Abstimmung im Bundestag
Das aktuelle Postgesetz wirkt wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Als es 1998 beschlossen wurde, steckten Mails und Chats noch in den Kinderschuhen. Briefe verlieren an Bedeutung - deswegen soll das Postgesetz verändert werden.
Der Bundestag stimmt am Donnerstag über die erste Reform des Postgesetzes seit 26 Jahren ab. Mit der Novelle soll die Deutsche Post mehr Zeit für die Zustellung von Briefen erhalten, zugleich sollen diese die Verbraucher aber zuverlässiger erreichen.
Nachdem sich die Ampel-Koalition am Montag geeinigt hatte, nahm am Mittwoch auch der Wirtschaftsausschuss des Bundestags den Vorschlag an. Der entsprechende Gesetzentwurf dürfte am Donnerstag mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP angenommen werden.
Der Bundesrat muss dann noch grünes Licht geben, vermutlich Anfang Juli.
Laut dem nun zur Abstimmungen anstehenden Gesetzesentwurf wird die Deutsche Post künftig weniger Zeitdruck haben. Derzeit müssen noch mindestens 80 Prozent der eingeworfenen Briefe am nächsten Werktag beim Empfänger sein und 95 Prozent am übernächsten.
Das Gesetz sieht vor, dass es erst am dritten Werktag nach Einwurf einen Pflichtwert gibt, und zwar besagte 95 Prozent. Am vierten Werktag sollen es dann 99 Prozent sein.
Durch die Neuregelung kann die Post Kosten senken und auf die inländische Briefbeförderung im Flugzeug verzichten, wodurch sie auch beim Klimaschutz vorankommt. Für den Verbraucher heißt das, dass er im Schnitt länger auf einen Brief wird warten müssen.
In anderen Teilen der Reform geht es darum, die Arbeitsbedingungen in der Branche zu verbessern. So sollen Pakete, die mehr als 20 Kilogramm wiegen, künftig im Regelfall nur noch von zwei Menschen zugestellt werden - es sei denn, es stehen geeignete technisches Hilfsmittel zur Verfügung, dann ist auch die Ein-Personen-Zustellung erlaubt.
Subunternehmer, deren Einsatz vor allem Gewerkschaften sehr kritisch sehen, sollen künftig effektiver kontrolliert werden. Sie werden zum Beispiel verpflichtet, Informationen zur Arbeitszeit vorzuhalten. Behörden könnten diese Informationen mit den Daten vergleichen, die bei der Abgabe von Paketen erfasst wurden - und so Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz feststellen.
Außerdem wird der Einsatz von Brief- und Paketautomaten erleichtert. Sie können künftig bei der Erfüllung einer Filialnetz-Pflicht angerechnet werden. Es kann also sein, dass in einigen Dörfern und am Stadtrand künftig mehr Automaten aufgestellt werden als bislang und es dort keine Filiale mehr gibt, in denen ein Mensch bedient. Kommunalverbände sollen hierbei aber angehört und die Bundesnetzagentur soll eingebunden werden.
Die Deutsche Post begrüßt die Gesetzesnovelle. Die Bedürfnisse von Gesellschaft und Wirtschaft hätten sich "grundlegend verändert", teilte das Unternehmen bereits im Januar mit. "Ein neuer Regulierungsrahmen ist deshalb dringend notwendig, um eine wirtschaftliche und nachhaltige Erbringung des Post-Universaldienstes auch in Zukunft sicherzustellen", hieß es. Der Gesetzesentwurf zeige in Teilen "den deutlichen Willen, die Post- und Paketbranche transparenter, sicherer, flexibler und umweltfreundlicher zu gestalten".
Andererseit meldet das Unternehmen Zweifel an, "ob durch das Gesetz wirklich ein Fortschritt für die Beschäftigten von Wettbewerbern der Deutschen Post erzielt wird." Insgesamt werde die Komplexität der Regulierung durch das geplante Gesetz nicht reduziert - im Gegenteil, die Bürokratie im Postsektor werde deutlich ausgeweitet, hieß es.
Unklar ist noch, ob das Porto für Briefe teurer wird. In einem Berechnungsverfahren legt die Bundesnetzagentur alle drei Jahre fest, welchen Spielraum die Post für die Portoerhöhung bekommt. Das Postgesetz bietet für das Verfahren den Rahmen.
2019 verteuerte sich der Inlandsversand eines Standardbriefs um 10 Cent auf 80 Cent, 2022 zog das Porto um 5 Cent auf 85 Cent an. In anderen Sendungsarten - etwa der Postkarte und dem Maxi-Brief - ging es preislich ebenfalls nach oben.
Ab Januar 2025 dürfte das Porto erneut teurer werden. Wie hoch, ist noch unklar. Allerdings wollen SPD, Grüne und FDP dafür sorgen, dass das Standardbrief-Porto nicht teurer wird als ein Euro.
Die Ampel-Koalition, in der es in anderen Politikfeldern laut knirscht, hat sich in der Reform trotz unterschiedlicher Vorstellungen auf einen Kompromiss geeinigt. Das werten Politiker von SPD, Grünen und FDP als Erfolg und Ausdruck ihrer Handlungsfähigkeit.
Der Sozialdemokrat Sebastian Roloff sieht auch den Verbraucher als Gewinner: "Wir stellen flächendeckende Postdienstleistungen an sechs Tagen die Woche auf lange Zeit und in allen Regionen Deutschlands sicher und sorgen dafür, dass der Briefmarkt trotz sinkender Mengen weiter funktioniert."
Der oppositionelle CSU-Politiker Hansjörg Durz bemängelt hingegen - ähnlich wie die Post - mehr Bürokratie. Das sehe man schon am Umfang: Das bisherige Postgesetz umfasse 19 Seiten und das neue 80 Seiten.
Nach der Privatisierung der Bundespost in den 90ern legte der Staat Regeln fest, damit die Bürger auch künftig zuverlässig Briefe bekommen und leicht Briefmarken kaufen können. Der Bund schreibt seither vor, dass jedes größere Dorf eine Postfiliale haben muss. Briefkästen müssen demnach in Reichweite sein und die Briefe müssen recht schnell beim Empfänger ankommen. Außerdem müssen Briefe aktuell an sechs Tagen die Woche zugestellt werden - also auch an Montagen, obwohl am Wochenende nur wenige Briefe verschickt werden und der Briefkasten zum Wochenauftakt daher häufig leer bleibt.
Die Regeln stammen aber aus einer Zeit, als der Online-Handel noch in den Kinderschuhen steckte und Briefe Teil der Alltagskommunikation waren. Seither hat sich viel getan: Chats und Mails ersetzen Briefe und beim Shopping sind sie häufig im Internet unterwegs statt in der Innenstadt. Daher schrumpft die Briefmenge - während die Anzahl der Pakete durch die Decke geht.
Für die Post haben sich die Stückkosten massiv erhöht, schließlich muss sie ein gleich großes Briefnetz betreiben, in dem sie immer weniger Sendungen hat. Sie muss überall in Deutschland Briefe zustellen, auch auf einsamen Bauernhöfen. Der veränderten Nachfrage hatte sich das Postgesetz bislang nicht angepasst.
Sendung: Radio Fritz, 13.06.24, 08:00 Uhr
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