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Bürgschaft für Kredit

Warum erhielt die Kadewe-Gruppe trotz roter Zahlen noch Staatshilfe?

Die Bürgschaft für einen Kredit zugunsten des Luxuskaufhaus-Unternehmens kostet die Steuerzahler wohl weniger als erwartet. Aber warum erhielt die Kadewe-Gruppe trotz schlechter Zahlen überhaupt eine Bürgschaft? Von Ute Barthel

Die Mitteilung aus der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen klingt beruhigend. Der Ausfall des Kredits für die Kadewe-Gruppe wird sich "voraussichtlich auf einen mittleren bis hohen einstelligen Millionenbetrag belaufen". Der Anteil Berlins daran betrage 32,9 Prozent.

Bürgschaft für Kredit

Kadewe-Pleite kostet Berliner Steuerzahler weniger als erwartet

Die Pleite des Luxuskaufhauses hätte die Berliner Landeskasse Schätzungen zufolge mit 18 Millionen Euro belasten können. Nach rbb-Informationen fallen die Kosten für Steuerzahler in der Hauptstadt voraussichtlich deutlich geringer aus.

In dem vertraulichen Schreiben, das der Redaktion rbb24 Recherche vorliegt, geht es um die Kosten, die auf die Steuerzahler nach der Insolvenz des Unternehmens zukommen könnten. Es ist deutlich weniger, als zunächst befürchtet. Noch im Februar rechnete der Senat mit einem Schaden von 18 Millionen Euro für Berlin. Nun scheinen es nur noch etwas mehr als drei Millionen Euro zu sein.

Offenbar hatte die Kadewe-Gruppe Sicherheiten für den Kredit bereitstellen müssen. Die wurden, so geht aus der Mitteilung der Finanzverwaltung hervor, inzwischen verwertet und der Erlös auf die restliche Kreditsumme angerechnet. Deshalb kommt Berlin wohl mit einem geringeren Schaden als erwartet davon. Doch warum hatte sich das Land Berlin überhaupt an der Bürgschaft für das Luxuskaufhaus-Unternehmen beteiligt?

Lockdown galt auch für Luxuskaufhäuser

Rückblick: Am 18. März 2020 macht Deutschland dicht, die Bundesregierung hat den ersten Corona-Lockdown beschlossen. Auch Deutschlands bekannteste Luxuskaufhäuser, die allesamt zum Benko-Imperium gehören, schließen: das Berliner Kadewe, das Oberpollinger in München und das Alsterhaus in Hamburg. Noch am selben Tag beantragt die Kadewe-Gruppe, die die Kaufhäuser betreibt, beim Bundeswirtschaftsministerium die Übernahme einer Bürgschaft für einen 90-Millionen-Euro-Kredit.

Die Bundesregierung hatte wegen der Folgen der Corona-Pandemie großzügige Hilfen versprochen. Doch die Kadewe-Gruppe beantragt damals noch keine Corona-Hilfen. Sie stellt einen Antrag auf Unterstützung aus dem Förderprogramm "Bundesbürgschaften unter Einbindung paralleler Landesbürgschaften", das es auch schon vor der Pandemie gab. Doch diese Hilfe gibt es nur, wenn sich auch die Bundesländer an der Bürgschaft beteiligen. In diesem Fall Hamburg, Bayern und Berlin, wo die drei Luxuskaufhäuser angesiedelt sind.

Quelle: imago images/Ditsch

Matthias Kollatz war damals Finanzsenator in Berlin. Der SPD-Politiker erinnert sich noch gut an die Stimmung zu Beginn der Pandemie, als auch in den europäischen Nachbarländern harte Maßnahmen beschlossen wurden. "In Frankreich hat Präsident Emmanuel Macron gesagt, kein Unternehmen wird an diesen Maßnahmen Pleite gehen. Und natürlich wurde dann auch nach Deutschland geschaut", sagt Kollatz im Interview mit rbb24 Recherche. Er sagt, es wäre damals ein fatales Zeichen gewesen, wenn die drei wichtigsten Kaufhäuser weit über tausend Mitarbeiter entlassen hätten.

Mit der Übernahme der Bürgschaft sollte also ein Signal gesetzt werden. War die Übernahme der Bürgschaft also auch eine politische Entscheidung? Ex-Finanzsenator Kollatz will das nicht kommentieren.

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Wer hat Anspruch auf staatliche Förderung?

Ob Corona-Hilfe oder Förderprogramm, grundsätzlich gilt: Der Antragsteller darf kein "Unternehmen in Schwierigkeiten" sein. Doch was bedeutet das konkret? Die Formulierung stammt aus dem Beihilferecht der Europäischen Union (EU). Die EU will damit verhindern, dass einzelne Staaten Unternehmen fördern, die ohne staatliche Hilfe absehbar keine Zukunft haben. In der entsprechenden EU-Verordnung sind die Kriterien für ein "Unternehmen in Schwierigkeiten" klar definiert. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist beispielsweise "in Schwierigkeiten", wenn die Hälfte ihres Stammkapitals wegen dauernder Verluste verloren gegangen ist.

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War die Kadewe-Gruppe ein "Unternehmen in Schwierigkeiten"?

Um zu klären, ob die Kadewe-Gruppe im Jahr 2020 Anspruch auf staatliche Förderung hatte, lohnt sich ein Blick in den Jahresabschluss 2019. Aus diesem Bericht geht hervor: Das Unternehmen war mit 105 Millionen Euro überschuldet. Das Stammkapital betrug 25.000 Euro. Für den Wirtschaftsexperten Harald Krehl sind diese zwei Zahlen eindeutig. Er kann deshalb nicht nachvollziehen, dass die Kadewe-Gruppe dennoch staatliche Hilfe bekommen hat.

Krehl hat sich auch die Abschlüsse der Vorjahre angesehen, in denen die Verluste von Jahr zu Jahr stiegen: von acht Millionen Euro im Jahr 2015 auf 36 Millionen im Jahr 2019. "Wer sagt, 2019 gab es keine wirtschaftlichen Schwierigkeiten, der hat sein Handwerkzeug nicht verstanden", sagt Krehl, der früher als Professor an der Fachhochschule in Calw (Baden-Württemberg) tätig war. Krehl hat sich die Geschäftsberichte des Unternehmens angeschaut, aus denen hervorgeht, dass die Kadewe-Gruppe war schon vor der Corona-Pandemie nur dank der Darlehen der Gesellschafter noch am Leben war. Sein Fazit: Das war schon lange vor dem Benko-Skandal ein "lebendiges totes Unternehmen".

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Bundeswirtschaftsministerium sah keine Schwierigkeiten

Aber auf welcher Grundlage wurde dann entschieden, ob das Unternehmen die Bedingungen für die staatliche Hilfe trotzdem erfüllt? Für die Prüfung war die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PWC) verantwortlich. PWC war im Auftrag des Bundes als sogenannter Mandatar tätig, dem im Rahmen der Prüfung eines Bürgschaftsantrags "umfassende Unterlagen zur betriebswirtschaftlichen Entwicklung" vorgelegt werden mussten.

Auf rbb-Nachfrage schreibt das Bundeswirtschaftsministerium, dass dazu die testierten Jahresabschlüsse der Kadewe-Gruppe für die Jahre 2017, 2018 und 2019, eine Stellungnahme der kreditgebenden Bank und Darlegungen zur "Qualifikation als Unternehmen in Schwierigkeiten im EU-beihilferechtlichen Sinn" gehörten. Letzteres ist in der Regel eine sogenannte Selbsterklärung des Unternehmens, dessen Vertreter per Unterschrift versichern, "die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen vollständig und richtig gemacht" zu haben.

Obwohl die betriebswirtschaftlichen Zahlen schlecht waren, entschied das Bundeswirtschaftsministerium aber anders. "Der Antragsteller wurde damals nicht als 'Unternehmen in Schwierigkeiten' im EU-beihilferechtlichen Sinne eingestuft", heißt es auf Nachfrage. Wie es zu dieser Entscheidung kam, dazu gibt es trotz mehrerer Nachfragen keine Begründung.

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Es gab auch noch Corona-Hilfen

Offenbar reichte der 90-Millionen-Euro-Kredit, für den Bund und Länder die Bürgschaft übernommen hatten, aber nicht aus, um während der Corona-Pandemie wieder auf die Beine zu kommen. Denn 2021 beantragt die Kadewe-Gruppe auch noch Corona-Überbrückungshilfen und bekam weitere 52 Millionen Euro. Zuständig in diesem Fall waren die Behörden in Nordrhein-Westfalen, denn das Unternehmen war in Essen registriert.

Für die Vergabe der Corona-Hilfen galt aber ebenfalls, dass das Unternehmen nicht in "Schwierigkeiten" im Sinne der EU-Beihilferichtlinien sein durfte. Das zuständige Wirtschaftsministerium in Düsseldorf teilt dazu mit: "Das antragstellende Unternehmen wurde im Rahmen der Antragsprüfung nicht als Unternehmen in Schwierigkeiten gemäß EU-Definition eingestuft." Auch hier gibt es auf eine Nachfrage zu den Gründen keine Antwort.

Karl-Heinz Wolf, früher Vorstandsmitglied bei der Wirtschaftsprüfergesellschaft „Morison International“ wundert sich über die Entscheidung. "Die Unternehmen mussten doch eigentlich erklären, dass sie durch Corona in die missliche Lage gekommen sind", sagt Wolf. Auch erhat sich die Jahresabschlüsse angesehen und kann sich nicht erklären, wie man in Nordrhein-Westfalen zu der Überzeugung kam, dass die Kadewe-Gruppe damals kein Unternehmen "in Schwierigkeiten" war.

Wolf und Krehl sind sich einig, rein rechtlich hätten die 52 Millionen Euro Corona-Hilfe nicht vergeben werden dürfen. Genauso wenig wie die Bund-Länder-Bürgschaft. "So eine Bürgschaft darf von der öffentlichen Hand nur dann gegeben werden, wenn die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme sehr gering ist", so Krehl. Doch daran gab es schon 2020 ernsthafte Zweifel.

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Gab es eine Patronatserklärung?

Die beiden Wirtschaftsexperten sehen nur eine Möglichkeit, warum es die staatlichen Hilfen trotz der schlechten Wirtschaftszahlen gab: Die Gesellschafter haben seinerzeit versichert, die Kadewe-Gruppe mit weiteren Finanzspritzen zu unterstützen. Das erfolgt in der Regel durch eine sogenannte Patronatserklärung. Doch in den Jahresabschlüssen der Kadewe-Gruppe wird keine derartige Erklärung erwähnt. Ob entsprechende Versicherungen der Gesellschafter im Bürgschaftsvertrag verlangt wurden, will das Bundeswirtschaftsministerium mit dem Verweis auf die Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens nicht sagen.

Die Federführung für die Bürgschaft lag beim Bund. Berlin habe die Entscheidung mitgetragen, erzählt der ehemalige Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz. Die Bürgschaft wurde aber an Bedingungen geknüpft. "Die wichtigste Auflage an die Eigentümer war, dass investiert werden muss, um die Häuser profitabel werden zu lassen", berichtet der SPD-Politiker. Diese Auflagen seien nur teilweise erfüllt worden.

Hätten angesichts der hohen Verluste nicht alle Alarmglocken schrillen müssen? "Sie haben recht, es sah nicht rosig aus", gibt Matthias Kollatz zu. "Aber es war nicht so, dass es ausgeschlossen war, dort auf einen sinnvollen Weg zu kommen. Eine Bürgschaft ist keine Sterbehilfe, sondern eine Bürgschaft ist eine Wette auf eine halbwegs gelingende Zukunft."

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.06.2024, 05:00 Uhr

 

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Beitrag von Ute Barthel

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