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Energetische Modernisierung in Berlin
500.000 Wohnungen in Berlin müssen in den kommenden zehn Jahren energetisch saniert werden. Ein Förderprogramm sollte Anreize schaffen. Doch nicht mal ein Viertel der bereitgestellten 147 Millionen Euro wird genutzt. Von Ute Barthel und Jana Göbel
Jarmila Dürholt ist klar: So eine günstige Wohnung wird sie in der Kastanienallee im Prenzlauer Berg nie wieder finden. In der Gegend werden sonst Mieten um die 15 Euro aufgerufen. Doch sie und ihre Nachbarn zahlen im Schnitt sagenhafte 4,50 Euro kalt je Quadratmeter - allerdings mit Ofenheizung und Außenklo. Durch die Fenster zieht es und die Fassade bröckelt, hier muss dringend etwas passieren.
Das Haus gehört der "Selbstbau-Genossenschaft", die es nach dem Tod der Eigentümerin gekauft hat und jetzt endlich sanieren und energetisch modernisieren will: neue Fassade, neue Bäder, Erdwärme, Solardach. Jarmila Dürholt würde für diesen neuen Komfort dann 7,20 Euro pro Quadratmeter kalt zahlen - und zwar freiwillig. Das betont sie extra, denn diese Miete sei immer noch fantastisch. "Bauen kostet Geld, sanieren kostet Geld", so ihre Begründung, "wir wollen, dass die Genossenschaft die Sanierung durchführen kann."
Damit die Miete in stark sanierungsbedürftigen Häusern bezahlbar bleibt, gibt es das Berliner Förderprogramm "Soziale Wohnraummodernisierung 2023", kurz "SWM 2023". 73,4 Millionen Euro stellt das Land seit 2023 dafür jährlich zur Verfügung.
Hinter dem spröden Namen verbirgt sich folgende Idee: Die Immobilieneigentümer bekommen bis zu 650 Euro pro Quadratmeter zur energetischen Modernisierung dazu, dafür erhält das Land eine 15-jährige Sozialbindung für die Wohnungen und die Mietsteigerung wird begrenzt.
Eigentlich eine Win-Win-Win Situation für Mieter, Land und Umwelt. Doch leider nicht für Eigentümer, sagt David Robotham von der "Selbstbau"-Genossenschaft. "Wir wollen als Genossenschaft ja gar keinen Gewinn machen. Aber so wie das Programm jetzt gestrickt ist, machen wir auf Jahre Verluste." Denn in dem Haus in der Kastanienallee dürften die Mieten nach der Sanierung auf maximal 6 Euro steigen - das gibt das Förderprogramm vor. Zu wenig für die Genossenschaft, um die Modernisierung zu refinanzieren.
Der Branchenverband Berlin Brandenburgische Wohnungsunternehmen (BBU) kritisiert das Programm SWM 2023 auch deshalb. Es sei nicht praxisgerecht und in der derzeitigen Form "nicht sinnvoll". Die Mietpreisbindung, schreibt der BBU auf eine rbb-Anfrage, würden die Modernisierungsbemühungen teilweise sogar konterkarieren, weil weniger modernisiert wird. Hinzu käme ein viel zu hoher Verwaltungsaufwand.
Entsprechend zurückhaltend bleiben Wohnungseigentümer bei der Nutzung des Förderprogramms. Von 147 Millionen Euro Fördermitteln wurden seit Anfang 2023 nur ein Viertel beansprucht, teilt die Senatsbauverwaltung auf Anfrage mit. Genossenschaften wie die "Selbstbau" sowie landeseigene und private Bauunternehmer beschreiben gegenüber dem rbb das immer gleiche Problem: Angesichts der gestiegenen Baukosten würden die vorgeschriebenen gedeckelten Mieten nicht ausreichen, um die Sanierung zu finanzieren. Die Fördersummen würden dieses Defizit auch nicht annähernd ausgleichen.
rbb24 Recherche hat bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gefragt, wer das Förderprogramm nutzt. Nur die Gewobag schreibt, dass sie mit den Zuschüssen 484 Wohnungen saniert. Sie weist aber auch darauf hin, dass das Berliner Förderprogramm "nicht auskömmlich" sei. Nur in der Kombination mit anderen Förderbausteinen sei bei den Sanierungsprojekten eine ausgeglichene Bilanz zu erwarten - aber erst in 20 Jahren.
Private Wohnungsunternehmen meiden das Förderprogramm komplett. Bauunternehmer Marcus Becker von der Firma KondorWessels modernisiert ein Haus im Auftrag eines Eigentümers in Charlottenburg - ohne Zuschüsse aus dem Förderprogramm SWM 2023. 48 Seniorenwohnungen werden trotzdem energetisch erneuert, weitere 90 zusätzlich neu gebaut. Nur über die höheren Mieten für die Neubauwohnungen rechne sich das Ganze, erklärt Becker. Denn die Kosten für die Sanierung könnten nicht komplett auf die bestehenden Mietene umgelegt werden. Doch diese Investitionskosten müssten irgendwann wieder reinkommen, meint der Bauunternehmer. Mit einer zu starken Deckelung der Mieten ginge das nicht.
Aber wenn Förderprogramme "falsch aufgestellt" seien, so Marcus Becker, würden sie eben kaum in Anspruch genommen - mit Folgen: "Wir haben einen Riesenbedarf an energetischer Sanierung, aber momentan wird kaum saniert."
Das Förderprogramm SWM läuft noch bis Ende 2025. Bausenator Christian Gaebler (SPD) erklärt, es werde überprüft und überarbeitet, sofern Rückmeldungen aus der Wohnungswirtschaft dies erforderlich machten. "Wir werden uns jetzt noch ein bisschen angucken, wie die Nachfrage ist. Und sicherlich Anfang nächsten Jahres überlegen, ob wir nachsteuern und ob wir andere Schwerpunkte setzen", sagt er im Interview mit dem rbb.
Zu der Kritik der Wohnungsunternehmen, die Sanierung lohne sich wegen der vorgegebenen Mietdeckelung letztlich nicht, erwidert der Senator "Es wird nicht funktionieren, dass wir ein Rundum-Sorglos-Paket für Immobilieneigentümer schnüren." Die Eigentümer dürften nicht vergessen, dass durch die Sanierung der Wert der Wohnungen steige.
500.000 Wohnungen müssen in den kommenden zehn Jahren in Berlin auf einen neuen energetischen Standard gebracht werden. Doch 2023 wurden nur Zuschüsse für 848 Wohnungen bewilligt. 2024 sind Anträge für 185 Wohnungen gestellt worden, bewilligt sei noch keiner, teilt die Senatsbauverwaltung mit. Bis jetzt wurden 100 Millionen Euro Fördermittel noch nicht genutzt.
Wenn in dem alten Mietshaus in der Kastanienallee die Kohleöfen durch Geothermie und Solarstrom ersetzt werden, reduziert sich der C02-Verbrauch massiv - um 95 Prozent. "Das ist da Bestmögliche, was man aktuell hinkriegt in der CO2-Einsparung und in der Energieeinsparung für die Menschen”, sagt David Robotham von der "Selbstbau"-Genossenschaft. Doch momentan ist nicht klar, ob sie in das Förderprogramm passen.
Die Genossenschaft hat alles versucht, um die Sanierung zu realisieren, hat die gesamte Förderlandschaft durchforstet und einen Kredit aufgenommen. Die Mieter haben Genossenschaftsanteile eingezahlt und sich zu moderaten Mietsteigerungen bereit erklärt. Doch wenn das Programm die Mieterhöhung auf 7,20 Euro pro Quadratmeter nicht zulässt, bleibe das Vorhaben unbezahlbar, sagt Jarmila Dürholt. "Das ist unser Zuhause. Und wenn wir das nicht hinbekommen, dieses Haus sozial nachhaltig instand zu setzen und zu modernisieren, können wir hier nicht wohnen bleiben."
Sendung: rbb24 Abendschau, 14.11.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Ute Barthel und Jana Göbel, rbb24 Recherche
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