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Rangierbahnhof in Seddin
Der Rangierbahnhof in Seddin ist im Schienengüterverkehr das Drehkreuz des Ostens. Vor Ort werden seit 100 Jahren Waggons sortiert und in alle Himmelsrichtungen verteilt. Von Jacqueline Piwon und Philipp Rother
Um 14 Uhr beginnt für Janin Bleß die Schicht. Die 33-Jährige ist Rangierlokführerin in Seddin (Potsdam-Mittelmark). Sie ist in der Pferdewirtschaft groß geworden, die Ausbildung zur Rangierlokführerin hatte sie 2023 erfolgreich abgeschlossen. In den kommenden Stunden wird sie auf den Gleisen des Bahnhofs sehr viele Waggons bewegen, ihr Arbeitsmittel ist eine tonnenschwere Diesellok.
Deutschlandweit gibt es nur neun Rangierbahnhöfe der DB Cargo AG. Sie dienen dazu, Güterzüge aufzulösen, Waggons nach Zielorten zu sortieren und neue Züge zusammenzustellen. Der fünf Kilometer lange und 200 Meter breite Bahnhof in Seddin nimmt in diesem Geflecht eine zentrale Rolle ein. Er ist der bedeutendste Güterrangierbahnhof in Ostdeutschland. Denn in Seddin wird nach Angaben der Bahn der gesamte Güterverkehr für die Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern abgewickelt. Es starten Züge in alle Himmelsrichtungen.
Ganz in ihrer orangenen Warnweste gekleidet, läuft Bleß über die Gleise und steigt in eine Rangierlok. "Wir fahren jetzt zum Gleis 246, praktisch an das Ende des Zuges, der dort eingefahren ist, und da werden wir uns dann anhängen", berichtet sie ruhig. Es warten zehn Waggons, ganz sanft dockt Bleß an. Bevor es weitergeht, muss sie noch die Bremsen der Wagen lösen. Danach schiebt sie langsam den sogenannten Ostberg hoch. "Es ist viel Konzentration und natürlich auch viel Gefühl für das Fahrzeug nötig", beschreibt Bleß: "Man muss sich schon arg überlegen, wie weit man Leistung aufschaltet und beschleunigt."
Seddin ist nicht nur für den Schienengüterverkehr in Deutschland wichtig. Der südlich von Potsdam gelegene Bahnhof dient auch als "Drehscheibe im europäischen Verkehrsnetzwerk von und nach Skandinavien und Osteuropa." Transportiert werden ganz unterschiedliche Güter: "Wir haben hier sehr viele verschiedene Waren, beispielsweise Stahl aus Stahlwerken und Stahlschrott, Autotransporte, Gefahrgüter, die dann aus der Chemieproduktion kommen, wir haben aber auch Bautransporte", erläuterte DB-Sprecherin Carolin Kallenbach. Aber auch Mineralöl, Metall, Erz, Steine, Holz, und Konsumgüter in Containern wie Waschmaschinen und Kaffee werden in Seddin umgeschlagen.
Auf dem Ostberg warten an den Gleisen zwei Kollegen auf Bleß und die zehn Waggons. Mit langen Metallstangen trennen sie nun die einzelnen Wagen voneinander. Den Berg hinunterrollen die Wagen auf eines der 28 Richtungsgleise selbstständig. Von Tal- und Richtungsgleis-Bremsen werden sie an der richtigen Position gestoppt. Alle Waggons, die in die gleiche Richtung müssen, werden so gebündelt und zu neuen Zügen zusammengestellt. Teils sind sie 600 Meter lang. Seit 100 Jahren wird so in Seddin rangiert. Hier merken sie auch, wenn es der Wirtschaft nicht so gut geht. Zeitverzögert kommen dann weniger Waren an.
In Seddin sind etwa 300 Mitarbeitende beschäftigt. 80 bis 100 von ihnen fertigen rund um die Uhr Züge und Waggons ab. Pro Tag schaffen die Angestellten etwa 45 Züge und 1.000 Waggons. Es wird an sieben Tagen in der Woche im Dreischichtsystem gearbeitet. Viel Arbeit ist abends und nachts, der Grund ist klar: "Güterzüge werden tagsüber durch den Personenverkehr ausgebremst", erklärt Bleß.
Ein Güterzug ersetzt laut Bahn bis zu 52 Lkw und verursacht gegenüber dem Straßentransport rund 80 Prozent weniger C02. Der gesamte Einzelwagenverkehr auf der Schiene ersetzt demnach pro Tag 40.000 Lkw-Fahrten. Ein Teil des Verkehrs bzw. der Ware wird in Seddin koordiniert.
Bleß nimmt derweil schon die nächsten Waggons ins Visier - fünf Stunden sind es noch bis zum Feierabend. Mittlerweile hat leichter Schneeregen eingesetzt. Vorsichtig geht die 33-Jährige zurück zur Lok, schaut sich zuvor gründlich um, denn auf dem Gelände in Seddin haben die Züge Vorfahrt. Auch deshalb sind Warnwesten und festes Schuhwerk Pflicht.
Sendung: Antenne Brandenburg, 22.11.2024, 14:40 Uhr
Beitrag von Jacqueline Piwon und Philipp Rother
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