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Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 04.04.2024 | Quelle: dpa/Waltraud Grubitzsch

Beschäftigungsquote steigt langsam

Wie schwerbehinderte Menschen in den Brandenburger Arbeitsmarkt integriert sind

4.350 schwerbehinderte Menschen sind in Brandenburg arbeitslos. Mit einer Beschäftigungspflicht für größere Unternehmen sollen mehr Schwerbehinderte einen Job bekommen. In Brandenburg kaufen sich viele Unternehmen davon frei. Von Andreas B. Hewel

Jede Bestellung ist anders. Extrawünsche aber sind für Wilfried Sibert ein tägliches Geschäft. So will ein Kunde ein Lötgerät haben, das Standardmodell "Lötfreund Mini", allerdings mit Ventilen an den Gasschläuchen. Die sind beim Standardmodell nicht dabei. Also montiert Wilfried Sibert die Ventile mit dran, packt alles ein und die Ware ist auslieferbereit.

Sibert ist gelernter Dreher und hat lange als Zerspaner gearbeitet. Mit Anfang 50 aber musste der heute 63-Jährige mehrfach an der Lendenwirbelsäule operiert werden. Seither darf er keine schweren Lasten mehr heben und ist schwerbehindert. Mit dieser Einschränkung musste er sich eine neue Arbeit suchen.

Sibert aber hatte Glück. Schon nach wenigen Monaten wurde er bei dem Unternehmen Haus und Werkstatt 24 in Oranienburg eingestellt. Für den Löt- und Schweißfachmarkt hat er nach einer Fortbildung jahrelang Feuerlöscher gewartet. Jetzt ist er in der Warenabfertigung. "Der Arbeitsplatz ist für mich ideal", sagt Sibert. "Denn es geht nicht höher als 15 Kilo. Das entspricht genau dem, was ich vom Rücken her darf. Das passt."

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Menschen mit und ohne Behinderung tauschen für einen Tag ihre Arbeitsplätze

Betrieb muss sich auf die Behinderungen gezielt einstellen

Die Firma, bei der er arbeitet, verkauft weit über 90 Prozent ihrer Ware über den Online-Handel. Der Jahresumsatz liegt bei rund 14 Millionen Euro. Knapp 50 Angestellte arbeiten hier, sieben von ihnen sind schwerbehindert. Eine beachtliche Quote. Hinzu kommen noch mehrere Schwerbehinderte, die über Behindertenwerkstätten der Caritas hier arbeiten.

Die Einschränkungen durch die Behinderungen sind sehr unterschiedlich, körperlich wie geistig. Von der Firma verlangt das vor allem eine gute Arbeitsorganisation. "Wenn man mit Behinderten arbeitet" räumt Norman Radtke, Prokurist des Unternehmens, ein, "muss man natürlich ganz anders planen und hat deutlich mehr Koordinationsaufwand". Man hat im Zuge aber auch wieder Tätigkeiten 'erschlagen', die sonst vielleicht ein Facharbeiter nicht unbedingt machen möchte."

So hat auch Stefan Geiseler hier Arbeit gefunden. Der geistig behinderte Mitarbeiter ist unter anderem damit beschäftigt, kleine Federn in Verkaufstüten zu stecken. Oder er macht "Pappe", das heißt, er zerkleinert und entsorgt den Verpackungsmüll. Eine nicht besonders abwechslungsreiche Arbeit, aber genau darin ist er gut. "Die brauchen feste Tagesabläufe", so Radtke, "feste Ansprechpartner und die müssen wir halt bieten. Wir müssen Arbeitsabläufe so gestalten, dass die immer wiederholbar sind."

Auch Flexibilität bei Arbeitszeit notwendig

Bei körperlichen Einschränkungen ist das anders. "Ein körperlich Behinderter arbeitet wie jeder andere auch", sagt Radtke, "nur dass er eben gewisse Einschränkungen hat, um die wir halt drum herum arbeiten müssen." Wilfried Sibert aber weiß, dass sein Arbeitgeber auch noch darüber hinaus Rücksicht auf ihn nimmt. "Es ist ja nicht nur dieses Nicht-mehr-als-15-Kilo-heben", räumt Sibert ein. "Man hat Arztbesuche, man fällt mal aus. Und das ist in dieser Firma eigentlich gut geregelt. Es wird abgesprochen, wie man die Zeit nachholt und das klappt alles wunderbar."

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Einstellungspflicht ab 20 Angestellten

Bundesweit müssen Unternehmen ab 20 Angestellten Schwerbehinderte mit anstellen. Fünf Prozent der Arbeitsplätze müssen dann an schwerbehinderte Menschen vergeben werden. Erreichen Unternehmen diese Fünf-Prozent-Quote nicht, wird eine Ausgleichsabgabe fällig. Diese schwankt je nach Erfüllungsgrad pro unbesetztem Pflichtarbeitsplatz zwischen 140 Euro bis zu 720 Euro monatlich.

4.737 Betriebe in Brandenburg haben mindestens 20 Beschäftige, dennoch beschäftigen 2.724 davon keine Schwerbehinderten. Das sind 57,5 Prozent, also weit über die Hälfte aller betroffenen Unternehmen. Damit sind sie abgabepflichtig. Für das Jahr 2022 kamen in Brandenburg 19,2 Millionen Euro Ausgleichsabgabe zusammen.

Geld, das anderen Unternehmen zugutekommt, die schwerbehinderte Menschen einstellen. "Die Ausgleichsabgabe darf nur für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben verwendet werden", betont Gabriel Hesse aus dem Sozialministerium Brandenburgs. So können damit beispielsweise Arbeitsplätze schwerbehindertengerecht ausgebaut oder andere außergewöhnliche Belastungen für den Arbeitsgeber ausgeglichen werden.

Fördermöglichkeiten für Arbeitgeber, die Schwerbehinderte einstellen, bieten darüber hinaus auch die Arbeitsagenturen. So kann es zeitlich begrenzt einen Eingliederungszuschuss von bis zu 50 Prozent des Gehalts geben und/oder eine vollfinanzierte Probebeschäftigung für die ersten beiden Wochen.

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Beschäftigungsgrad steigt nur langsam

Doch auch wenn unter den Schwerbehinderten die Arbeitslosenquote in den vergangenen Jahren deutlich gesunken ist: Sie sank weniger stark als bei nicht behinderten Menschen. So waren Ende März 2024 in Brandenburg 4.350 schwerbehinderte Menschen arbeitslos.

Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis90/Die Grünen) wirbt daher für mehr Offenheit in den Betrieben schwerbehinderten Menschen gegenüber. "Sie sind oftmals auch sehr gut ausgebildet", betont Nonnemacher. "Wir haben unter den arbeitslosen schwerbehinderten Menschen einen besseren Ausbildungsgrad als unter denen, die nicht schwerbehindert sind." Die Landesverwaltungen selbst, so Nonnemacher weiter, hätten knapp 3.000 schwerbehinderte Menschen eingestellt. Das ist eine Quote von 5,63 Prozent aller Beschäftigten. Ziel sei es, auf 6,5 Prozent unter den Landesbeschäftigen zu kommen. Das soll auch auf Wirtschaftsbetriebe abfärben, hofft Nonnemacher. "Wir müssen dahin kommen, dass die Beschäftigungsquote unter Menschen mit Behinderung genauso gut wird wie bei Menschen ohne Behinderung."

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Norman Radtke von Haus und Werkstatt 24 will auch weiter auf eine gewisse Zahl von schwerbehinderten Menschen in seinem Unternehmen setzen. "Behinderte sind sehr zuverlässig, sind super motiviert", bilanziert er. "Die können wir gut ins Team integrieren. Wir haben auch keine Probleme im Team. Wir arbeiten wirklich Hand in Hand zusammen. Insgesamt passt es eben." Aus Gehaltskostengründen aber, das betont er, werden die Schwerbehinderten hier nicht eingestellt. "Bei uns bekommen die Angestellten, die die gleiche Arbeit leisten, das gleiche Gehalt, egal ob behindert oder nicht behindert."

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 04.04.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Andreas B. Hewel

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