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Nach Ampel-Bruch
Seit über 100 Jahren wird in der Lausitz Strom erzeugt, traditionell aus Braunkohle. Damit ist spätestens 2038 Schluss. Energieregion will die Lausitz aber bleiben, künftig auf Wasserstoff-Basis. Doch der Bundes-Ampel-Crash bremst diese Entwicklung. Von Andreas Rausch
Ein "Green Powerhouse" will der Energiekonzern Leag nach eigenen Angaben werden. Mit Photovoltaik und Windkraftanlagen auf altem Kippengelände. Für das Kohleunternehmen ein kompletter Richtungswechsel - mit gigantischen Ausmaßen.
Zehn Milliarden Euro will die Leag bis 2030 in den Umbau investieren und damit ein intelligent steuerbares System aus grüner Stromerzeugung, Speicherung und wasserstofffähigen Gaskraftwerken errichten. Etwa sieben Gigawatt Grünstrom sollen so in schon sechs Jahren in der Lausitz erzeugt werden, das ist mehr als die bisherigen Kohlekraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe (beide Spree-Neiße) zusammen schaffen.
Doch der Umbau stockt. Der Grund liegt in fehlenden gesetzlichen Vorgaben. Seit zwei Jahren wartet die Branche auf eine verbindliche Strategie des Bundes für die Transformation von kohlebasierter auf wasserstofffähige Stromerzeugung. Das sogenannte Kraftwerksicherheitsgesetz steckte noch in der Vorbereitungsphase, als die Ampelregierung auseinanderbrach.
"Die Lage ist sehr angespannt", beschreibt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Leag, Uwe Teubner, die Stimmung unter gut 7.000 Bergleuten in der Lausitz. "Wir wissen nicht, ob wir unsere Vorhaben noch so umsetzen können." Dabei sei ihnen der Strukturwandel versprochen worden, so Teubner. "Aber wenn es an die Umsetzung geht, kommt nichts."
Dabei hat der klimafreundliche Umbau der deutschen Energiewirtschaft unter der Ampel Fahrt aufgenommen. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung steigt stetig [tagesschau.de]. Das Problem dabei bleibt die sogenannte Grundlast, also das Absichern einer stabilen Stromversorgung auch für die Zeit, in denen sich kein Windrad dreht oder keine Photovoltaikanlage Strom liefert. Das übernehmen nach dem Ausstieg aus der Atomenergie vor allem Kohlekraftwerke. Deren Zeit ist gezählt, bis 2038 ist Schluss damit, die schrittweise Abschaltung hat längst begonnen.
Aber solange es keine industriefähigen Großspeicher und kein intelligentes Leitungssystem gibt, braucht es dafür Ersatz. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte den Bau von Gaskraftwerken forciert, die zunächst mit konventionellem Erdgas, später mit grünem Wasserstoff gespeist werden - damit Deutschland sein Ziel, 2045 klimaneutral zu werden, erreichen und trotzdem versorgungssicher sein kann. Gaskraftwerke sind schneller regelbar und können damit flexibler als Kohlekraftwerke auf wechselnde Wetterbedingungen reagieren. Außerdem fällt, zumindest wenn nur die reine Verbrennung des Gases betrachtet wird, weniger CO2 an als bei der Kohleverstromung.
Der Weg von Kohle zu Gas ist in einer Kraftwerkstrategie beschrieben. Die sah bislang einen Neubau von Gaskapazität eher im industriestarken Südwesten Deutschlands vor, schon da fühlte sich die Lausitz mit ihren Plänen benachteiligt. Nun wurde kein Gesetz mehr daraus, das Problem aber bleibt. Ohne Gesetz wird kein Kraftwerk gebaut - und für die Leag drängt die Zeit.
Das Kohlekraftwerk Jänschwalde wird planmäßig 2028 abgeschaltet, ein vorgesehener Neubau am gleichen Standort dauert drei bis vier Jahre. Mit Anbietern ist man längst intensiv in Gesprächen, eigentlich sollte es ab Januar 2025 in konkrete Auftragsgespräche gehen. Das liegt nun auf Eis. Intern rechnet die Leag mit einem Zeitverzug von mindestens einem Jahr, bevor sich eine neue Bundesregierung weiter mit dem Thema beschäftigen wird.
Anfang November hatte die CDU/CSU ihre energiepolitische Agenda beschlossen. In aktuellen Wahlumfragen liegt sie konstant weit vor allen anderen Parteien. In dem Papier bekennt die Partei sich zu den Klimaschutzzielen, will diese aber auf anderen Wegen erreichen. So wird nicht nur mehr Technologieoffenheit in Aussicht gestellt, inklusive einer Prüfung, auch Kernkraft wieder eine Rolle zuzuweisen. Auch steht eindeutig im Konzept, dass die CDU/CSU im Sinne der Versorgungssicherheit kein weiteres Kohlekraftwerk abstellen will, bevor nicht ein Ersatzkraftwerk auf Gasbasis errichtet ist. Wird also eine Verlängerung der Betriebszeit für den Dinosaurier in Jänschwalde wahrscheinlich?
Ein weiteres Problem hemmt den Umbau der Energieregion Lausitz. Noch vor dem Ampel-Aus war der Beschluss über den Bau eines Wasserstoff-Kernnetzes in Kraft getreten, eine quasi Wasserstoffautobahn über 9.040 Kilometern Länge soll das Land perspektivisch mit dem grünen Energieträger versorgen. Eine Lebensader für industrielle Investitionen, nicht nur Gaskraftwerke. In Ostdeutschland ist die "Ontras" der Gasnetzbetreiber und entsprechend Vorhabensträger für Neubau.
Nur wird in den konkreten Bauplänen eine für die Lausitz-Pläne wesentliche Trasse nicht berücksichtigt, also erstmal nicht gebaut. Daran hängen sowohl das Stahlwerk von Arcelor Mittal in Eisenhüttenstadt, das sich einem grünen Umbau verschreiben will, als auch die Leag-Standorte Jänschwalde und Schwarze Pumpe.
"Das sind Projekte, die Stand heute vom Investor noch nicht so attraktiv eingestuft werden, dafür zu investieren", erklärte Ontras-Sprecher Ralf Borschinsky. Kurz gesagt, es gibt für einen teuren Leitungsneubau keine Abnahmegarantien für das Gas. Das Henne-Ei-Prinzip. Jetzt, so Borschinsky, kommees auf ein konzertiertes gemeinsames Vorgehen in den betroffenen Gebieten an, um die Dringlichkeit eines Anschlusses zu verdeutlichen.
Das Wasserstoffnetzwerk Lausitz indes warnt bereits vor einer Strukturwandel-Bremse, falls die Ost-Süd-Leitung nicht realisiert wird. "Wir haben zwölf weitere industrielle Investoren, die auf diese Pipeline warten", so Netzwerksprecher Sprecher Jens Krause. "Die schauen ziemlich verwundert darauf, was uns hier präsentiert wurde." Dabei gehe es um Produzenten etwa für grünes Kerosin. Laut Krause warten Investoren nicht gern lange. "Sie suchen sich den Standort, der für ihre Investition am besten passt.“ Und das wäre dann eben nicht mehr die Lausitz.
Solange es kein Kraftwerksicherheitsgesetz gibt, gibt es auch keine Grundlage für den Neubau von Gaskraftwerken in der Lausitz. Solange es keine konkreten Kraftwerkskapazitäten gibt, fehlt die Abnahmegarantie, die es für Investitionen in die dringend notwendige Gasleitung braucht. Und kommt diese Leitung nicht, springen womöglich weitere industrielle Interessenten ab, die den Strukturwandel in der Lausitz befördern könnten.
Rechtlich kann die Bundesnetzagentur zumindest beim Leitungsbau im zweiten Schritt einen Vorhabensträger für die Ost-Süd-Leitung benennen, der dann verpflichtet wird, diese zu realisieren. Darauf ruhen die Hoffnungen in der Region. Was den Neubau von Gaskraftwerken angeht, will die Lausitz bis zur Bundestagswahl lautstark auf ihr Problem aufmerksam machen. "Die Aufforderung an eine neue Regierung ist ganz klar: Was politisch zugesichert wurde, muss auch eingehalten werden", so Leag-Betriebsrat Teubner.
Sendung: Antenne Brandenburg, 18.11.2024, 9:30 Uhr
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