Kann moderne Plattenbauweise die Wohnungsnot lindern?
Serielles Bauen – einst berüchtigt, heute im Aufwind. Die moderne Plattenbauweise feiert ein kleines Comeback und könnte zur Lösung der Wohnungsnot beitragen. Welche Vorteile bieten diese neuen Baukonzepte - und wo ist Vorsicht geboten? Von Jonas Waack
Am Sterndamm in Johannisthal versteckt sich hinter zwei Altbauten möglicherweise ein Weg aus der Wohnungsnot: Hier wurden 2022 insgesamt 66 neue Wohnungen vermietet. Dafür wurden in rund 16 Monaten zwei neue Mehrfamilienhäuser gebaut, aber nicht wie üblich von Grund auf vor Ort. Stattdessen hat das Bauunternehmen Wände, Decken und ganze Badezimmer in der Fabrik gefertigt, zur Baustelle gefahren und dort montiert. Diese Bauweise hat verschiedene Namen: Modulares Bauen, Serielles Bauen, Typenbau. Oder früher: Plattenbau.
Das moderne modulare Bauen soll anders sein, als der klassische Plattenbau - und mehr Vielfalt in der Ausführung zeigen. Die dreigeschossigen Mehrfamilienhäuser in Berlin-Köpenick unterscheiden sich zwar nicht besonders voneinander, aber sie fallen auch nicht negativ auf zwischen den hübschen Altbauten um sie herum.
Unternehmen, die modular bauen, betonen immer wieder, dass sie keine Einheitsware produzieren, sondern die Häuser je nach Standort und Umgebung anpassen können. Auch Jörg Lippert sagt, "wir wollen keine Platte 4.0 haben. Die Gestaltung der neuen Objekte hat eine ganz andere Qualität als in der Vergangenheit." Lippert ist Technischer Leiter des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. Eigentlich, sagt er, spreche überhaupt nichts gegen Modulares Bauen.
Modulares Bauen ist preiswerter und schneller
Die Bestandteile des Hauses werden bei der modularen Fertigung in der Fabrik hergestellt. Je nach Bauweise liefern Lastwagen Wände und Decken, ganze Räume oder noch größere Bestandteile auf die Baustelle. All das inklusive Elektrik und Rohren, sodass die Teile einfach zusammengesetzt werden können, wie bei einem Lego-Set. Der große Vorteil: Weil die Bauteile in Serie gefertigt werden, ist die Bauzeit Jörg Lippert zufolge etwa sechs Monate kürzer als der klassische Massivbau auf der Baustelle.
Dazu kommt, ebenfalls wegen der Serienfertigung, ein Preisvorteil. Das liegt nicht nur an der schnelleren Fertigstellung – sechs Monate kürzere Bauzeit bedeutet eben auch, dass die Arbeitskosten sinken. Der Bauherr muss darüber hinaus weniger Angst haben, dass etwas Unvorhergesehenes passiert. Die Gebäude an sich sind schließlich fast fertig, bevor sie überhaupt auf der Baustelle ankommen. "Das muss dann aber auch in die individuelle Situation passen", sagt Lippert. Schließlich seien die Bedingungen auf der Baustelle immer anders: "Da muss man meistens noch Anpassungen vornehmen. Das heißt, der Grundpreis ist zwar günstiger, manchmal kann der Preis aber auch steigen."
In Serie fertigen und dadurch Preise und Bauzeiten drücken – wie man in vielen Plattenbauvierteln in Berlin und Brandenburg sieht, ist das keine neue Idee. Dass sie jetzt wiederentdeckt wird, liege an den wirtschaftlichen Umständen, sagt Jörg Lippert: "Aufgrund der aktuellen Situation – hohe Bauzinsen, hohe Baustoffpreise, Fachkräftemangel –, ist natürlich immer die Frage: Welche Alternativen habe ich? Deswegen wird das modulare Bauen jetzt viel intensiver angewendet als noch vor wenigen Jahren."
Wohneinheit am Sterndamm | Quelle: GOLDBECK GmbH
Modulares Bauen allein wird nicht die Wohnungsnot beheben
Christine Lemaitre, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, warnt jedoch davor, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Modulares Bauen habe zwar viele Vorteile, "das Problem ist aber, dass man vorgegebene Geometrien, vorgegeben Formen hat". Dabei solle man sich viel häufiger fragen, wie groß man überhaupt bauen muss, weil durch die festgelegten Formen vielleicht mehr Fläche als nötig versiegelt werde. "Es muss darum gehen, dass man gute Häuser baut: dass es eine menschenzentrierte Architektur ist und dass nicht alles gleich aussieht."
Das Bundesbauministerium fördert das modulare Bauen mit einem Rahmenvertrag, der eine vereinfachte Ausschreibung für Bauprojekte ermöglicht. Das soll seinen Teil dazu beitragen, jährlich die 400.000 Wohnungen zu bauen, die Ministerin Klara Geywitz (SPD) als Ziel ausgegeben hat – 2023 waren es weniger als 300.000.
Jörg Lippert glaubt nicht, dass Modulares Bauen allein den Wohnungsmangel beheben wird, aber es könne helfen: '"Durch das günstigere Bauen könnte man auch die Mietenentwicklung bremsen." Die Mieten seien aber nur teilweise von den Bau- und Produktionskosten bestimmt, sagt Lippert. "Grundstückskosten sind auch eine wichtige Komponente: Ist es zwingenderweise ein sehr teures Grundstück, weil es in einer Metropolregion wie Berlin liegt? Dann ist natürlich die Kombination aus Grundstückspreis, Baupreis und Herstellungspreis entscheidend für die Miete."
Die Wohnungen am Sterndamm sind jedenfalls alle belegt. Und fragt man ein paar der Bewohnerinnen und Bewohner, ob sie das Gefühl haben, in einem Plattenbau zu leben, sind sie sich einig: ganz und gar nicht.