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Audio: rbb24 Inforadio | 16.03.2024 | Sebastian Schöbel | Quelle: dpa/Hans-Jürgen Wiedl

Rekordwert

Säumige Steuerzahler schulden Berlin mehr als 900 Millionen Euro

Es ist mehr Geld, als einige Bezirke pro Jahr zur Verfügung haben: Säumige Steuerzahler stehen in Berlin mit mehr als 900 Millionen Euro in der Kreide. Die Finanzämter kommen mit dem Eintreiben kaum hinterher. Von Sebastian Schöbel

Die Rückstände säumiger Steuerzahler in Berlin belaufen sich mittlerweile auf einen Rekordwert von mehr als 900 Millionen Euro. Das teilte die Finanzverwaltung auf Anfrage der Linken mit.

Die Summe betrug demnach zum 29. Februar 2024 genau 905.225.000 Euro, das ist ein Anstieg von rund 320 Millionen innerhalb eines Jahres. Das ist mehr Geld, als zum Beispiel Spandau, Reinickendorf Treptow-Köpenick oder Friedrichshain-Kreuzberg im vergangenen Jahr an Geld zur Verfügung hatten.

Den größten Posten bei den Rückständen macht die Unternehmenssteuer aus: Hier warten die Finanzämter auf fast 423 Millionen Euro. Nicht gezahlte Einkommenssteuer macht weitere 161 Millionen Euro aus. Bei der Erbschaftssteuer sind 51 Millionen Euro Rückstand angefallen.

Zahlen der Finanzverwaltung

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Linke fordern Stärkung der Finanzämter

Für rund 408 Millionen Euro haben die Finanzämter bereits die Vollstreckung eingeleitet. Die Verfahren ziehen sich mitunter aber lange hin, das Geld fließt also nicht zeitnah in die Landeskasse.

Der Haushaltsexperte der Linken, Sebastian Schlüsselburg, forderte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) auf, den starken Anstieg der Rückstände zu erklären. "Es kann nicht sein, dass der Senat für die Auflösung seiner pauschalen Minderausgaben bei Zukunftsinvestitionen und bei Sozialem kürzt und gleichzeitig über 900 Mio Euro Steuerschulden nicht eintreibt", sagte Schlüsselburg dem rbb. "Ich erwarte hier schnell ein Sofortprogramm, dass insbesondere die Finanzämter für Körperschaften und Fahndung stärkt."

Koalitionsdifferenzen

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Personalmangel in allen Finanzämtern

Denn ein Grund, warum die Summe der Steuerrückstände erneut gestiegen ist, könnte auch die Personalsituation bei den Finanzämtern sein: Über alle Abteilungen hinweg fehlen insgesamt rund 475 Vollzeitarbeitskräfte.

Dass beim neuen internationalen Finanzamt knapp 100 Stellen nicht besetzt sind, lässt sich noch damit erklären, dass die Behörde noch im Aufbau ist. Aber auch bei den regulären Finanzämtern fehlen überall Leute: So melden zum Beispiel die drei Finanzämter für Körperschaften zusammen ebenfalls fast 100 freie Vollzeitstellen, das Finanzamt Neukölln 22, und das Friedrichshain-Kreuzberg 31.

Besonders gravierend aber ist Berlins Mangel an Steuerfahnder:innen: Hier fehlen aktuell rund 58 Fachkräfte.

Neues Finanzamt sorgt für Verzögerungen

Die Finanzverwaltung verweist darauf, dass sich die Summe der Steuerrückstände seit Jahren kontinuierlich erhöhe. Das liegt auch daran, dass die Wirtschaft im Land Berlin wächst, genauso wie die Zahl der Steuerzahler und damit auch die Steuereinnahmen - was automatisch aber auch die Zahl der säumigen Zahler steigen lässt. "Die Herausforderungen für die Menschen und die Wirtschaft Berlins durch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und des aktuellen Kriegsgeschehens in der Ukraine zeigen allerdings auch Auswirkungen bei der Höhe der Steuerrückstände", heißt es.

Dazu komme der Aufbau des neuen Finanzamtes Berlin International. Es ist zuständig für ausländische Unternehmen, die in ganz Deutschland aktiv sind, hier aber keinen Sitz haben. Die Neugründung der Behörde habe große organisatorische Aufwände verursacht, so die Finanzverwaltung, deswegen habe man ausstehende Steuerbeträge nicht mahnen beziehungsweise vollstrecken können.

Mit rund 150 Millionen Euro ist hier fast die Hälfte aller neuen Rückstände aufgelaufen. "Der Senat geht davon aus, dass sich die Sondersituation im Finanzamt Berlin International sukzessive verbessert", heißt es.

Sendung: Inforadio, 15.03.2024, 18:00 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

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