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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 16.08.2024 | Phillipp Manske | Quelle: Leag

Zukünftiger Cottbuser Ostsee

Strom mit dem Schwimmen

Solarmodule auf Scheunendächern, Balkons oder Feldern sind kein ungewohnter Anblick - schwimmende Photovoltaikanlagen aber schon. Der Energiekonzern Leag baut gerade ein gut 20 Fußballfelder großes Solarfeld aufs Wasser des künftigen Cottbuser Ostsees.

Baden darf man im Cottbuser Ostsee noch nicht, er wird noch geflutet, eine recht voluminöse Schwimmerin allerdings kann man bereits auf dem Wasser sehen: 140.000 Quadratmeter ist die Photovoltaikanlage des Energiekonzerns Leag groß, das entspricht 20 Fußballfeldern, und die Solar-Insel wächst täglich. Wie Puzzleteile werden die schwimmenden Photovoltaikflächen mit Booten zusammengesetzt. Mehr als 50.000 Module werden dafür gebraucht.

Dort, wo einst jahrzehntelang Braunkohle gefördert wurde und jetzt der größte künstliche See Deutschlands entsteht, will die Leag bald Sonnenstrom erzeugen. "Wir schauen immer nach Doppelnutzung, dass Fläche reduziert wird und das haben wir hier mit dem Cottbusser Ostsee gefunden. Wir denken auch über Tagebauseen nach, die hier in der Lausitz befindlich sind. Es hat für uns einen Pilotcharakter, dem vielleicht oder hoffentlich noch weitere Anlagen folgen können", sagt Ralf Schwarz, der Leiter Projektentwicklung Erneuerbare Energien bei der Leag.

Mehr als 50.000 Module - und am Ende im Vergleich zum riesigen Ostsee doch verschwindend klein: Die schwimmende Baustelle. | Quelle: rbb

Strom für den Bedarf einer Kleinstadt

Die schwimmende Photovoltaikanlage, in der Fachsprache "Floating-PV" oder kurz FPV genannt, soll nach Angaben der Leag für mehr als 8.000 Haushalte Strom erzeugen - das entspräche also dem Bedarf einer Kleinstadt. Die Solarzellen auf der ehemaligen Kohlegrube stehen beispielhaft für den grundlegenden Wandel des Energiekonzerns, erklärt der Leag-Vorstandschef Thorsten Kramer am Donnerstag. "Das bestehende Geschäftsmodell, Braunkohle abzubauen und Strom zu erzeugen, wird 2038 auslaufen. Bis dahin müssen wir es geschafft haben, über neue Geschäftsfelder wie Biomasse, PV-Strom, Windstrom, Großbatterien, Elektrolyse, wasserstofffähige Kraftwerke, die Leag so aufzustellen, dass sie weiterhin der zweitgrößte Stromversorger in Deutschland bleibt, aber gleichzeitig auf die Braunkohleverstromung komplett verzichten kann", sagte Kramer.

In den Unternehmensumbau will die Leag nach eigenen Angaben bis 2030 10 Milliarden Euro investieren. Solar und Windparks sollen 7 Gigawatt liefern. Wasserstofffähige Gaskraftwerke 3, und grüner Wasserstoff 0,5 Gigawatt. Rechnerisch könnten so vier Millionen Haushalte mit Strom versorgt werden. Bis 2040 will der Konzern die Leistung aus Erneuerbaren verdoppeln.

Regenreiche Monate

Cottbuser Ostsee bekommt im Sommer erstmals Wasser aus der Spree

Einige Vorteile - aber ökologische Auswirkungen bisher kaum erforscht

Im Vergleich zu Photovoltaik-Anlagen auf dem Land haben schwimmende Anlagen einige Vorteile. Durch die Lage auf dem Wasser werden die Solarmodule natürlich gekühlt. Das führt zu einer höheren Effizienz, da Photovoltaikzellen bei niedrigeren Temperaturen besser arbeiten, was sich in China und Japan gezeigt hat, wo solche Anlagen schon seit längerem genutzt werden [elektronikpraxis.de]. Auch das vom Wasser reflektierte Sonnenlicht kann von den Modulen zusätzlich genutzt werden, was den Ertrag steigert. Auf den Wasserflächen gibt es in der Regel weniger Hindernisse, die Schatten auf die Module werfen könnten, was zu einer konstanteren Leistung führt. Die Abdeckung der Wasseroberfläche durch die Solarmodule kann die Verdunstung reduzieren, was besonders in trockenen Regionen von Vorteil sein kann [ise.fraunhofer.de].

Welche Auswirkungen schwimmende Solaranlagen auf den ökologischen Zustand von Seen haben könnten, ist bisher allerdings kaum erforscht. Laut Bundesamt für Naturschutz gibt es bislang kaum Studien zu dem Thema [bfn.de]. Um die bestehenden Wissenslücken zu schließen, plant das Bundesamt ab diesem Jahr ein Forschungsvorhaben zur Untersuchung der Auswirkungen auf Gewässerqualität sowie Tier- und Pflanzenwelt. Herausfordernd ist der größere Montage- und Serviceaufwand auf dem Wasser. Im Vergleich zu Anlagen auf dem Land sind die Investitionskosten Experten zufolge 10 bis 15 Prozent höher.

Geht auch noch größer: In Indonesien entsteht gerade die künftig erstmal größte schwimmende Anlage der Welt. | Quelle: ZUMA Press Wire

Den Start machten die USA, heute ist China führend

Die erste kommerziell genutzte FPV-Anlage wurde 2008 in Kalifornien in Betrieb genommen. Seitdem entstanden solche Anlagen in vielen weiteren Ländern, beispielsweise der Schweiz, Großbritannien und den Niederlanden. Dort befinden sich einige der größten FPV-Anlagen Europas. China betreibt derzeit die weltweit leistungsstärkste schwimmende Solaranlage mit einer installierten Kapazität von 320 Megawatt auf einer gefluteten Kohlemine [heise.de]. Momentan baut ein chinesischer Betreiber ein weiteres Solarkraftwerk auf dem Gelben Meer - es wäre das bisher größte der Welt und könnte laut der China National Nuclear Corporation den Jahresstrombedarf von 230.000 Menschen decken.

Die erste Anlage in Deutschland wurde 2019 im Ortenaukreis in Baden-Württemberg ans Netz genommen, begleitet von Forschung. Die konnte wenige Jahre später keine negativen Auswirkungen auf die Wasserqualität feststellen [tagesschau.de]. Bundesweit gibt es erst gut zehn FPV-Anlagen, meistens auf Baggerseen, weitere werden gebaut. Konzerne wie Shell und RWE testen die Nutzung der schwimmenden Solarmodule außerdem gerade bei Pilotprojekten in der Nordsee [handelsblatt.de].

Noch fehlen 1,3 Meter Wasserstand: Blick auf den unfertigen Cottbuser Ostsee. | Quelle: dpa

Maximal 15 Prozent der Wasserfläche - und nur auf künstlichen Gewässern

Laut einer aktuellen Studie des Fraunhofer Instituts und RWE hätte Deutschland das Potential, zwischen einer halben und einer dreiviertel Million Haushalte pro Jahr mit dem Strom aus FPV-Anlagen zu versorgen - es wäre also nur ein kleiner Teil des Energiebedarfs. Das Wasserhaushaltsgesetz erlaubt schwimmende Solaranlagen nur auf künstlichen Gewässern, wozu Tagebauseen zählen. Sie dürfen maximal 15 Prozent der Wasserfläche bedecken und müssen einen Mindestabstand von 40 Metern zum Ufer einhalten. Experten aus der Solarbranche kritisieren, dass die strengen Gesetze einen wirtschaftlichen Betrieb kleinerer Anlagen unmöglich machten [wdr.de].

Auf dem Cottbuser Ostsee gibt es genug Platz, groß zu denken. Im Vergleich zur Fläche, die er einmal haben wird, ist die 20 Fußballfelder große schwimmende Photovoltaik-Anlage immer noch winzig: über 19 Quadratkilometer wird sich das Gewässer am nordöstlichen Rand der Stadt erstrecken, wenn das Wasser weiter so hineinläuft wie geplant. Der New Yorker Central Park würde fünfeinhalbmal hineinpassen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 15.08.2024, 19:30 Uhr

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