Kooperation mit Agentur für Arbeit
Das Klinikum Spandau geht auf der Suche nach Pflegekräften neue Wege. Es bietet längere vergütete Praktika an – für junge Menschen, die wegen schlechter Noten oder Sprachbarrieren nicht direkt eine Ausbildung starten können. Von Anja Herr
Blutdruck messen klappt schon gut bei Ayman Rakri – 120 zu 80 hat er gerade bei einer Patientin abgelesen. "Das ist gut", verkündet der 18-Jährige. Isabell Reinicke neben ihm nickt. Sie ist gelernte Pflegekraft und begleitet den jungen Mann während des Praktikums im Klinikum Spandau. "Ich schaue, ob noch Dinge optimiert werden können, manchmal assistiere ich auch."
"Ich möchte mehr junge Menschen in diesen fantastischen Beruf bringen", sagt Kathleen Gernandt, Pflegedirektorin im Vivantes Klinikum Spandau. Denn weiterhin mangelt es an Pflegepersonal. Deshalb setzte Gernandt sich mit Steffen Hell von der Arbeitsagentur Berlin Nord zusammen und entwarf mit ihm einen Plan.
Sie beschlossen, das Instrument der so genannten Einstiegsqualifizierung zu nutzen, das die Arbeitsagentur Betrieben normalerweise als Einzelmaßnahme anbietet. Bei Vivantes wurde es bisher nicht angewendet – und hier wird es jetzt auch gleich für eine ganze Gruppe genutzt. Das Pilotprojekt läuft seit Oktober.
Bezuschusst von der Agentur für Arbeit absolvieren jetzt also zehn junge Menschen für 700 Euro pro Monat im Klinikum Spandau ein halbjähriges Praktikum. Hier bekommen auch Jugendliche eine Chance, die wegen schlechter Noten oder Sprachbarrieren nicht direkt eine Ausbildung beginnen könnten.
In den sechs Monaten können sie testen, ob der Beruf etwas für sie wäre. Dabei werden sie durch eine erfahrene Pflegekraft eng betreut. Nach dem Praktikum sind sie dann im Idealfall so weit, dass sie eine Ausbildung starten können.
Ayman Rakri ist froh über diese Möglichkeit. Er ist vor ein paar Jahren aus Eritrea nach Berlin gekommen. Seine Schulnoten waren nicht die besten und seine Sprachkenntnisse reichten noch nicht für eine Ausbildung. Als ihm die Agentur für Arbeit vorschlug, dieses Praktikum zu machen, war er zunächst skeptisch, ob er die Anforderungen erfüllen kann und ob er dem Stress gewachsen sein wird. Jetzt sagt er: "Es ist mein Traumberuf." Er mag es, Menschen zu helfen – alten wie jungen.
So wie ihm ging es auch anderen Praktikanten, die an dem Pilotprojekt teilgenommen haben. Schon jetzt ist klar: Sieben der insgesamt zehn Teilnehmenden starten im Mai eine Ausbildung. Zwei lassen sich zur Pflegefachkraft ausbilden, fünf wollen Pflegefachassistenten werden.
Auch die 17-jährige Fatusche Luma hat sich dazu entschieden. Sie hat gerade in der Küche zu tun, bereitet Mahlzeiten für die Patienten zu. Nach dem Schulabschluss hatte sie "keinen Plan, wohin es geht", erzählt sie. Das Angebot von der Arbeitsagentur für dieses Praktikum nahm sie gern an. "Es macht Spaß", sagt sie. Und es sei so viel besser, als zuhause zu sitzen und nichts zu tun.
Weil die erste Bilanz so positiv ausfällt, soll die Kooperation fortgesetzt und ausgeweitet werden. Bei der Suche nach Fachkräften müsse man schauen, wo Nischen sind, sagt die Pflegedirektorin. "Jungen Menschen, die es vielleicht ein bisschen schwerer haben beim Berufseinstieg, wollen wir eine Chance geben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen." Dabei sei es wichtig, dass der Sprachunterricht noch ausgebaut werde. Die Begleitung durch erfahrene Pflegekräfte wolle man unbedingt beibehalten, sagt Gernandt.
Steffen Hell von der Arbeitsagentur führt den Erfolg des Projekts auch darauf zurück, dass den Jugendlichen in der Klinik Gemeinschaft vermittelt werde. "Man hat es geschafft, die Jugendlichen so gut an sich zu binden und ihnen das Gefühl zu geben, dass man hier in einer kleinen Familie ist." Deshalb seien sie nicht abgesprungen, vermutet er.
Ayman Rakri hat mittlerweile begonnen, das Essen zu verteilen. Er hat sich entschlossen, hier eine Ausbildung zu beginnen. Im Mai geht es los.
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.03.2024, 7:30 Uhr
Beitrag von Anja Herr
Artikel im mobilen Angebot lesen