Start der Investorensuche
Mit einem Wettbewerbsverfahren will der Senat einen Investor finden, der im ICC wieder das Licht anknipst. Zum Start des Konzeptverfahrens gab es viel Lobhuddelei auf das Gebäude - aber auch die Erkenntnis, dass es nicht schnell gehen wird. Von S. Schöbel
Unter dem "Gehirn" sah die Zukunft des ICCs schon an diesem Montag rosig aus: Die gewaltige Rundplastik, in der die mehrfarbigen Neonröhren des Wegeleitsystems zusammelaufen, stand die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) und versprach einen "Meilenstein, eine große, wichtige Weichenstellung für diesen ganz besonderen Ort".
Wenige Stunden zuvor war die Ausschreibung für das Konzeptverfahren gestartet, mit dem Giffey und die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) einen Investor für das gigantische Ex-Kongresszentrum finden wollen. Und zwar weltweit: "Wir wollen, dass die besten Ideen, die tragfähigsten Konzepte, die das Potenzial haben, dieses einzigartige Bauwerk wieder zu beleben, auch hier tatsächlich eingereicht werden."
Giffey hat sogar einen eigenen "ICC-Botschafter" ernannt, der die Investorensuche für das Gebäude weltweit bewerben soll: ihren Amtsvorgänger Stephan Schwarz. Der sei natürlich ehrenamtlich tätig, fügte Giffey schnell hinzu.
Nur mit ein paar Flyern und ein paar freundlichen Worten muss er freilich nicht agieren, denn professionelles Werbematerial gibt es genug. Es wurden schnell geschnittene Videos produziert, die das ICC zu stampfende Beats als Kongress-Kathedrale des Futurismus präsentieren, die "die Welt inspiriert". Extra für VR-Brillen wurde ein virtueller Rundgang zusammengestellt, und Europas einst innovativstes Kongresszentrum hat nun auch eine eigene Webseite. Immer dabei: eine gehörige Prise Berlin-Patriotismus.
Dass unter der Haube dieses "Meisterwerks der internationalen High-Tech-Architektur" dann doch der Lack ganz schön ab ist, zeigt ein Blick in das aktuelle Gutachtender BIM zur Schadstoffbelastung. Zwar gebe es "keine Schadstoffe, die ausgebaut werden müssen", jedenfalls nicht, wenn man alles so belassen würde. Aber weil "sämtliche technischen Anlagen erneuert werden müssen", sind teils massive Eingriffe in das Gebäude notwendig - und dann stehe fest, dass "Schadstoffsanierungen durchgeführt werden müssen".
Schon das Rausreißen einer einzelnen Leitung kann im ICC also böse Überraschungen mitbringen. "Asbest", zählt BIM-Geschäftsführer Matthias Hardinghaus zögerlich auf, "aber auch noch vieles andere mehr". Was genau das ist, verrät er auf Nachfrage nicht.
Finanziell beteiligen, wie ursprünglich einmal geplant, wird sich das Land Berlin nun nicht mehr. Wer auch immer den Zuschlag erhält, trägt das Risiko allein. Wohl auch das ein Grund, warum das ICC ein unfassbares Schnäppchen ist, zumindest laut offiziellem Verkehrswert: 1 Euro.
Das aber ist nicht der Kaufpreis, denn vergeben wird das ICC nur in Erbbaupacht für 99 Jahre. Der Verkehrswert ist aber Grundlage für die Berechnung der Pacht, die der künftige Investor pro Jahr an das Land zahlen wird zahlen müssen. Und hier wird das ICC sicher keine Cashcow für die öffentliche Kasse.
Dafür mit seinen hoffentlich zahlreichen neuen Gewerben: Denn aus dem ICC soll "ein multifunktionaler Ort für Kunst, Kultur, Kreativwirtschaft, Innovation und Kongresse" werden. Man habe das absichtlich offen formuliert, so Giffey, um ein möglichst vielfältiges Angebot zu bekommen. Die Wettbewerbsunterlagen machen zahlreiche Anregungen: Ausstellungen, Bibliothek, Projekträume, Produktionsstudios für diverse Medien, Co-Working, Seminare, Designstudios, Forschung und Entwicklung.
Dass dafür das ICC-Innenleben teils drastisch verändert werden müsste, räumt Berlins oberster Denkmalschützer Christoph Rauhut, der ebenfalls zum Start des Konzeptverfahrens, auch ein. Er sei für vieles offen, so der Landeskonservator, spricht von "Veränderungen, die in diesem Gebäude stattfinden müssen, damit man es betreiben kann", und sagt sogar, dass man in der Ikone ICC sogar noch "vieles verbessern kann".
Dennoch bleiben Zweifel, ob das in diesem sehr speziellen Gebäude gelingen kann. Weswegen der Senat sein Angebot an ICC-Abenteurer nochmal verbessert hat: Neben dem Gebäude selbst wird auch der Parkplatz auf der gegenüberliegenden Seite des Haupteingangs an der Neuen Kantstraße angeboten. Hier ist unter anderem ein neues Gebäude mit bis zu 80 Metern Höhe genehmigungsfähig.
An dieser Stelle sah auch das Originalkonzept des ICC ein Gebäude vor, das aber nie errichtet wurde. Möglich wären also ein Hotel, Büro oder Eventflächen, mit denen der Betrieb des ICC querfinanziert werden könnte. Allerdings liegt der Verkehrswert des ziemlich schmucklosen Parkplatz bei 28 Millionen Euro - zumindest hier darf Berlin also eine erkleckliche Pacht erwarten.
Auch das Parkhaus am südlichen Ende des ICC darf umgebaut oder gar abgerissen werden. Hier gilt allerdings die Beschränkung: Was auch immer an dessen Stelle gebaut wird, darf maximal so hoch werden wie das ICC. Diese Einschränkung hat das Baukollegium Berlins vorgegeben.
Die abgegebenen Konzepte sollen bis März 2026 analysiert und gegebenenfalls nachgebessert werden. Danach folgt bis Juni 2026 die Zeit für konkrete Angebote. Im Dezember 2026 schließlich soll das ICC einem Investor übergeben werden.
Frühestens 2027 könnte also gebaut werden. Ob die LkW dann auch den Weg zur Anschrift Messedamm 11 finden, ist allerdings unklar: Irgendwann in den kommenden Jahren verwandelt sich nämlich das Autobahndreieck Funkturm in eine gigantische Baustelle. "Das kommt irgendwann", räumt Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt ein, aber "frühestens Anfang der 30er Jahre".
Den ICC-Enthusiasten und vor allem dem möglichen künftigen Investor ist zu wünschen, dass sie damit richtig liegt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.11.2024, 16 Uhr
Beitrag von Sebastian Schöbel
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