Ideen für alternative Nutzung
Nach Jahren der Kita-Platz-Knappheit gibt es in Potsdam mittlerweile Überkapazitäten. Jetzt steht unter anderem eine Umwandlung von Kitas in "Familienzentren" im Raum. Von Felix Moniac
Nach Jahren der Kita-Platz-Knappheit gibt es in Potsdam mittlerweile eher Überkapazitäten. Insgesamt sind etwa 21.500 Krippen-, Kita- und Hortplätze in der Landeshauptstadt vorhanden. Zum Dezember 2023 waren davon etwa 3.600 Plätze frei.
"Wir können nicht sagen, dass wir momentan eine Knappheit an Plätzen haben oder uns darüber Sorgen machen müssten", sagte der Potsdamer Beigeordnete für Bildung und Jugend, Walid Hafezi (Grüne), dem rbb. Hafezi zufolge ist ein Rückgang der Nachfrage seit etwa anderthalb Jahren erkennbar. Es müsse zwar zwischen den Randbezirken und dem Innenstadtbereich unterschieden werden - in der Innenstadt sei der Bedarf an Plätzen nach wie vor hoch. Aber die Plätze reichten überall aus, sagte Hafezi.
Hafezi zufolge hat diese Entwicklung auch Vorteile. So gebe es Kitas, in denen es lange sehr eng gewesen sei. Die veränderte Situation mit weniger Kindern berge nun die Chance, frei werdende Räume pädagogisch anders zu nutzen. "Deshalb meine ich, das ist eine gute Gelegenheit, auch nochmal an der Qualität zu arbeiten; an pädagogischen Konzepten, die man vorher nicht umsetzen konnte, weil der Raumbedarf es nicht hergab”, sagte der Beigeordnete dem rbb.
Eine geringere Anzahl an Kindern, die im täglichen Kita-Alltag betreut werden müssen, räumt Erzieherinnen und Erziehern theoretisch auch mehr Möglichkeiten ein, sich um die Belange des einzelnen Kindes zu kümmern. Kinder könnten qualitativ besser betreut werden. Allerdings stehen den Einrichtungen nicht zwangsläufig mehr Erzieherinnen und Erzieher zur Verfügung, denn der Betreuungsschlüssel bleibt gleich: In der Krippe kommen fünf Kinder auf eine Betreuungsfachkraft, im Kindergarten sind es zehn Kinder pro Erzieher.
Noch sei nicht eindeutig klar, ob auch in Zukunft weniger Krippen- und Kita-Plätze benötigt würden, sagte Hafezi dem rbb. Mit Prognosen müsse man immer sehr vorsichtig sein. "Wir müssen nochmal gucken, dass wir belastbar die statistischen Daten auswerten. Das machen wir dann 2025 im Rahmen der Fortschreibung." Erst dann gebe es belastbare Zahlen, die zeigten, ob der aktuelle Rückgang einen Einmal-Effekt darstelle, der sich nur über ein, zwei Jahre zeige.
Oder ob sich die Entwicklung fortan über mehrere Jahre hinziehe. "Das müssen wir abwarten und dann diskutieren, wie es in den nächsten fünf bis zehn Jahren weitergeht", so Hafezi. Grundsätzlich gehe es der Stadt Potsdam darum, bestehende Räume zu erhalten.
Eine Idee ist es daher auch, Kitas in sogenannte Familienzentren umzuwandeln. Dort könnten Hilfsangebote der Stadt maßgeschneidert und vor Ort angeboten werden.
Ein Beispiel ist die Kita Silberahorn in Drewitz: Diese hat nominell 236 Plätze, ist derzeit aber nur mit 178 Kindern ausgelastet. Hier würden 24 verschiedene Sprachen gesprochen, sagt die Leiterin Sabine Walkhoff-Reichel. Eltern und Familien mit unterschiedlichen kulturellen, ökonomischen oder lebensgeschichtlichen Hintergründen hätten andere Alltagsaufgaben zu bewältigen als eine Familie, die seit Generationen in Deutschland lebt und mit dem System und der Sprache vertraut ist. Familienzentren könnten hier eine Brücke bauen und bürokratische Aufgaben gewissermaßen unbürokratisch bewältigen.
Viel Anklang findet die Familienzentren-Idee auch bei der Fröbel-Geschäftsleiterin in der Region Westbrandenburg, Melanie Rösch: “Es findet ein Umbruch statt, auch in unserer Gesellschaft. Das spüren wir auch in unserer Einrichtung. Es gibt eine hohe Migrationsdichte. Wir haben ganz andere Problemfelder, die wir bedienen. Und [in einem Familienzentrum] haben viele Familien die Möglichkeit, aufeinanderzutreffen, niederschwellige Angebote anzunehmen und sich sicher zu vernetzen.”
Doch trotz zumindest derzeit abnehmender Kinderzahlen, bleibt ein Problem weiter bestehen: Der grundsätzliche Mangel an Erzieherinnen und Erziehern. Hafezi hält es für angemessen, die Bezahlung dem Bachelor-Niveau anzupassen, um dem Beruf die Wertschätzung entgegenzubringen, der er aus seiner Sicht verdiene. Das entspricht TV-L 9, anders gesagt: Es ginge bei etwa 3.200 Euro brutto los. Kurzfristig will die Stadt laut Hafezi bessere Rahmenbedingungen für die Menschen im Job schaffen. Auch, wenn man derzeit nicht mehr bezahlen könne: Man wolle gute Arbeitsbedingungen schaffen und so den Nachwuchs binden.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 03.05.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Felix Moniac
Artikel im mobilen Angebot lesen