Leerstehende Büroflächen in Berlin
Wohnraum ist in Berlin knapp. Gleichzeitig gibt es in der Stadt einen nicht unerheblichen Leerstand bei Büroflächen. Was liegt da näher, als die leeren Büros in Wohnungen umzubauen? Doch geht das in der Praxis wirklich? Von Efthymis Angeloudis
4,9 Prozent der Büroräume in Berlin stehen leer
Eine Umwandlung in Wohnraum würde die Wohnungsnot lindern
Büromieten sind dennoch lukrativer für Eigentümergesellschaften
Umnutzung erfordert Zeit und Geld, weil das Gebäude oft auf den Rohbau entkernt werden muss
Nach Jahren des Booms auf dem Berliner Büromarkt sinkt die Nachfrage aktuell enorm. Home-Office, Inflation und die Konjunkturflaute lassen viele Unternehmen mit der Anmietung eigener Räume zögern. Aktuell stehen laut einem Marktbericht der Berliner Sparkasse und der Unternehmensberater Bulwiengesa [bulwiengesa.de] knapp 4,9 Prozent der Büroflächen in der Hauptstadt leer.
Dabei werden immer mehr Büroflächen fertigstellt, die letztendlich leer bleiben. Auf der anderen Seite wird dringend Wohnraum gesucht. Das wirft instinktiv die Frage auf: Könnten die leerstehenden Büros nicht in Wohnraum umgewandelt werden?
"Aus Büroraum mache Wohnraum – so einfach, wie es zunächst klingt, ist das leider nicht", sagt die Vizepräsidentin des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), Iris Schöberl. "Und unter den aktuellen Bedingungen leider schon gar nicht. Technisch kann eine Umnutzung möglich sein, sie ist aber am Ende oft nicht rentabel."
Denn die Umnutzung eines Bürogebäudes in Wohnraum lohnt sich für Eigentümer nur, wenn eine Vermietung nicht mehr möglich ist und ansonsten jahrelanger Leerstand droht. Vor allem weil selbst in Großstädten, in denen Wohnungsmieten bei 25 Euro oder mehr pro Quadratmeter liegen, die Diskrepanz zur möglichen Büromiete in stark nachgefragten Bürolagen oft noch zu groß ist. Eine Umnutzung erfordert meist viel Zeit und Geld, weil das Gebäude in der Regel bis auf den Rohbau entkernt werden muss.
So pauschal lasse sich die Frage, ob leere Büros in Wohnungen umgewandelt werden können also leider nicht beantworten. "Denn es kommt im Zweifel immer auf die Qualität, die bauliche Beschaffenheit und die Lage an", sagt Schöberl. Die Frage der Umnutzung müsse deshalb immer mit Blick auf den konkreten Fall beantwortet werden.
Es gibt durchaus Beispiele, wo eine Umwandlung funktioniert. Ein konkreter Fall ist das ehemalige Thyssen Trade Center in Düsseldorf aus dem das Wohnprojekt "Living Circle" geworden ist. Binnen zwei Jahren wurde der Büro-Komplex in 340 Wohnungen plus Kindertagesstätte und einem Supermarkt für die Nahversorgung umgewandelt.
Ganz so einfach, wie es sich anhört, ist es dann doch nicht, aus einem solchen Areal eine Nachbarschaft zu schaffen: "Als erstes muss man ein Gefühl dafür entwickeln, muss ein Image kreieren: Hat man überhaupt Spaß daran, hier irgendwann mal zu wohnen oder bleibt das immer so eine B-Lage fürs Wohnen?", sagt Harald Wennemar, Partner im Architekturbüro Konrath und Wennemar aus Düsseldorf dem rbb.
Denn Wohnflächen bräuchten viel mehr Treppenkerne als ein Büro. "Da gibt es Treppenhaus, lange Flure, ganz viele Büros dran - so möchte man aber natürlich nicht wohnen." Und man müsse sich dann noch überlegen, wie geht das mit den Balkonen, denn Bürogebäude haben natürlich keine Balkone. Dieses Problem konnte mit eingehängten Balkonplatten gelöst werden, die schräg von der Fassade abgehängt werden.
Was in diesem Fall laut Wennemar direkt sympathisch war, war die attraktive Lage, an einem Übergang von der Düsseldorfer Innenstadt zu den östlich gelegenen Freibereichen, hervorragend mit dem ÖPNV angebunden. "Man ist ganz schnell in der Innenstadt, aber auch genauso schnell im Wald."
Gute Lage ist aber oft auch ein Problem, denn oft stehen Bürogebäude in Gebieten, die laut Flächennutzungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesen sind und nicht einfach als Wohnraum ausgewiesen werden dürfen. Das können die Kommunen zwar ändern, aber das dauert nach den bisherigen Erfahrungen in der Regel mehrere Jahre.
Der Bund könnte aber Vorgaben im Bauplanungsrecht zugunsten der Umwandlung anpassen und dadurch verhindern, dass ein neues Planverfahren erforderlich ist, sagt die Vizepräsidentin des ZIA. "Außerdem muss er Lärmvorschriften flexibilisieren. Die Länder können dann durch Deregulierungen im Bauordnungsrecht den Weg dafür ebnen, dass es bei bestehenden Gebäuden keine neuen Genehmigungsverfahren braucht."
Und vor allem müsse man diesen Prozess bundesweit einheitlich gestalten und die Landesbauordnung harmonisieren, erklärt Schöberl.
Die Hürden einer Umwandlung in Wohnraum dürfen aber nicht unterschätzt werden, sagt Iris Schöberl. "Technisch muss da einiges beachtet werden, weil Versorgungsschächte, Sanitäranlagen und Küchen bei Bürogebäuden meistens auf jeder Etage zentral und gleich sind", erklärt Schöberl. Bei Wohnungen müssten zusätzlich Anschlüsse komplett neu verlegt und die technische Gebäudeausrüstung ausgetauscht werden.
Auch bauordnungsrechtlich ist die Sache alles andere als banal. "Da braucht es immer eine neue Genehmigung für die Nutzungsänderung von Büro zu Wohnen", so Schöberl.
"Die Bauordnungen sind ja landesspezifisch. In Nordrhein-Westfalen ist es so, dass, wenn sie Wohnungsbau planen, sie zu 100 Prozent barrierefrei planen müssen", ergänzt Harald Wennermar. Auch in Berlin müssen bei einem Umbau alle Anforderungen der Bauordnung eingehalten werden, die für einen Neubau gelten: von der Wärmedämmung über den Schall- und Brandschutz hin zur Barrierefreiheit.
Das lässt die Kosten für einen Umbau natürlich steigen. Laut einer Analyse des Immobilienspezialisten Jones Lang LaSalle (JLL)[zdf.de] liegen die durchschnittlichen Baukosten für den Umbau von Büro- zu Wohnflächen zwischen 1.700 und 2.200 Euro/qm.
Das ist sicherlich viel Geld, aber laut JLL immerhin um fast 50 Prozent niedriger als im Neubau. Zudem sind die CO2-Emissionen bei Sanierungen deutlich niedriger.
Der Mangel an Mietwohnungen in deutschen Großstädten könnte durch die Umwandlung von Bürogebäuden gelindert werden. Das heißt aber nicht, dass nur die Umwandlung von Büroräumen ausreicht.
In Berlin fehlen laut Schätzungen über 100.000 Wohnungen, um einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt zu schaffen. Die Umwandlung von Büros kann in den Big-7-Standorten, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart im nächsten Jahr nur etwa 19.600 Wohneinheiten schaffen. "Der Bedarf ist also um ein Vielfaches höher", sagt Iril Schöberl. "Umnutzungen können daher – wenn überhaupt – nur einen kleinen Teil zur Linderung der Wohnungsnot leisten."
Beitrag von Efthymis Angeloudis
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