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rbb Story: "Die Bodenretter - Ackern mit Zukunft"

"Wenn wir alles so weitermachen, gehen wir den Bach runter!"

Dürre, Starkregen und Hitzestress setzen den Böden zu, die wertvolle Humusschicht wird immer dünner. Gerade in Brandenburg spüren Landwirte das auf ihren sandigen Äckern deutlich. Einer von ihnen geht neue Wege, um den Boden zu retten. Von Stefanie Otto

Mark Dümichen ist Landwirt mit Leidenschaft. Die 360 Hektar Ackerland seiner Familie bewirtschaftet der 50-Jährige eigentlich allein. Doch sein Vater hilft noch immer mit. Rings um den alten Hof im kleinen Ort Lichterfelde (Gemeinde Niederer Fläming) liegen die Äcker, auf denen er Getreide, Raps, Mais und andere Feldfrüchte anbaut.

Ende Mai standen sein Weizen und seine Gerste sehr gut da. Der Landwirt sah aber, dass sie unter der Trockenheit litten. Da hatte es im Fläming vier Wochen nicht geregnet. "Wir haben oft viel Wind. Wasser geht hier ständig flöten", sagt Dümichen.

In Zukunft werden lange Trockenphasen und Hitzestress durch die Erderwärmung hier weiter zunehmen. Auch deshalb hofft Dümichen, dass all seine Bemühungen für den Boden auch den Pflanzen helfen, länger durchzuhalten.

Die Bodenretter. Ackern mit Zukunft

Lange Zeit führte der Boden ein Schattendasein. Dabei beheimatet die fruchtbare Schicht unter unseren Füßen mehr Lebewesen, als wir uns vorstellen können. Doch die wertvolle Humusschicht wird seit Jahren dünner. Gerade Landwirte in Brandenburg spüren das auf ihren sandigen Äckern deutlich. Viele von ihnen gehen neue Wege, um den Boden zu retten und ihre Äcker zukunftsfähig zu machen.

Sandstürme und Agrarwüsten

Noch deutlicher wird das auf der Fahrt durch einen Nachbarort. Dort sät ein Landwirt an einem heißen Nachmittag auf einem riesigen Acker an der Landstraße Mais aus. Dabei wird der gräulich braune Sandboden aufgewirbelt und vom Wind weggeweht. Dümichen ist nicht überrascht, der Anblick tut ihm aber in der Seele weh: "Die Böden sind am Ende. Man sieht Staubstürme, Sandstürme, immer wieder. Und das kommt im Jahr jetzt nicht einmal, sondern schon fünf Mal vor. Und früher ist es in zehn Jahren einmal vorgekommen."

Um zu sehen, was Mark Dümichen anders macht als viele andere Landwirte, führt er uns zu einem Feld, das er erst vor kurzem neu bestellt hat. Dort sind erst kleine grüne Blättchen des Ölrettichs am Boden zu sehen. Dümichen nutzt sie als Bodenverbesserer, denn die Pflanze bildet lange Pfahlwurzeln, die die Erde auflockern. Bis der Ölrettich groß ist, dauert es aber noch ein paar Wochen.

Etwas anderes fällt jedoch viel mehr ins Auge: Auf dem Feld liegen überall vertrocknete Pflanzenreste, Stoppeln und gehäckseltes Stroh. "Diese Erntereste bedecken den Boden und wirken wie ein Sonnenschirm. Bei Sonne sind da sonst bis zu 60 Grad. Und wenn ich hier kratze, kommt unter der Bodenauflage sofort feuchter Boden. Das hilft uns enorm", erklärt Dümichen, der den Boden nach der Ernte absichtlich nicht bearbeitet hat.

Doch die Pflanzenreste bringen noch mehr: Futter für Regenwürmer und andere Bodenlebewesen bis hin zu Mikroorganismen. Die will der Landwirt unterstützen. Denn sie bilden durch ihre Ausscheidungen fruchtbaren Humus, der wiederum auch mehr Wasser und Nährstoffe für die Pflanzen speichert.

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Statt Pflügen und Grubbern wird der Boden in Ruhe gelassen

In den letzten 20 Jahren hat Mark Dümichen seinen Betrieb immer mehr auf nachhaltig umgestellt. Die Motivation dafür waren anfangs vor allem wirtschaftliche Gründe, erzählt Dümichen. "Mein Vater hat damals gesagt: Wir kommen so nicht weiter, wir ernten zu wenig für das, was wir eigentlich an Arbeit und Kosten reinstecken. Es wurde immer gepflügt, es wurde immer Stoppelumbruch gemacht, immer wieder Erde nach oben geholt. Es war immer Staub da. Da haben wir gesagt, wir wandeln das um, wir lassen das komplette Umpflügen weg."

Seither hat Mark Dümichen viel ausprobiert, zum Beispiel schonendere Bodenbearbeitung mit dem Grubber. Dabei wird der Boden nicht mehr 30 Zentimeter tief umgegraben, sondern nur wenige Zentimeter tief gelockert. Doch das brachte auf Dümichens Feldern keine Verbesserung.

Er studierte Bücher über den Boden, besuchte Bodenkurse und lernte sogar das Mikroskopieren, um zu erfahren, was in seinen Böden alles lebt. Selbst nach Brasilien ist er gereist, um zu sehen, wie dort angebaut wird. Dabei lernte er die Direktsaat kennen und stieg sofort darauf um. Eine Methode, bei der der Boden nach der Ernte nicht bearbeitet wird.

Gelenkter Kompost und Pflanzentee für mehr Leben im Acker

Mit einer speziellen Saatmaschine wird die Oberfläche nur messerschmal aufgeschlitzt und direkt zwischen die Stoppeln gesät. So kann der Landwirt das Bodenleben schonen. Zudem wird der Acker durch seltenere Fahrten mit schweren Maschinen weniger verdichtet. Im Vergleich zu früher spart Dümichen etwa die Hälfte des Diesels ein.

Auch chemischen Dünger und Pflanzenschutzmittel braucht er kaum noch, seitdem er das Bodenleben machen lässt. Die Arbeit der Bodenbewohner macht er sich auch beim Kompost zunutze. Seit ein paar Jahren stellt er selbst große Mengen Komposterde her. Dazu nutzt er pflanzliche Reste, die auf dem Hof anfallen. Aus Stroh, Gras, Blättern, Holz gemischt mit etwas Lehm wird hier binnen 6 Wochen fertige Humuserde. Das sei aber kein gewöhnlicher Kompost wie aus dem Baumarkt, erklärt Dümichen: "Dieser Kompost hier ist ein gelenkter Kompost, das heißt, die Verrottung wird gelenkt, indem ich jeden Tag wende, indem ich jeden Tag Wasser zugebe und somit die Temperaturen runterkühle."

Der Kompost ist ein erster Schritt – reicht aber nicht für alle Flächen. Mark Dümichen hat aber einen Weg gefunden, die Bodenhelfer zu vermehren. Die Methode heißt: Kompost-Tee. In einer Art Teebeutel lässt er den Kompost 1-2 Tage im warmen Wassern ziehen. Dazu hat er sich auf seinem Hof ein großes Fass aufgebaut, in das 6.000 Liter Wasser passen. Dazu kommen noch ein Becher Honig und Steinmehl. Klingt ungewöhnlich, riecht nach Malzbier und Kräutertee. Und den Mikroben scheint’s zu schmecken. "Man sieht nicht richtig, was es bringt. Aber ich weiß, dass es was bringt, weil die Pflanzen alle ganz, ganz gesund sind."

Bis zu drei Mal in der Saison bringt er den eigenen Aufguss auf seinen Feldern aus. Heute will er ein Maisfeld damit behandeln. Da hatte ein Hagelschauer vor kurzem die jungen Blätter durchlöchert. Gesprüht wird nur in der Dämmerung oder nachts, damit die lichtscheuen Bakterien nicht gleich durch zu viel Sonne zerstört werden.

"Da entsteht eine richtige Energie, die wir vorher nicht da hatten. Und zwar nur aus lebenden Organismen. Und die Pflanze nutzt das extrem und macht damit weiter, was sie gerade gemacht hat, auch in schlechten Zeiten", schwärmt Dümichen.

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Mehr Humus im Boden und stabilere Ernten

Vor der Umstellung hatten seine Böden nur etwa ein Prozent Humus. Heute sind es zwei Prozent. Für die mageren Sandböden Brandenburgs ist das schon eine deutliche Steigerung. Die Ernteerträge sind stabiler als früher und Dümichen hat deutlich weniger Kosten. "Jetzt gibt uns der Boden das wieder zurück, was wir jetzt jahrelang in den Boden reingesteckt haben. Und das merken wir jetzt. Weil in trockenen Jahren ernten wir trotzdem. Und in ganz trockenen Jahren ernten wir immer noch. Und da ist nichts mehr weg oder kaputt."

Mittlerweile entdecken immer mehr Landwirte das Bodenleben als ihre Lebensversicherung. Dümichen ist als einer der Pioniere gut vernetzt in der Direktsaat-Szene. Er fährt auf Konferenzen, hält Vorträge und gibt Führungen in seinem Betrieb. Er wünscht sich, dass noch mehr Landwirte den Mut finden, ihre Betriebe umzustellen auf Direktsaat, möglichst immer grüne Felder und Bodenaufbau. Für ihn gehört all das zusammen.

Sendung: "rbb Story: Die Bodenretter - Ackern mit Zukunft", 02.10.2024 im rbb

Beitrag von Stefanie Otto

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