Frauen in Ingenieurberufen
Ein Großteil der Ingenieure in Deutschland ist männlich. Jungen Frauen fehlt es oft an weiblichen Vorbildern in diesen Berufen. Im Stahlwerk von Eisenhüttenstadt ist das anders: Dort leitet eine Ingenieurin die Walzenschleiferei.
Anja Budach steht mit grau-orangener Arbeitskleidung und weißem Schutzhelm vor einer Walze und hält in der Hand ein Gerät, das wie ein umgebautes Videorekorder aussieht. Die Ingenieurin überprüft, ob die Oberfläche des Metalls richtig geschliffen wurde. "Das ist eine texturierte Walzenoberfläche. Die Oberfläche ist ausgeraut und wird durch uns so produziert", sagt Budach. "Wir überprüfen, ob sie den Kundenanforderungen anspricht." Damit stelle sie sicher, dass im Kaltwalzwerk anschließend Stahl in hoher Qualität verarbeitet wird.
Budach arbeitet seit 2016 als technische Leiterin in der Walzenschleiferei des Stahlwerks von ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree). Die 34-Jährige gehört damit zu einer Minderheit: Vier Fünftel der etwa 2.700 Beschäftigten am Werk sind laut Unternehmensangaben Männer. In der Walzenschleiferei ist Budach die Chefin von 32 Mitarbeitern – die meisten sind Männer.
Dass Frauen in einem Team von Ingenieuren in der Unterzahl sind, ist keine Seltenheit: Nur ein Drittel der beschäftigten Ingenieure und Wissenschaftler in Deutschland sind laut Eurostat Frauen. Bei vielen Ingenieurberufen sehen die Zahlen schlechter aus: Nur 30 Prozent der Bauingenieure hierzulande sind laut Bundesstatistikamt Frauen, bei den Wirtschaftsingenieuren sind es 22 Prozent und in der Ingenieurinformatik nur 17 Prozent. An den Brandenburger Hochschulen stagniert zudem seit Jahren der Frauenanteil unter den Studierenden bei etwa 30 Prozent.
Schon früh habe Budach gewusst, in welche Richtung es für sie gehen soll: "Eigentlich schon innerhalb der Schulzeit, aufgrund der favorisierten Schulfächer: Also Mathe, Physik, Chemie", sagt sie. "Ich war dann bei der Berufsberatung und mir wurde der Ingenieurbereich empfohlen." Danach ließ sie sich in Eisenhüttenstadt zur Industriemechanikerin ausbilden, an der TU Wildau folgte das Maschinenbau-Studium.
Das Interesse an Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik teilt Budach mit vielen jungen Frauen: Laut einer Studie der Internationalen Hochschule in Erfurt sind 70 Prozent an den sogenannten MINT-Fächern interessiert. Trotzdem werden zu wenige Ingenieurinnen. Etwa 40 Prozent fürchten den Ergebnissen zufolge Schwierigkeiten und Überforderung in der Ausbildung. Es fehlt an weiblichen Vorbildern aus diesen Berufsfächern: Nur wenige der Befragten haben der Studie zufolge Freundinnen oder weibliche Verwandte, die in technischen Berufen arbeiten.
In ihrem Studiengang war Budach eine von wenigen Frauen, sagt sie. An Motivation fehlte es ihr offenbar aber nicht: "Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass ich das als Frau nicht könnte", sagt die Ingenieurin. "Für mich war es normal und ich hatte während des Studiums und hier während der Tätigkeit nie das Gefühl, dass es irgendjemand interessiert, ob man jetzt Frau oder Mann ist."
Das Stahlwerk in Eisenhüttenstadt beschäftige bereits mehr Frauen als der Durchschnitt der Stahlindustrie, sagt Sophie Krüger, Unternehmenssprecherin. Doch man wolle noch mehr Frauen gewinnen. "Wir bieten einen Kitazuschuss, die Möglichkeit – wenn es kein Produktionsbetrieb ist – des mobilen Arbeitens, und wir haben noch das Gleitzeitmodel", sagt Krüger.
Trotz allem werden Anja Budach und andere Frauen in Ingenieurberufen wohl noch lange Teil einer Minderheit bleiben. Für junge Frauen, die in technische Berufe wollen, hat sie einen Tipp: "Einfach machen!", sagt die 34-jährige Ingenieurin.
Sendung: Antenne Brandenburg, 27.02.2024, 16:40 Uhr
Mit Material von Elke Bader und Robert Schwaß
Beitrag von R. Schwaß und J. F. Álvarez Moreno
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