Koalitionsstreit
Die Brandenburger Polizei zieht nach der Gerichtsentscheidung zum Protestcamp gegen die Tesla-Erweiterung eine Instanz höher. Unterdessen treibt der Umgang mit dem Lager nahe Grünheide einen Keil in die Potsdamer Regierungskoalition.
Die Brandenburger Polizei hat Beschwerde gegen die Gerichtsentscheidung zugunsten des Protestcamps gegen US-Autobauer Tesla in Grünheide (Oder-Spree) bei Berlin eingelegt. Das bestätigte Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Mittwoch. Die Aufgabe der Versammlungsbehörde sei es, die Versammlungsfreiheit zu schützen, aber auch zu gewährleisten, dass niemand in Gefahr gebracht werde.
Deshalb habe die Polizei am Dienstag vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam Beschwerde eingelegt. Umweltministerium, Bauamt und Forstbehörde müssten nun im Detail mögliche Gefahren begründen.
Das Gericht hatte zuvor einem Eilantrag der Waldbesetzer gegen verhängte Auflagen stattgegeben. Damit darf das Protestcamp im Landeswald nahe Tesla mit mehreren Baumhäusern zunächst bleiben.
Die etwa 80 Aktivisten, die einen Teil eines Waldes an der Fabrik des E-Autoherstellers besetzen, sehen die Entscheidung des Gerichts als Teilerfolg. Ihr Ziel ist es, eine Rodung im Zuge einer geplanten Erweiterung des Geländes mitsamt Güterbahnhof zu verhindern. Das Camp wurde Ende Februar errichtet - und soll nun bis zum 20. Mai bleiben dürfen.
Die Waldbesetzer machten selbst deutlich, dass sie sich auf einen langen Verbleib einrichten. "Auch wenn uns durch neue Auflagen der Protest unmöglich gemacht werden sollte, werden wir uns über den 20. Mai hinaus Tesla in den Weg stellen und hier bleiben", sagte ein Sprecher der Initiative "Tesla stoppen" am Mittwoch.
Geplant sei unter anderem der Bau weiterer Baumhäuser. Das Camp sei für Bürgerinitiativen und Umweltschützer ein Anlaufpunkt des Protests gegen die Erweiterungspläne von Tesla geworden, sagte der Sprecher. "Wir stehen hier genau an der richtigen Stelle, um zu verhindern, dass die Interessen des Tesla-Konzerns einfach so durchgedrückt werden."
Unterdessen treibt das Protestcamp in Grünheide einen Keil in Brandenburgs rot-schwarz-grüne Koalition. "Das Demonstrationsrecht ist grundgesetzlich verbrieft, es ist aber kein Freifahrtschein", sagte SPD-Fraktionschef Daniel Keller am Mittwoch im Landtag in Potsdam. Die SPD-Fraktion habe erhebliche Zweifel am Protestcamp. "Es geht nur um eine maximale Eskalation." Er warf der Grünen-Fraktion vor, dass sie "so ein bisschen zu willfährigen Helfern" des Protestes würden.
Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke verwies auf das Versammlungsrecht. "Für die Durchführung von Versammlungen gibt es ganz klar rechtsstaatliche Verfahren." Alles, was einen anderen Anschein erwecke, schade der Demokratie. "Wer hier tagelang ohne Rechtsgrundlage von einer sofortigen Räumung des Camps redet, der zieht doch gerade erst Menschen an, die auf Krawall aus sind."
Der Chef der oppositionellen Linksfraktion, Sebastian Walter, pochte auf die Versammlungsfreiheit. "Mir muss dieses Camp nicht gefallen", sagte Walter. "Aber deshalb stelle ich nicht das Versammlungsrecht und die Versammlungsfreiheit dieser friedlich Demonstrierenden infrage."
Die Fraktionen verurteilten derweil einhellig den Anschlag auf die Stromversorgung des Tesla-Werks. Bisher unbekannte Täter hatten am 5. März Feuer an einem Strommast gelegt, der Teil der Stromversorgung der E-Autofabrik in Grünheide ist. Die linksextreme "Vulkangruppe" erklärte, sie sei für den Anschlag verantwortlich.
SPD-Fraktionschef Keller nannte Angriffe auf die kritische Infrastruktur "eine konkrete Gefahr für den Wirtschaftsstandort Brandenburg". Der CDU-Fraktionsvorsitzende Jan Redmann forderte besseren Schutz - mit Zäunen, mehr Videoüberwachung und der Einrichtung eines Landesamts für Bevölkerungsschutz.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) verteidigte unterdessen die Ansiedlung von US-Elektroautobauer Tesla in Brandenburg angesichts wachsender Proteste. "Wer in unserem Land eine starke Wirtschaft will, die wiederum Basis ist unserer guten Entwicklung, der muss anerkennen, dass Tesla ein wichtiger Teil davon ist", unterstrich Woidke in der Landtagsdebatte am Mittwoch. "Deswegen bin ich Tesla dankbar, dass auch nach dem Terroranschlag ein klares Bekenntnis zum Standort Grünheide gekommen ist."Alle anderen Bundesländer und ganz Europa würde Brandenburg nach wie vor um diese Ansiedlung beneiden.
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.03.2024, 12 Uhr
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