Fragen und Antworten
Soll die Gigafactory von Tesla bei Grünheide mehr Fläche bekommen oder nicht? Das soll das Ergebnis einer Befragung der gut 7.600 Einwohner zeigen. Das Votum könnte Folgen für die Entwicklungen in der Region um das Werk haben.
Aktualisierung, 20.02., 20:15 Uhr: Der US-Elektroautobauer Tesla ist mit seinen Plänen zur Erweiterung des Werksgeländes auf die Ablehnung der Bürger von Grünheide bei Berlin gestoßen. Mit Nein stimmten bei einer Befragung 3.499 Einwohner, mit Ja 1.882, wie die Gemeinde in Brandenburg mitteilte. Mehr Infos finden Sie hier.
In der Gemeinde Grünheide (Oder-Spree) wird am Dienstag das Ergebnis einer Einwohnerbefragung zur Erweiterung des Werksgeländes des US-Elektroautobauers Tesla bekanntgegeben.
Insgesamt rund 7.600 wahlberechtigte Einwohner aus Grünheide waren bis zum Freitag dazu aufgerufen, sich zu positionieren. Am Dienstagnachmittag werden die Stimmen öffentlich im Bürgerhaus im Ortsteil Kagel ausgezählt. Mehr als 70 Prozent der Abstimmungsberechtigten haben an der Befragung teilgenommen, teilte die Gemeindeverwaltung vorab dem rbb mit.
Tesla verfügt in Grünheide bereits über eine Fläche von 300 Hektar. Dort betreibt das Unternehmen die E-Auto-Fabrik und produziert eigenen Angaben zufolge derzeit bis zu 6.000 Fahrzeuge des "Model Y" pro Woche - also mehr als 300.000 im Jahr. Die Produktion soll aber schrittweise erhöht werden.
Um diesen Ausbau logistisch umsetzen zu können, möchte der US-Elektroautobauer aber auch sein Werksgelände erweitern. Dafür möchte Tesla östlich des bestehenden Werks weitere rund 100 Hektar Fläche hinzukaufen, um dort nach eigenen Angaben einen eigenen Güterbahnhof, Logistikflächen und Sozialräumen für beispielsweise Schulungen oder eine Kinderbetreuung für Mitarbeitende zu bauen. Und genau dafür muss die Gemeinde Grünheide einen Bebauungsplan aufstellen.
Da das Projekt jedoch umstritten ist, hatte sich die Gemeindevertretung Ende vergangenen Jahres dazu entschlossen, die Einwohner zu befragen. Seit Mitte Januar waren die Grünheider aufgerufen, sich daran zu beteiligen. Die konkrete Frage lautete: "Sollen weitere 100 Hektar Wald (im Landschaftsschutzgebiet) in der Gemarkung Grünheide (Bebauungsplan Nr. 60) in eine Industriefläche umgewandelt werden, die für Logistik, Lagerhaltung und soziale Gebäude genutzt wird?" Die Befragten konnten dabei bis vergangenen Freitag mit "Ja" und "Nein" abstimmen.
Die Auszählung der Stimmen erfolgt am Dienstag öffentlich. Ein Ergebnis wird für den Abend erwartet.
Das Ergebnis der Einwohnerbefragung ist für die Gemeindevertreter nicht bindend. Sie hatten schon vor rund einem Jahr dem Beschluss zum Bebauungsplans zugestimmt, wegen Kritik daran aber vor ein der tatsächliche Aufstellung die Einwohnerbefragung angesetzt. Diese ist nun erfolgt.
In den vergangenen Wochen hatten mehrerer Gemeindevertreter sich öffentlich dazu geäußert, dass sie sich an das Ergebnis in ihrer eigenen Entscheidung über die Aufstellung des Bebauungsplans halten wollen - sprich im Sinne des Mehrheitswillens aus der Einwohnerbefragung abstimmen wollen. Das bestätigte auch Grünheides Bürgermeister Arne Christiani (parteilos): Bei entsprechender Teilnahme könne die Befragung als repräsentative Umfrage gewertet werden, so Christiani vergangen Woche. Er glaube, "dass sich dann die Mehrheit der Gemeindevertretung dem Votum anschließen wird".
Die Gemeinde selbst sieht in dem Ausbau des Tesla-Werks eine Chance für die Region. Die Fabrik spüle Geld in die Kasse und sorge für Arbeitsplätze.
Tesla hatte Ende vergangenen Jahres erklärt, im ersten Halbjahr 2024 mit dem Ausbau des Werks auf dem Stammgelände starten wolle. So soll die Produktion in Grünheide von angepeilten 500.000 Autos im Jahr auf eine Million jährlich verdoppeln. Dazu hatte das Unternehmen Anträge beim zuständigen Landesamt für Umwelt auf eine umweltrechtliche Genehmigung gestellt.
Dieser bereits beantragte Ausbau hat aber nur indirekt mit dem Bebauungsplan zu tun, zu dem am Dienstag das Ergebnis der angesprochenen Einwohnerbefragung mitgeteilt werden soll. Tesla hatte zwar auch bei dem beantragten Werksausbau die damit verbundene Pläne der Werksgeländeerweiterung aufgenommen, grundsätzlich sind dies aber zwei verschiedene Vorhaben.
Um die beantragte Produktionssteigerung umsetzen zu können, will Tesla mit der Geländeerweiterung nach eigenen Angaben insbesondere den Güterverkehr vom und zum Werk stärken. Das soll mit einem eigenen Güterbahnhof möglich werden. Dadurch will Tesla die Straße entlasten. Sollte das Vorhaben gelingen, würde ein Großteil der produzierten E-Autos über die Schiene abtransportiert, was den Verkehr nicht nur auf dem Berliner Ring, sondern auch auf den umliegenden Straßen reduzieren soll. Damit hat das Unternehmen auch die Anwohner von Grünheide im Blick, die in der Vergangenheit wegen der Zunahme von Lkw Kritik an dem US-Elektroautobauer übte.
Ein zweiter Punkt ist die Schaffung von Logistikflächen. Dies soll vor allem die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten reduzieren, heißt es von Tesla. Aus diesem Grund hatte das Werk Anfang Februar seine Produktion pausiert. Wichtige Bauteile, die aus Asien nach Grünheide geliefert werden sollten, seien wegen der kriegerischen Auseinandersetzung gegen die Huthi-Rebellen im Roten Meer verzögert eingetroffen. Um solche Ausfälle zu vermeiden, sollen die eigenen Lagerkapazitäten mit der Geländeerweiterung für das Werk in Grünheide ausgebaut werden.
Seit Anfang des Jahres warb Tesla unter den Anwohnern massiv für den Ausbau. So wurde eine sogenannte Road-Show durch die sechs Ortsteile von Grünheide veranstaltet, auf der Mitarbeiter Fragen zum Ausbau und der damit verbundenen Flächenerweiterung beantwortet haben. Gleiches galt für eine Infoveranstaltung Mitte Januar im Werk. Zudem hat das Unternehmen eine wöchentliche Bürgersprechstunde ins Leben gerufen. Als eines der Hauptargumente für ein positives Votum führte Tesla eine Entlastung der Infrastruktur rund um das Werk an. "Wir sehen einen erheblichen Vorteil für die Region, wenn dem B-Plan für die Erweiterung zugestimmt würde", teilte eine Tesla-Sprecherin dem rbb mit. So könnten durch den Bau eines eigenen Güterbahnhofs mehr als 1.000 Lkw-Fahrten pro Tag eingespart und auf die Schiene verlagert werden.
In eine ähnliche Kerbe schlug Anfang Februar dann auch das Brandenburger Infrastrukturministerium und warnte vor erheblichen Belastungen für die Region, sollte ein Bebauungsplan nicht beschlossen werden. Ein Abbruch des B-Plans Nr. 60 würde die Infrastrukturentwicklung in der Region deutlich verlangsamen und eine Verlagerung der Lkw auf die Schiene verhindern, hieß es damals in einer Mitteilung des Ministeriums. Den Angaben zufolge ist der B-Plan für die öffentliche Straßeninfrastruktur rund um das Werk erforderlich - etwa für die neue Landesstraße 386, die Überführung über den Bahnübergang Fangschleuse und die Erschließung des neuen Bahnhofes Fangschleuse. Ein Abbruch des B-Plans würde zu einer signifikanten Verzögerung bei der Umsetzung der öffentlichen Infrastrukturen führen, da separate Baurechtsverfahren notwendig würden, so das Ressort.
Kritik gibt es etwa an der geplanten Rodung von Wald. Die Be- und Entladung auf zusätzlichen Logistikflächen erhöhten das Risiko des Austritts von Gefahrstoffen. Die Bürgerinitiative Grünheide machte mit Flyern, Plakaten und Gesprächen an der Haustür gegen das Vorhaben mobil. Etwa 800 bis 1.000 Gespräche habe man allein bis Anfang Februar geführt, sagte ein BI-Sprecher. Mehr als die Hälfte der Bürger hätten mit 'Nein' gestimmt, schätzte er nach einer Stichprobe. Nicht wenige seien zu Beginn für die Ausbaupläne von Tesla gewesen, nun gebe es Unverständnis für noch mehr Flächenbebauung und Waldrodung.
Sendung: Antenne Brandenburg, 20.02.2024, 07:30 Uhr
Martin Krauß, David Klevenow, Tony Schönberg
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