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Audio: rbb24 Inforadio | 30.06.2024 | Goligowski, Alexander | Quelle: rbb/Michaela Grimm

Regenerative Landwirtschaft

Landwirt aus dem Fläming hofft auf den "Bauern-Bambi"

Ackerbauer Tino Ryll aus Teltow-Fläming ist mit seiner regenerativen Landwirtschaft als einziger Brandenburger im Finale um den Titel "Landwirt des Jahres 2024". Mit der Methode wird sein Boden gesünder – und bringt als CO2-Speicher zusätzlich Geld. Von Michaela Grimm

Grün - gelb - grün - gelb reihen sich die Halme auf dem Feld von Tino Ryll im Fläming aneinander. Von der goldgelben Gerste stehen nur noch Stoppeln. Sie ist ganz frisch geerntet. Das Gras, das als sogenannte Untersaat absichtlich überall dazwischen wächst und unerwünschtes Unkraut fernhält, kann nun in der prallen Sonne ackern und Photosynthese betreiben. Und das Gras bekommt dabei Gesellschaft: Nur einen Tag nach der Getreideernte wird ein Gemisch aus Felderbsen, Klee, Wicken, Leindotter und anderen Pflanzen - die sogenannte Zwischenfrucht - ausgebracht.

Nach sechs Wochen werden die dann über einen Meter hoch gewachsenen Pflanzen mit selbst hergestellten Fermenten flach in den Boden eingearbeitet – als Gründüngung. Zehn Tage später werden die neuen Getreidesamen gesät. "Es wächst immer was", sagt Tino Ryll. Diese regenerative Landwirtschaft trägt Früchte, wie Ryll am Ertrag sieht - und nicht nur dort: Damit hat er es auch ins Finale um den Titel "Landwirt des Jahres 2024" geschafft.

Quelle: rbb/Michaela Grimm

Stetige Bepflanzung als Nahrung für den Ackerboden

Kern seiner Art der Landwirtschaft ist es, den Boden zu verbessern durch allmählichen Humusaufbau. "Je mehr Wurzelmasse, umso mehr Humus. Und Humussteigerung heißt, das Wasser kann länger gespeichert werden", erklärt Ryll, dessen Ziel es ist, "dass die Pflanze irgendwann alle Nährstoffe aus dem Boden ziehen kann", bestenfalls also sogar ohne Dünger und Schutzmittel auskommt.

Das geht nur mit dem besten Futter, mit abwechslungsreicher Nahrung für seinen Boden und die Würmer, Pilze und Bakterien darin. Die vielfältige und stetige Bepflanzung sorgt dafür. Und sie schützt den sandigen Brandenburger Boden auch besser vorm Austrocknen und vor Erosion. "Schön krümelig, riecht erdig und wie Waldboden", befindet Tino Ryll zufrieden, während er eine Hand voll Erde aus dem Acker zwischen den Fingern verreibt und mit der Nase daran riecht.

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Nur noch halb so viel Dünger nötig

Vor gut zehn Jahren hat sich Tino Ryll zur Bodenfruchtbarkeit weitergebildet und in der Folge experimentiert. Sein Acker ist ein riesiges Versuchsfeld. Die biochemischen Prozesse zwischen den Wurzeln in seinem Acker kennt und erläutert er im Gespräch bis ins kleinste Detail. "Wir sollten vielmehr Entdecker und Forscher sein", sagt er über seinen Berufsstand, in dem früher hauptsächlich oberirdisch auf die angebauten Pflanzen geblickt worden sei, nun aber vermehrt darauf, wie die Böden zusammengesetzt sind und fruchtbarer und resistenter werden.

Seit 2017 wirtschaftet der Vier-Mann-Familienbetrieb von Tino und seinem Bruder Ronny Ryll regenerativ, im Jahr 2021 noch zu fünfzig Prozent, inzwischen zu hundert. Die Hälfte des mineralischen Düngers konnte Ryll nach eigenen Angaben auf seinen Feldern rings um Reinsdorf (Teltow-Fläming) so schon einsparen. 40 bis 80 Kilogramm Dünger bringt er pro Kultur, Hektar und Kalenderjahr noch aus, 170 Kilogramm wären erlaubt. Die Erträge habe er durch den gesunden Boden in den vergangenen Jahren trotz der Trockenheit stabil halten können.

Quelle: rbb/Michaela Grimm

Nominiert für den "Ceres Award"

Mit seinen Methoden hat sich Tino Ryll erfolgreich fürs Finale des "Ceres Award" qualifiziert, einer Auszeichnung der landwirtschaftlichen Publikation "Agrarheute", die seit 2014 jährlich von einer Fachjury die besten "Landwirtinnen und Landwirte des Jahres" küren lässt. Benannt ist der Preis nach Ceres, der römischen Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit. Es gibt sieben Kategorien, drei davon für Tierhalter.

Tino Rylls Mitfinalistinnen und Berufskollegen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kommen im ökologischen Ackerbau ohne Pflug aus, gewinnen Biogas aus der Gülle ihrer Tiere komplett ohne Mais, produzieren energieautark in geschlossenen Kreisläufen, haben ein Trüffel-Imperium aufgebaut oder besonders stark ins Tierwohl investiert.

Der Gesamtsieger erhält laut Deutschem Landwirtschaftsverlag 20.000 Euro Preisgeld "für ein Projekt, das das Ansehen der Landwirtschaft in der Bevölkerung stärkt". Die Sieger der Einzelkategorien erhalten jeweils ein Preisgeld von 1.000 Euro. Ende Oktober werden in Berlin die Gewinner bekanntgegeben. Ryll nennt den "Ceres Award" den "Bambi der Bauern".

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"Wir haben Humus weggezüchtet und züchten den nun zurück"

Prämiert werden Mut, Ideenreichtum und Umweltbewusstsein. Tino Ryll hat viel davon. Das Thema Agroforst steht auf seiner Liste. Oft wird der Agrarwirt in traditionellen Methoden fündig. Die meisten davon seien keine Neuerfindungen, aber aufwändig, brauchen Geduld. Das schreckt nach seiner Einschätzung viele Bauern ab, regenerativ zu arbeiten, vor allem die Älteren, obwohl diese natürliche Klassiker wie Brennnessel-Jauche eigentlich noch von früher kennen, nur eben nicht für komplette Felder. Was Ryll im Fläming macht, geht darüber hinaus.

Eine Schäferin aus der Region hütet dort die Flächen ab. Kot und Urin der Tiere sind zusätzlicher Dünger. Auf seinem Hof setzt der Brandenburger "Kompost-Tee" an, mit dem er seine Felder tränkt und düngt. Den Rasenschnitt vom Gelände kompostiert er dafür ein Jahr lang, dann mischt er ihn mit Wasser und Zuckerrohr-Melasse. Auch Pflanzenkohle stellt der Ackerbauer her. Sie hilft dabei, Kohlenstoff langfristig im Boden zu speichern. "Wir haben uns den Humus weggezüchtet und züchten uns den nun zurück", resümiert Ryll die Entwicklung.

Quelle: rbb/Michaela Grimm

CO2-Zertifikate als Einnahmequelle für den Bauernhof im Fläming

Geld kann der Betrieb damit zusätzlich verdienen – über CO2-Zertifikate. "Ein lukratives Geschäft", sagt Tino Ryll, der darin eine Einkommens-Alternative für seine Branche sieht. Auf die erste Abrechnung wartet er jetzt.

500 Hektar Ackerfläche bewirtschaften die Rylls insgesamt. Darauf bauen sie verschiedene Getreidesorten, Raps, Mohn, Mais, Senf, Linsen, Lein, Sonnenblumen, Zuckerrüben und Hanf an und stellen selber Öle, Essig, Honig, Tee, aber auch Wurst und Fleisch her. Durch diese Vielfalt im Anbau streuen die Bauern ihr Ausfallrisiko. Die Entscheidung, sich nicht als Bio-Bauernhof zertifizieren zu lassen, lässt ihnen zudem die Option offen, zur Not ihren Pflanzen auch chemisch zu helfen. Um den klimatischen Bedingungen zu trotzen und in Zukunft zu bestehen, hält Tino Ryll eine Sache für unabdingbar: "Wir Bauern müssen uns wie die IT weiterentwickeln."

Sendung: Inforadio, 30.06.2024, 18:30 Uhr

Beitrag von Michaela Grimm

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