Bundesnetzagentur gibt grünes Licht
Deutschland will ein mehr als 9.000 Kilometer langes Netzwerk an Wasserstoffleitungen aufbauen. Damit sollen künftig auch mehrere Heizkraftwerke in Berlin versorgt werden. Dafür sollen bestehende Gasleitungen umgerüstet werden.
Mehr als 50 Kilometer des Berliner Gasverteilnetzes sollen Teil des bundesweiten Kernnetzes werden, durch das künftig Wasserstoff fließen soll. Das teilten der Energieversorger Gasag und die Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB) am Dienstag gemeinsam mit.
Demnach soll eine Leitung im Osten der Stadt und eine im Westen künftig Teil der künftigen "Wasserstoff-Autobahn" sein. Bereits im Sommer seien die betreffenden Abschnitte auf ihre Eignung geprüft worden, hieß es. Es seien ausschließlich Leitungen ausgewählt worden, die künftig ohnehin nicht mehr für die Gasversorgung notwendig seien, hieß es.
Über die Leitungen sollen mehrere Heizkraftwerke, die aktuell noch mit Gas versorgt werden, an das bundesweite Netz angeschlossen werden. "Mit deren Umstellung könnte etwa ein Fünftel der Berliner Wohngebäude, die über einen Fernwärme-Anschluss verfügen, vom Einsatz des CO₂-freien Wasserstoffs profitieren", hieß es.
Zuvor hatte die Bundesnetzagentur am Dienstag grünes Licht für den Bau wichtiger Wasserstoff-Leitungen in ganz Deutschland gegeben. Bundesenergieminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) teilte bei einer Pressekonferenz in Berlin mit: "Heute ist das Wasserstoffkernnetz entschieden. Es ist noch nicht fertig - aber es wird jetzt gebaut werden."
Von der Idee bis zur Genehmigung seien gerade einmal zweieinhalb Jahre vergangen. Das sei "rekordverdächtig", so Habeck. Der Bau solle sukzessive beginnen, Teilstrecken sollten bereits vor dem Zieljahr 2032 fertigt werden.
Mit einer Gesamtstrecke von 9.040 Kilometern wird das Netz allerdings deutlich kleiner als zunächst angenommen. Mehr als 600 Kilometer strich die Bundesnetzagentur aus dem ursprünglichen Plan heraus. Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller begründete das mit dem Abbau von "Redundanzen" und Anbindungsleitungen, die nicht im Kernnetz gebraucht würden. Habeck betonte, dass kein Bundesland ohne Anschluss bleibe und es sich um einen "atmenden Prozess" handele.
60 Prozent des Gesamtnetzes sollen durch die Umwidmung bestehender Erdgasleitungen entstehen. Müller betonte, dass die Versorgung mit Erdgas trotzdem gewährleistet bleibe: "Wir bauen auch zusätzliche Erdgasleitungen, um genau den Aspekt der Versorgungssicherheit im Erdgas, den wir noch eine ganze Weile brauchen, zu ermöglichen."
Allein das werde zwei Milliarden Euro kosten. Die Gesamtkosten in Höhe von 19,8 Milliarden Euro soll die Privatwirtschaft tragen - mit staatlicher Unterstützung über die Deckelung von Netzentgelten.
Das Projekt hat eine große Bedeutung für die Energieversorgung in Deutschland. Auf Wasserstoff ruhen große Hoffnungen als klimafreundlicher Alternative zu fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas. Das Wasserstoffkernnetz soll die wichtigsten Leitungen der künftigen Wasserstofftransport- und -importinfrastruktur umfassen.
Habeck verglich das Projekt mit den Autobahnen im Straßennetz. Nach Angaben der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber soll das Netz jährlich bis zu 278 Terawattstunden an Energie in Form von Wasserstoff transportieren können. Das entspreche einem Drittel des heutigen Erdgasverbrauchs, betonte der stellvertretende Vorsitzende der Vereinigung, Ralph Bahke.
Verbände wie die Deutsche Energie-Agentur (Dena) begrüßten die Genehmigung als "richtungsweisend". Der Verband kommunaler Unternehmen gab zu bedenken, dass das Kernnetz allein nicht ausreichen werde, um viele Unternehmen aus Industrie und Mittelstand anzuschließen, die künftig auch auf gasförmige Energieträger angewiesen sein würden.
Dafür brauche es dringend Verteilnetze, erklärte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Auch fehlten den Verteilnetzbetreibern bislang die rechtlichen Grundlagen zur Umrüstung bisheriger Netze auf grüne Gase.
Die Union kritisierte, dass südliche Regionen wie große Teile Baden-Württembergs und Bayerns laut den Plänen vorerst nicht ans Kernnetz angeschlossen werden sollen. CDU-Energiepolitiker Andreas Jung beklagte eine "Nord-Süd-Schieflage" und sprach von einem "Tiefschlag gegen den Süden", der so nicht hingenommen werden könne. "Weite Teile Baden-Württembergs werden schlicht abgehängt."
Habeck erklärte, dass hier wirtschaftliche Erwägungen und die Effizienz des Netzes eine Rolle gespielt hätten. Ihm persönlich sei es wichtig gewesen, dass zunächst einmal alle Bundesländer angeschlossen seien. Alles Andere sei "nicht in Stein gemeißelt", betonte er.
Sendung: rbb Antenne Brandenburg, 22.10.2024, 19:00 Uhr
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