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Quelle: dpa/Christian Ditsch

Ende nicht absehbar

Wasserstoff-Tankstellen leiden seit Wochen unter Lieferproblemen

Seit einem Zwischenfall in Leuna Ende August kann von dort kein Wasserstoff geliefert werden. Pkw-Zapfsäulen in Berlin und Brandenburg werden notversorgt, manche sind dauerhaft leer. Wann das Problem gelöst sein wird, ist offen. Von Oliver Noffke

Nach sechs Wochen konnte Wolfgang Paasch am Donnerstag zum ersten Mal wieder sein Auto volltanken. So lange gab es in Potsdam keinen Wasserstoff für Pkw. "Ich habe seit dem 10. September fast jeden Tag drei, vier Mal geschaut, ob es wieder etwas gibt. Aber da war nichts zu machen", so der Rentner gegenüber rbb|24. "Ich bin 71 Jahre und kann nicht viel laufen. Auf das Auto bin ich angewiesen für Einkäufe oder Besuche im Pflegeheim. Und bei der Kälte muss Fahrradfahren wirklich nicht sein."

Wer wie Paasch ein Auto mit Wasserstoffantrieb besitzt, hat seit Wochen damit zu kämpfen, eine funktionierende Zapfsäule zu finden. Nach einem Unfall auf dem Gelände eines Chemieparks in Leuna Ende August bestehen Lieferprobleme. Berlin und Brandenburg sind besonders stark betroffen. Wasserstofftankstellen in der Region werden hauptsächlich aus der Stadt in Sachsen-Anhalt beliefert.

Wann der Mangel beseitigt sein wird, ist laut dem Berliner Unternehmen H2 Mobility nicht absehbar. "Wir haben es geschafft, für die aktuelle Situation eine Notversorgung aufzubauen", so Pressesprecherin Daniela Dietz auf Anfrage von rbb|24.

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Meterhohe Flamme über dem Tankwagen

H2 Mobility betreibt die Zapfsäulen an sechs der sieben Tankstellen, die in Berlin und Brandenburg Wasserstoff für Pkw anbieten. Bei allen handelt es sich um Kooperationen mit Total oder Shell. Die Energieriesen sind allerdings weder in die Belieferung noch in die Abrechnung eingebunden. Dem Nachschubmangel entgegenwirken können sie nicht. Sie stellen lediglich ihre Standorte für die Säulen von H2 Mobility zur Verfügung.

In den vergangenen Tagen konnte immerhin wieder an drei oder vier Tankstellen in der Region Wasserstoff angeboten werden. Doch auch dort muss weiterhin mit Engpässen gerechnet werden. Mancherorts sind die Tanks hingegen seit Wochen leer. Aktuell würden vor allem Tankstellen beliefert, die eine höhere Kundenfrequenz hätten, so Dietz.

Ursache für den Engpass ist eine Verpuffung an einem Lkw-Anhänger am 26. August. Offenbar gab es eine undichte Stelle an einem Tankwagen, der auf dem Gelände des Gasherstellers Linde geparkt war. Anfang September berichtete die "Leipziger Volkszeitung", dass Linde Fremdeinwirkung als Ursache ausschließe. An dem Tag des Unfalls habe es außerdem keine besonderen Vorkommnisse gegeben.

Auf der Videoplattform x.com existiert ein kurzer Videoclip von dem Feuerwehreinsatz im Chemiepark Leuna. Darauf ist zu sehen, wie eine meterhohe Gasflamme über einem Tank flackert und dichter, schwarzer Rauch aufsteigt.

Wieso es zu dem Zwischenfall kam, wird offenbar nach wie vor untersucht. Anfragen von rbb|24 an die Firma Linde blieben unbeantwortet. An der Ursachensuche ist auch die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (Bam) beteiligt. Aus diesem Grund könne man aktuell keine Fragen beantworten, hieß es.

Linde hatte nach dem Vorfall alle baugleichen Anhänger vorübergehend stillgelegt. Das Unternehmen könnte offenbar weiterhin Wasserstoff in Leuna produzieren, hat aber momentan anscheinend keine Möglichkeit auszuliefern. Betroffen sind auch andere Wasserstoffproduzenten, wenn sie Anhänger des selben Typs nutzen.

Quelle: dpa/Jan Woitas

Schwierige Suche nach neuen Lieferanten

"Das ist tatsächlich ein riesiges Problem für uns", so Dietz vom Tanksäulenbetreiber H2 Mobility. "Wir haben uns bemüht, andere Anbieter als Lieferanten zu gewinnen. Was aber gar nicht so einfach ist. Der Markt ist sehr klein. Viele Wasserstoffhersteller haben langfristige Lieferverträge mit ihren Kunden und begrenzte Produktionskapazitäten."

Die Senatsverwaltung für Verkehr teilte mit, man stehe mit H2 Mobility im Austausch. Aber: "Zum heutigen Zeitpunkt ist noch nicht absehbar, wann die vollständige Versorgung wieder erreicht ist."

Dietz empfiehlt Besitzer:innen von Pkw mit Brennstoffzelle regelmäßig die App des Unternehmens zu checken. Dort kann eingesehen werden, ob an einer Säule Wasserstoff gezapft werden kann oder nicht und wann das zuletzt geschehen ist. Alle Wasserstoff-Tankstellen in Europa werden dort abgebildet - auch wenn sie nicht von H2 Mobility betrieben werden.

Das Unternehmen wurde 2015 gegründet und mit öffentlichen Mitteln gefördert, um eine Infrastruktur für Wasserstoffautos aufzubauen. 2022 stieg der Investmentfonds Hy24 ein. Seitdem arbeitet H2 Mobility rein privatwirtschaftlich und setzt zunehmend auf die Versorgung von Nutzfahrzeugen. Dort gebe es aktuell keine Lieferprobleme, so Dietz.

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Enttäuscht über die Versorgungsprobleme

Zu H2 Mobility gehören vier Tankstellen in Berlin, eine in Potsdam, eine in Neuruppin. Zudem betreibt die Firma Teal eine Wasserstoff-Tankstelle in der Nähe des Flughafens BER. An zwei Tankstellen in Prenzlau und Senftenberg können bislang nur Nutzfahrzeuge betankt werden, Säulen für Pkw sind dort in Planung.

Mit Wasserstoff betriebene Pkw sind nach wie vor eine absolute Seltenheit auf den Straßen. Laut dem Kraftfahrtbundesamt waren am 1. Juli 2024 bundesweit rund 2.070 Autos mit Brennstoffzelle gemeldet. Doch die Technik gilt als Hoffnungsträger, mit dem die Energiewende im Verkehr gelingen soll. Weg von Benzin, Diesel oder Erdgas, hin zu – idealerweise – grünem Wasserstoff. Also solchem, der mit Hilfe von erneuerbaren Energien hergestellt wird.

Wolfgang Paasch, Besitzer eines Pkw mit Brennstoffzelle aus Potsdam, ist enttäuscht über die anhaltenden Nachschubprobleme. "Ich fahre seit März mit Wasserstoff." Er habe einen Antrieb gewollt, der möglichst klimaschonend sei. "Probleme gab es bisher nie." Doch dass es sechs Wochen lang keinen Wasserstoff zu tanken gab, sei eine teure Herausforderung gewesen. "Ein anderes Auto habe ich nicht. Deswegen musste ich 700 Euro in einen Mietwagen investieren." Paasch fügt hinzu: "Wenn man so umweltfreundlich fahren soll? Na, Dankeschön."

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Beitrag von Oliver Noffke

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