Berliner Wohnungsbaugesellschaften unter Druck
Sie sollen bauen und die Mieten niedrig halten, energetisch sanieren und Wohnungen dazukaufen. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin stehen vor einer riesigen Aufgabe. Wirtschaftsforscher warnen vor einer Überforderung. Von D. Knieling und J. Menzel
Wenn Jörg Franzen über die Lage seiner Branche spricht, redet er nicht lange drumherum: "Es gibt Leute, die sagen: Das ist der perfekte Sturm im negativen Sinne, weil die ganzen negativen Faktoren zusammengekommen sind", sagt der Chef der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gesobau. Gestiegene Baukosten, Lieferkettenprobleme und der Anstieg der Zinsen - mit diesem Mix sieht sich nicht nur Franzen konfrontiert. Sondern die ganze Immobilienwirtschaft.
Große private Konzerne haben den Wohnungsneubau in Berlin gleich ganz eingestellt. Die Landeseigenen hingegen bauen und sanieren weiter. Gleichzeitig sollen sie günstige Mieten anbieten und am liebsten auch noch Wohnungen dazukaufen. Dabei steckten sie selbst in einer schwierigen Lage, sagt Konstantin Kholodilin, der am am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung die Entwicklung des Wohnungssektors beobachtet.
"Wenn man die Bilanzstruktur anschaut, haben die landeseigenen Wohnungsunternehmen relativ hohe Verschuldungsgrade, gemessen an der Eigenkapitalquote", warnt Kholodilin. Vor allem die Gewobag mit ihren 58.000 Wohnungen nimmt der DIW-Wissenschaftler in den Blick. Sie weise lediglich eine Eigenkapitalquote von zehn Prozent auf, was bedeute, dass der Rest auf Fremdkapital basiere. "Das ist eine sehr hohe Verschuldung", zeigt sich Kholodilin besorgt.
Degewo, Gesobau, Gewobag, Howoge, Stadt und Land und WBM - alle sechs landeseigenen Unternehmen haben zusammengenommen ihre Schulden seit 2016 mehr als verdoppelt. Der Landesrechnungshof gibt die Kreditverbindlichkeiten für 2021 mit fast 17 Milliarden Euro an und warnt vor einer "Schieflage". Doch der Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) wiegelt ab. Die Unternehmen seien wirtschaftlich solide aufgestellt. Den Schulden stünden mit neuen Häusern oder sanierten älteren Bauten schließlich Werte gegenüber.
Doch auch der Senator räumt ein, dass die Gesellschaften einen Kapitalbedarf haben. "Deswegen brauchen wir weiter moderate Mietsteigerungen, die niemanden überfordern. Dafür haben wir das Leistbarkeitsversprechen, dass keine WBS-Empfänger mehr als 27 Prozent ihres Einkommens zahlen müssen und ansonsten gibt es auch individuelle Lösungen", sagt er. So haben sich Senat und landeseigene Wohnungsunternehmen in ihrer Kooperationsvereinbarung darauf verständigt, dass die Bestandsmieten bei den Unternehmen insgesamt nur um 2,9 Prozent im Jahr steigen dürfen.
Der Berliner Mieterverein kritisiert dennoch, dass Mieterinnen und Mieter auf diese Art die Neubauten mitbezahlen müssen. Auch die Linke bezeichnet diese Quersubventionierung als falsch und die Regelungen zur Begrenzung der Mieterhöhungen als löchrig. Statt weiter an der Mietschraube zu drehen, brauche es eine andere Art der Finanzierung, fordert der mietenpolitische Sprecher der Fraktion im Abgeordnetenhaus, Niklas Schenker. "Das geht, wenn man dafür Kredite aufnimmt und die als Eigenkapitalzuführung an die landeseigenen Unternehmen gibt", schlägt Schenker vor.
Der Linken-Abgeordnete zeigt sich überzeugt, dass diese Finanzierung auch mit dem EU-Beihilferecht im Einklang steht und außerdem kompatibel mit der Schuldenbremse ist. Sanierung und Neubau seien weiter möglich, ohne die Mieterinnen und Mieter im Bestand zu belasten. "Man muss es nur wollen", sagt Schenker. Allerdings fehlen schon jetzt im Berliner Landeshaushalt Milliarden, die erst noch eingespart oder anderweitig ersetzt werden müssen. Zudem ist die Rechtmäßigkeit des von der schwarz-roten Koalition geplanten Sondervermögens fraglich.
Die Spielräume sind also eng, und das Geld ist nicht nur bei Wohnungsbaugesellschaften knapp. Der Gesobau-Chef Franzen, der gleichzeitig auch Sprecher der landeseigenen Wohnungsunternehmen ist, bezeichnet Mieterhöhungen daher als unumgänglich. Franzen betont aber: "Wir sind noch immer deutlich unterdurchschnittlich im Vergleich zum Mietspiegel und im Vergleich zu ganz, ganz vielen Wettbewerbern."
Doch trotz dieser sozialen Ausrichtung werde man auch in den nächsten Jahren über Mietsteigerungen reden müssen, sagt Franzen. Nur so könnten Neubau, energetische Sanierung und der Ankauf von Wohnungen gestemmt werden.
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.04.2024, 07:30 Uhr
Beitrag von Dorit Knieling und Jan Menzel
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