Forderung des Betriebsrates und der Chefärzte ist klar: Die Schließung muss zurückgenommen werden.
Allerdings schreibt das Uniklinikum rote Zahlen – im letzten Jahr ein Minus von über acht Millionen Euro. Auch für 2024 geht Geschäftsführer Gunnar Pietzner von einer ähnlichen Entwicklung aus. "Die Klinikschließungen werden das Defizit nicht bereinigen können, aber immerhin sind es 2,5 Millionen Euro, die dort zu Buche schlagen", so der Klinikchef. Allerdings erst komplett im Jahr 2025, wenn die Kliniken vollständig abgewickelt sind, wie Pietzner einräumt.
Aus seiner Sicht sind die beiden betroffenen Kliniken die Bereiche im Krankenhaus, die im Vergleich zu anderen Abteilungen am wenigsten zur Deckung der Kosten beitragen würden. Durch die Schließung würden außerdem OP-Kapazitäten freiwerden, die von lukrativeren Abteilungen genutzt werden.
HNO-Chefarzt Achim Franzen kritisiert den ausschließlichen Blick auf die Zahlen: "Ich gehe als Arzt daran. Es muss die Versorgung des Patienten an die erste Stelle von sämtlichen Überlegungen gerückt werden. Es muss eine Planung in diesem Sinne erfolgen."
Ähnlich sieht es der Betriebsrat des Uniklinikums Ruppin-Brandenburg. Er kritisiert, dass er nicht in die Entscheidung zur Schließung der beiden Fachkliniken einbezogen wurde. Auch seien mögliche Alternativen und der Einsatz von neuen Erlöslukrativen Behandlungsmethoden – wie implantierbaren Hörgeräten – nicht ausreichend geprüft worden.
"Die Schließung ist nicht geeignet das Defizit substanziell auszugleichen", sagt Betriebsrätin Beate Liebe. Zugleich fehle es an einem Gesamtkonzept für die künftige Ausrichtung des Uniklinikums: "Einen richtigen Plan - wer macht was wann wie mit allen Variablen, also wirklich alles durchgerechnet - das haben wir bisher nicht. Wir haben nur Aussagen: Das haben wir alles schon geprüft, das rechnet sich nicht."
Doch Klinikchef Gunnar Pietzner und Ostprignitz-Ruppins Landrat Ralf Reinhardt (SPD), der zugleich Vorsitzender des Klinik-Aufsichtsrates ist, weisen die Kritik zurück. Ursache für die Probleme sei die schlechte Ausfinanzierung der Krankenhäuser durch die Krankenkassen und den Bund. "Die Strukturprobleme bestehen weiterhin und wir hoffen, dass endlich aus dem Bundesgesundheitsministerium die richtigen Signale auch mit einem Zeitplan kommen, die auch das Jahr 2024 überhaupt schaffen lassen", so der Landrat.
Die Herausforderung sei, dass das Uniklinikum im ländlichen Raum und mit den rund 100.000 Einwohnern im Landkreis nicht ausreichend viele Patienten akquirieren könne bei der großen Zahl an Fachabteilungen. "Die Vergütung wird bundesweit an Durchschnittsätzen festgemacht, die für das Klinikum hier aber nicht auskömmlich sind", sagt Reinhardt.
Zudem würde es an Pflegekräften fehlen, um die Dienstleistungen im Krankenhaus abdecken zu können. Doch sollte sich der Landkreis als Inhaber des Uniklinikums nicht stärker finanziell beteiligen, um das Finanzloch zu stopfen? "Das ist sein Krankenhaus und damit übernimmt der Landkreis auch eine Verantwortung für die Menschen, die in der Region leben", sagt etwa HNO-Chefarzt Achim Franzen.
Landrat Ralf Reinhardt weist die Forderung zurück, auch wenn es in den Vorjahren schon Unterstützung gab. Zum einen würde das Geld in anderen Bereichen etwa im Sozialen oder bei den Schulen fehlen, zum anderen sei es nicht Aufgabe des Kreises den Betrieb mitzufinanzieren.
"Leistungspflichtig sind die Krankenkassen, selbst wenn die nicht ausfinanziert sind, muss der Gesetzgeber die strukturellen Voraussetzungen dafür schaffen. Wir machen hier eine Not-OP und wissen, dass das Geld, das wir hereinpumpen genauso schnell wieder rausfließt. Das bringt keine Selbstheilung", erklärt der Aufsichtsratsvorsitzende.
Auch würde durch eine zusätzliche Belastung des Kreishaushaltes die Kreisumlage steigen, Städte und Gemeinden müssten also noch stärker zur Kasse geben werden. Hinzukomme, dass das Krankenhaus derzeit auf einen zweistelligen Millionenbetrag für erbrachte Leistungen wartet, die von den Krankenkassen aber nicht ausgezahlt werden.
Der Bund müsse deshalb zeitnah Klarheit schaffen und eine neue Finanzierung des Krankenhaussystems auf die Beine stellen, so die Forderung, damit die Zeit bis zum Wirken der neuen Krankenhausreform überbrückt werden kann. Aber auch das vom Land Brandenburg angekündigte Kreditprogramm für angeschlagene Krankenhäuser, könne die Schließung der Fachabteilungen aus Sicht der Geschäftsführung und des Landrates nicht verhindern. "Die Kredite helfen über den Sommer und mehrere Monate, aber sie lösen keine grundsätzlichen strukturellen Probleme", sagt Ralf Reinhardt.
Die Krankenhausmitarbeiter, niedergelassenen Ärzte und Patienten haben die Hoffnung für den Erhalt trotzdem noch nicht aufgegeben. Zumindest in einem Punkt können sie einen Erfolg verbuchen. Aufgrund des großen Drucks wird sich der Ostprignitz-Ruppiner Kreistag am 21. Februar in einer Sondersitzung mit der Situation am Uniklinikum beschäftigen.
"Ich möchte, dass alle Kreistagsmitglieder dort nochmal Informationen bekommen", sagt die Kreistagsvorsitzende Sigrid Nau (CDU). Ob der Kreistag aber zusätzliche finanzielle Unterstützungen beschließt, da zeigt sich die Vorsitzende skeptisch. "Die Kreistage können das mal eben so nicht abfangen, dann fallen ganz andere Dinge herunter und dann gibt es neuen Ärger. Druck machen in Richtung Bundesministerium halte ich für ganz wichtig, der muss noch viel größer werden", fügt Nau hinzu.
Aber auch das Land Brandenburg kritisiert die beschlossene Schließung der beiden Fachkliniken und sieht Nachholbedarf beim angeforderten Versorgungskonzept, dass bis Ende Januar vorliegen sollte. "Wir haben ein Konzept eingereicht bekommen, was wir aber als unzureichend erachten", sagte Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Grüne) Anfang Februar im Gesundheitsausschuss des Landtages. Klar ist für das Ministerium: "Der ersatzlose Wegfall der Versorgungsangebote der Kliniken für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie am Standort Neuruppin ist ohne ein alternatives Versorgungsangebot für die Bevölkerung keine Option“, teilte ein Sprecher dem rbb mit.
Das Ministerium führe deshalb mit dem Uniklinikum, umliegenden Kliniken, der Kassenärztlichen Vereinigung und weiteren Beteiligen Gespräche, um Lösungen zu erarbeiten. Dabei gehe es um ambulante sowie stationäre Behandlungsangebote.
Denkbar sei laut Uniklinikum-Geschäftsführer Gunnar Pietzner etwa die Einrichtung einer Institutsambulanz in Neuruppin. Heißt: Ärzte aus anderen Krankenhäusern wie Eberswalde oder Hennigsdorf würden nach Neuruppin kommen und dort ambulante Eingriffe anbieten. "Das gewohnte Spektrum werden wir aber nicht mehr abbilden können", so Pietzner.
Sendung: Inforadio, 06.02.2024, 18:25 Uhr
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