Jungunternehmer gegen Personalmangel
Viele Bus- und Verkehrsunternehmen klagen über Personalmangel. In einigen Orten müssen zeitweise Linien und Fahrten gestrichen werden. Zwei Prignitzer Jungunternehmer versuchen, durch Social-Media-Marketing neue Fahrer zu finden. Von Björn Haase-Wendt
Edgar Stütz und Philipp Falkenhagen sitzen an ihren PCs in einem kleinen unscheinbaren Büro in der Perleberger Altstadt. Die Prignitzer Jungunternehmer haben Großes vor: Sie wollen den Busfahrermangel in Deutschland lindern. "Das machen wir grob gesagt über die sozialen Netzwerke. Wir sprechen die Leute da an, wo sie sowieso die meiste Zeit sind", erklärt der erst 19-jährige Stütz.
Gemeinsam mit Falkenhagen (20) hat er vor zwei Jahren eine eigene Social-Media-Agentur gegründet. Bereits in der Schule hatten die beiden über eine Schülerfirma Unternehmensluft geschnuppert. Nun helfen sie Kunden wie Entertainer Guido Cantz oder Körpersprache-Experte Stefan Verra bei ihren Social-Media-Auftritten in Facebook, Instagram und Co.
Seit dem letzten Jahr haben die beiden Jungunternehmer aber einen neuen Bereich für sich entdeckt: die Busbranche. Mit ihrem Unternehmen wollen sie das Image des Fahrpersonals aufbessern und neues Personal binden. "Wir haben einfach gemerkt, dass viele Leute Vorbehalte dem Beruf gegenüber haben", sagt Falkenhagen. Mit ansprechenden Kampagnen, Fotos und Videos geben sie in den sozialen Netzwerken Einblicke in den Beruf und lassen erfahrenes Fahrpersonal zu Wort kommen. "Wir zeigen, dass es ein schöner Job ist, dass man zum Beispiel auch etwas zur Mobilitätswende beitragen kann."
Ist das Interesse bei den Nutzern geweckt, greift eine im System hinterlegte künstliche Intelligenz und liefert den potenziellen Bewerbern weitere Informationen zum Beruf, erklärt Falkenhagen: "Wir gehen selten auf Dinge ein wie das Gehalt – deshalb wechselt kaum jemand. Wir gehen ein auf Themen wie Wertschätzung, Teamwork und die Zukunftssicherheit des Jobs."
Außerdem übernehmen die Jungunternehmer die Betreuung der Bewerber von der ersten Ansprache bis zur Vorstellung in den jeweiligen Unternehmen. "Wir sind ein bisschen die externe Personalabteilung", sagt Stütz. Und das wohl mit Erfolg. Mittlerweile arbeiten die jungen Prignitzer mit zahlreichen Bus- und Fuhrunternehmen aus ganz Deutschland zusammen, vor allem im süddeutschen Raum.
Eine Kundin ist Daniela Singer, die in Bayern mit weiteren Subunternehmern eines der größten Reise- und Verkehrsunternehmen betreibt mit 200 Bussen und 300 Fahrern. Früher hatte sie das Fahrpersonal klassisch per Stellenanzeige gesucht, heute setzt sie unter anderem auf die Prignitzer. "Die sind jünger als alle anderen, deshalb haben sie eine Chance bekommen", erklärt die Geschäftsführerin, die die Zusammenarbeit bis heute nicht bereut.
Durch die Kooperation wurde ein neuer Fahrer direkt eingestellt, sieben weitere sind in der Vorbereitung, weil sie etwa noch einen Busführerschein brauchen. "Wir wollen nicht Leute von Kollegen abwerben, dann hätte ich ja gar nichts gekonnt. Wir brauchen Leute, die vorher noch nie Busse gefahren sind", sagt die Geschäftsführerin.
Ähnlich sieht das der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen, der eine Partnerschaft mit den Perleberger Jungunternehmern eingegangen ist. "Der Mangel an Fahrpersonal ist in ganz Deutschland hoch und das Problem wird sich noch weiter ausweiten", sagt Verbandssprecherin Wera Waleska Steiner.
Im gesamten Bundesgebiet werden nach Verbandsangaben bis 2030 rund 87.000 Busfahrer und -fahrerinnen fehlen. "Weil jetzt immer mehr Fahrpersonal ins Rentenalter kommt, junge Nachwuchskräfte und Quereinsteiger sind jetzt sehr gefragt und wünschenswert", fügt sie hinzu. Social Media sei deshalb zunehmend wichtiger, um junge Leute für den Job zu begeistern und so neues Fahrpersonal zu generieren.
Der Erfolg gibt den Perleberger Jungunternehmern also recht. Derzeit expandieren sie mit ihrem Team und eröffnen einen zweiten Standort in Hamburg.
Sendung: rbb24 Inforadio, 23.05.2024, 16:30 Uhr
Beitrag von Björn Haase-Wendt
Artikel im mobilen Angebot lesen