Landungen nach Mitternacht
In den vergangenen Tagen konnten zwei verspätete Flüge wegen des Nachtflugverbots nicht wie geplant am BER landen, die Piloten steuerten die Maschinen nach Hannover. Seitdem wird diskutiert, ob die Vorgaben zu streng sind. Von Roberto Jurkschat
Lange sieht es am vergangenen Samstag so aus, als könnte es der Eurowings-Flug 5831 doch noch rechtzeitig nach Berlin schaffen. Laut Plan hätte der Airbus um 20.25 Uhr in Alicante abheben sollen, mit Landung um 23:25 Uhr am BER. Doch die Maschine startet erst um 21.33 Uhr - und die Ankunft am BER verschiebt sich Richtung Mitternacht.
Für Landungen verspäteter Flüge ist am Flughafen Berlin Brandenburg ein Zeitfenster von 23:30 und 0:00 Uhr vorgesehen. Danach beginnt das Nachtflugverbot, das lediglich für Regierungsflüge, Militäreinsätze und Rettungsflüge unterbrochen werden darf - nicht aber für Linienflüge.
"Man war zuversichtlich, dass der Flug den BER trotz Verspätung noch vor dem Beginn des Nachtflugverbots erreichen würde", sagt Eurowings-Sprecher Florian Gränzdörffer rbb|24 über den Flug von Alicante.
Als jedoch die Piloten des Flugs 5831 kurz vor der Landung mit der Eurowings-Verkehrszentrale Rücksprache halten, wird klar: Eine Landung wäre frühestens zehn Sekunden nach Ablauf der Landefreigabe möglich. In 84 Metern Höhe startet die Maschine plötzlich durch - und dreht nach Hannover ab. Die 212 Passagiere kommen mitten in der Nacht in der niedersächsischen Landeshauptstadt an, 300 Kilometer westlich von Berlin.
Seit der "Berliner Kurier" über den Vorfall berichtet hat, steht die Frage im Raum, ob eine so strenge Auslegung des Nachtflugverbotes verhältnismäßig ist.
Das Nachtflugverbot wurde erst bei der Planungsfeststellung für den BER ein Teil des Airport-Betriebs. Auf dem früheren Flughafen Schönefeld galten keine Beschränkungen nach Mitternacht, Starts und Landungen waren rund um die Uhr erlaubt. Auch heute ist die Regelung von den einzelnen Airports abhängig. In Köln/Bonn etwa wird rund um die Uhr geflogen, am nahegelegenen Flughafen in Düsseldorf ist Luftverkehr von 0 bis 6 Uhr verboten.
Am BER sind in den Nachtrandzeiten zwischen 5 und 6 Uhr sowie zwischen 23 und 24 Uhr nur eine begrenzte Anzahl von Starts und Landungen erlaubt, von 23:30 Uhr bis 24 Uhr und von 5 Uhr bis 5:30 Uhr dürfen grundsätzlich nur verspätete Flieger starten und landen.
"Hannover und Leipzig werden wegen der relativen Nähe zu Berlin gerne als BER-Ausweichflughäfen angeflogen", sagte Robert Ertler, Sprecher der Deutschen Flugsicherung (DFS) am Freitag rbb|24. Zudem gebe es an den Flughäfen keine Nachtflugverbote. Die Airlines würden ihre Ausweichziele meistens bereits vor einem Flug festlegen. Ob diese Flughäfen dann wirklich angeflogen werden, hänge dann unter anderem von der Wetterlage ab - bei Unwettern kämen auch Landungen an weiter entfernten Airports in Betracht.
Laut Ertler ist die Änderung des Flugziels wegen Verspätungen die Ausnahme - häufiger würden Routen bei Unwetter geändert. Zahlen, wie häufig so etwas vorkomme, habe die DFS nicht.
"An den meisten Flughäfen in Deutschland gibt es Beschwerden von Anwohnern, wenn Airlines gegen solche Regeln verstoßen, das ist in Berlin-Brandenburg nicht anders", sagt Ertler. Das Nachtflugverbot am BER wurde zum Schutz vor nächtlichem Fluglärm bereits vor 20 Jahren festgeschrieben.
Laut Luftverkehrsgesetz können Verstöße mit Bußgeldern bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Selbst bei minimalen Verspätungen sei das der Fall. "Ich kann verstehen, dass die Flugumleitungen wegen minimalen Verspätungen ärgerlich sind für alle Beteiligten. Aber irgendwo muss man ja eine Grenze ziehen." Erlter betont allerdings auch: Aufgabe der Deutschen Flugsicherung sei es zwar, zeitlich begrenzte Freigaben für Starts und Landung zu erteilen - ob die Airlines sich daran halten, sei eine andere Sache.
Eurowings-Sprecher Gränzdörffer betont gegenüber rbb|24: "Eine Landung nach Eintreten des Nachflugverbots war keine Option." Als klar gewesen sei, dass der Flug das Limit überschreiten würde, "wurde die Entscheidung getroffen, nach Hannover auszuweichen".
Laut Eurowings ist eine Ausweichlandung grundsätzlich nicht ungewöhnlich. Solche Fälle ließen sich gerade in der Hochreisezeit nie ausschließen. "Es ist natürlich für uns als Airline unser oberstes Ziel, ein solches Ausweichen zur vermeiden und die Passagiere auch bei Verzögerungen (sei es infolge Wetter, Flugsicherung, Beladung etc.) zu ihrem Zielflughafen zu befördern", erklärt Gränzdörffer.
Die Frage der Verhältnismäßigkeit oder eine andere Abwägung stelle sich für Eurowings aber nicht, "da das Nachflugverbot am BER eine vom Gesetzgeber beschlossene Reglung ist, die eingehalten werden muss". Über mögliche Änderungen habe die Politik zu entscheiden.
In der Nacht von Montag auf Dienstag kam es bei Eurowings dann erneut zu einer Flugumleitung: Eine Maschine hob verspätet vom Flughafen Heraklion auf der griechischen Insel Kreta ab, eine Landung in Berlin vor 0 Uhr konnte relativ früh ausgeschlossen werden - die Maschine landete in Hannover.
In der Regel steht Flugreisenden bei Verspätungen ab drei Stunden eine finanzielle Entschädigung von bis zu 600 Euro zu [EU-Verordnung 261/2004], wenn die Airlines für die Verspätungen verantwortlich sind. Eurowings hat Passagiere darauf hingewiesen, über ein Kontaktformular ihre Ansprüche zur Prüfung einreichen zu können.
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Beitrag von Roberto Jurkschat
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