Nach Streit im Vorfeld
Zwei Jahre nach der ersten Betriebsratswahl im Tesla-Werk findet die nächste Wahl statt. Während das bisherige Gremium auf Erfolge bei Gehältern und Arbeitsschutz verweist, kommen von der IG Metall kritische Töne - so der Vorwurf der Nähe zum Management.
In der Tesla-Autofabrik in Grünheide (Oder-Spree) wird seit Montag ein neuer Betriebsrat gewählt. Insgesamt rund 12.500 Mitarbeiter sind dazu aufgerufen, bis einschließlich Mittwoch ihre Belegschaftsvertretung mit dann insgesamt 39 Vertretern für die kommenden zwei Jahre zu wählen. Zur Wahl stehen neun Listen mit 234 Kandidatinnen und Kandidaten.
Auf einer Liste haben sich 106 Kandidatinnen und Kandidaten der IG Metall zusammengeschlossen. Die Gewerkschaft will unter anderem mehr Personal, die Übernahme von Leiharbeitern, mehr Gesundheitsschutz, längere Pausen am Band und mehr Urlaub durchsetzen - und auch einen Tarifvertrag. "Wir sind für ein Tesla in Grünheide, das den Beschäftigten die in der Branche üblichen guten Arbeitsbedingungen bietet", sagte der IG-Metall-Bezirksleiter für Berlin-Brandenburg-Sachsen, Dirk Schulze. Die Gewerkschaft setzt sich auch für höhere Entgelte und kürzere Arbeitszeiten ein. All das solle rechtssicher in einem Tarifvertrag zwischen der IG Metall und Tesla geklärt werden, so die Forderung.
Doch der US-Elektroautobauer wendet sich gegen einen Tarifvertrag. Werksleiter André Thierig hält einen Tarifvertrag nicht für nötig. Er kündigte am Mittwoch bei einem Besuch von Tesla-Chef Elon Musk jährliche Lohnanpassungen an.
Die amtierende Betriebsratschefin Michaela Schmitz, die weitermachen will und gemeinsam mit ihren Mitstreitern eine Liste stellt, verwies als größten Erfolg des bisherigen Gremiums auf Gehaltserhöhungen bis zu 18 Prozent im untersten Gehaltsniveau ohne Tarifvertrag. Mit etwa 40.000 Euro Einstiegsgehalt liege Tesla zudem deutlich über den in Brandenburg üblichen Lohnzahlungen, betonte sie.
Weiter führt Schmitz an: "Wir haben die volle Inflationsprämie von 3.000 pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter auszahlen lassen. Wir konnten diverse Zuschläge für die Produktionsmitarbeiter durchsetzen. Und 'equal pay' ab dem ersten Tag [gleiche Bezahlung von Leiharbeitern und Festangestellten, Anm,d.Red.]." Bei einer Wiederwahl wollten sie und ihre Mitstreiter sich in Zukunft für weitere Gehaltsanpassungen stark machen, ebenfalls Arbeitszeiten flexibler gestalten oder mehr Frauen über Teilzeitprogramme zu Tesla holen.
Der erste Betriebsrat beim US-Elektrobauer war bereits Februar 2022 - also noch vor der Eröffnung - von rund 2.300 Beschäftigten gewählt worden. Seitdem ist vor allem Kritik bekannt geworden. Schon der Wahltermin am 28. Februar 2022 war damals umstritten. Wäre dieser nur einen Tag später angesetzt worden, hätten mehr der gerade angestellten Mitarbeiter aus der Produktion oder der Lackiererei daran teilnehmen können, erklärt Dirk Schulze von der IG Metall. "Vor zwei Jahren ist bei der Wahl von Tesla und dem damaligen Wahlvorstand getrickst worden."
Auch um die aktuelle Betriebsratswahl hatte es Streit gegeben. Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) hatte die Betriebsratswahl am 13. Februar auf Antrag der IG Metall gestoppt. Die Gewerkschaft forderte mehr Zeit für die Vorbereitung. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied dann, dass die Wahl nun doch wie geplant Mitte März erfolgen kann. Damit waren Tesla und der Wahlvorstand erfolgreich.
Mängel gibt es dem IG-Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze zufolge aber bei der Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und der Gewerkschaft. "Wir haben immer die offene Hand angeboten und miteinander gesprochen. Wir haben auch Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen angeboten, und Vernetzung mit anderen Betriebsräten. Das haben die ausgeschlagen, weil sie offensichtlich ihren eigenen Weg gehen wollten", so Schulze.
Des Weiteren wirft Schulze den Mitgliedern des Betriebsrats eine zu große Nähe zum Management der Fabrik vor. "Zum Beispiel, wenn man fast alle Kündigungen, die der Betriebsrat zur Anhörung reinbekommt, unkritisch durchwinkt, unwidersprochen lässt und auch nicht mit den Betroffenen spricht", so Schulze. "Dann muss man sich schon fragen, ob das wirklich Betriebsratsarbeit ist und wie man sie zu verstehen hat - nämlich als richtige Interessenvertretung für die Beschäftigten."
Der Betriebsrat widerspricht den Anschuldigungen. In den vergangenen beiden Jahren wurde die Belegschaft massiv aufgestockt. Wie bei anderen Unternehmen, sei es bei Tesla aber auch zu Kündigungen gekommen, wie der stellvertretende Betriebsratsvorsitzenden Uwe Fischer erklärt. "Wir prüfen jeden Einzelfall, ob die Kündigung über das letzte Mittel ist oder ob es vielleicht mildere Mittel gibt. Da sind durchaus Fälle dabei, wo wir den Arbeitgeber dann davon überzeugen, die Kündigung nicht auszusprechen. Aber grundsätzlich ist es so, dass vor jedem Ausspruch der Kündigung der Betriebsrat angehört werden muss, und das passiert hier auch." Laut Fischer, der vor seinem Wechsel zu Tesla eigenen Angaben zufolge 40 Jahre lang in der Luftfahrt tätig war und sich auch dort als Betriebsrat engagiert hatte, seien die Kündigungen beim US-Elektroautobauer in einem normalen Umfang erfolgt.
Den Vorwurf, dass der Betriebsrat zu große Nähe zu Management aufweise, weist die Betriebsratsvorsitzende Michaela Schmitz klar zurück. "Das möchte ich gar scharf dementieren. Vor zwei Jahren sind vier Listen angetreten, wo die Mehrheit definitiv aus der Produktion kam, aus verschiedensten Industrien mit unterschiedlichsten Erfahrungen", zählt sie auf. Am Ende seien zwei Manager auf der Liste gewesen, aber "definitiv nicht vom Top-Management".
"Da ist letztlich ein Kernteam von 19 Leuten im Betriebsrat gewählt worden und mit dem Kernteam ziehe ich auch weiter in die nächste Wahl", sagte Schmitz. Auf der Wahlliste von Schmitz befinden sich zudem zwei Mitglieder der IG Metall, die gemeinsam mit der amtierenden Betriesratschefin antreten.
Der Vorwurf, dass es keinen Austausch mit anderen Betriebsräten gebe, sei laut Schmitz ebenfalls nicht haltbar. Es gebe regelmäßige Kontakte und zu Räten aus der Automobil-Industrie in ganz Deutschland. Das habe auch der große Zuspruch nach dem Brandanschlag auf die Stromversorgung des Werks gezeigt, so Schmitz. Bisher unbekannte Täter hatten in der vergangenen Woche einen Strommast in Brand gesetzt, der auch für die Stromversorgung des Werks zuständig ist. Die Produktion fiel mehrere Tage aus. Die linksextreme "Vulkangruppe" hatte erklärt, sie sei dafür verantwortlich.
In der Vergangenheit kritisierte die IG Metall auch immer wieder den ihrer Meinung nach mangelhaften Arbeitsschutz in Grünheide. Der "Stern" [Bezahlinhalt] hatte im vergangenen Sommer von auffallend vielen Arbeitsunfällen für das Jahr 2022 bei Tesla berichtet. Zahlreiche Beschäftigte hätten zudem in Gesprächen mit der Gewerkschaft über schlechte Arbeitsbedingungen geklagt. Sie schätzten demnach die Arbeitsbelastung wegen kurzer Taktzeiten, Personalmangels und überzogener Produktionsziele als extrem ein.
Tesla wies die Anschuldigungen damals zurück. Dem schließt sich aktuell auch Stefan Gierschner vom Betriebsrat an. Ihm zufolge kommen Unfälle zwar vor, diese liegen aber nicht auf überdurchschnittlichem Niveau. "Was definitiv nicht stimmt, ist, dass weggeguckt wird, dass versucht wird, Sachen unter den Tisch zu kehren." In der Zusammenarbeit mit der Abteilung für Arbeitsschutz und Berufsgenossenschaft werde jeder Einzelfall überprüft und nach Lösungen gesucht, um künftig Unfälle zu vermeiden.
In den meisten Fällen, in denen ein Rettungshubschrauber gerufen werde, fliege dieser ohne Patient wieder ab. Auch bei den meisten Fällen, in denen Krankenwagen zum Werk gerufen werden, handle es sich nicht um arbeitsbedingte Vorkommnisse, sagte Gierschner. "Oft sind es halt allergische Schocks, Unwohlsein, Herzrasen. Lieber lassen wir ein paar Mal mehr das Blaulicht hier auftauchen und fahren leer wieder raus, als dass wir irgendwo nachgiebig sind und jemand zu Schaden kommt."
In Sachen Arbeitsschutz habe der Betriebsrat bis dato viel erreicht, betont Stefan Gierschner vom Betriebsrat. Dazu hätten Ausschusssitzungen, Gespräche mit Mitarbeitern oder Rundgänge beigetragen: "Dass wir auch mal Anlagen aus der Produktion rausgenommen haben, weil einfach gewisse Sachen noch nicht funktioniert haben. Dass wir den Produktionsstart als Betriebsrat weiter nach hinten verschoben haben, weil wir eben noch keine Messergebnisse von externen Laboren zur Verfügung hatten."
Bei allen Debatten und Streipunkten sieht die IG Metall großes Interesse an der Wahl. "Die Betriebsratswahl bei Tesla ist gut angelaufen. Das Interesse bei den Kolleginnen und Kollegen ist groß, sich zu beteiligen und die Chance auf einen engagierten Betriebsrat zu nutzen", sagte der Bezirksleiter Dirk Schulze am Montag nach dem Start. "Die Kolleginnen und Kollegen berichten uns von Schlangen vor den Wahllokalen im Betrieb." Er begrüße, dass die Pause zum Start der Betriebsratswahl von einer halben Stunde auf eineinhalb Stunden verlängert worden sei.
Die Wahl endet am Mittwoch um 14 Uhr. Je nach Beteiligung ist laut Gewerkschaft frühestens am Abend mit einem Ergebnis zu rechnen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 18.03.2024, 14:10 Uhr
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