Wintermärkte statt Weihnachtszauber - Weg von Santa, hin zum Snow

Do 21.11.24 | 06:20 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
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Archivbild:Riesenrad auf dem Weihnachtsmarkt 'Lichtenberger Winterzeit' an der Landsberger Allee im Berliner Bezirk Lichtenberg am 03.11.2024.(Quelle:picture alliance/Geisler-Fotopress/T.Bartilla)
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Lieder, Glühwein, Karussell: Zwischen Ewigkeitssonntag und Heiligabend öffnen alljährlich die Weihnachtsmärkte. Doch statt als "Weihnachtsmarkt" im Advent wollen einige als "Wintermärkte" länger öffnen. Von Stefan Ruwoldt

Nicht neu, aber anders: Neben den "Weihnachtsmärkten" in Berlin etablieren sich immer mehr "Wintermärkte".

Die Zeit nach den Oktoberrummel-Vergnügungen besetzen seit einigen Jahren neue Veranstalter. Sie wollen als frühe Vögel den Zech- und Schlender-Wurm fangen, der bisher erst im Advent wieder zum Vorschein gekommen war. So gibt es - in diesem Jahr nicht zum ersten Mal - eine Karussellsause an der Landsberger Allee (die "Lichtenberger Winterzeit") und die "Winterwelt am Potsdamer Platz" schon seit Anfang November. Dann sind da auch noch das "gemütlich-schrägste Winteruniversum der Stadt" auf dem Holzmarkt, der Markt auf dem RAW-Gelände und die LGBTQIA-Winterdays am Nollendorfplatz in Schöneberg. Santa braucht hier keiner mehr als Maskottchen.

Weihnachtsmarkt ist mehr als eine Rummelsause

Santa zieht nicht mehr? Der Geschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg (HBB), Phillip Haverkamp, widerspricht. "Weihnachten ist mehr, als dass man einfach nur 300 Euro auf dem Rummel ausgibt. Es ist Glühwein. Es sind die Kinder. Und für die meisten sind es auch die Lichter", sagt er. Haverkamp spricht als Handelsexperte und er sagt: "Man stürzt sich für das Fest ins Shopping. Für Weihnachten eben. Das ist das Erlebnis."

Die Weihnachtsmärkte abzuschreiben wäre vorschnell, meint der Experte. Ganz einfach, weil eben "Santa" sehr wohl noch ein marktwirtschaftliches Zugpferd sei. Das Entscheidende sei, dass "die Kinder aufgeregt sind", so Haverkamp. Vorfreude auf Weihnachten schaffe man nicht Anfang November.

"Wir schätzen, dass es über 60 Märkte in Berlin sind, die in der Vorweihnachtszeit öffnen", sagt der Handelsexperte. Nur eine Handvoll in Berlin starte dabei schon Anfang oder Mitte November. Genaue Zahlen für Berlin und Brandenburg lägen dem Verband allerdings nicht vor.

Das Ritual bleibe grundsätzlich gleich, lautet Haverkamps Einschätzung: "Die Weihnachtsmarktzeit startet in den meisten Fällen nach dem Ewigkeitssonntag und endet zum Heiligabend." Ewigkeitssonntag, auch Totensonntag genannt, ist immer der Sonntag vor dem ersten Advent.

Haverkamp verweist auf eine Art Konsum- und Feier-Ritual. Natürlich gingen die Umsätze schon vorher nach oben, auch die des stationären Handels; doch die Weihnachtsstimmung und die Einkaufslaune habe ihre Hauptzeit Anfang Dezember. "Es gibt natürlich auch Leute, die im August ihre Weihnachtsgeschenke kaufen, aber dafür muss dann noch keiner seine Schaufenster weihnachtlich schmücken oder einen Tannenbaum aufstellen."

Seit Corona ist die Geschäftsstimmung wie eine Herz-Rhythmus-Störung: auf und ab und kaum vorhersehbar.

Phillip Haverkamp, Geschäftsführer des Handesverbands Berlin-Brandenburg

Handel, Kirche und Politik geben gemeinsam den Startschuss

Kirchen und die Politik sieht Haferkamp auf seiner Seite, wenn es darum geht, den ritualisierten Saisonstart nach dem Ewigkeitssonntag beizubehalten. Auch in diesem Jahr startet die Eröffnung mit einem Treffen der Vertreter von Handel, Senat und Kirche am 25. November auf dem Bebelplatz, also in der Woche vor dem ersten Advent, wie der HBB-Geschäftsführer ankündigt.

Traditionell Schluss ist für die Weihnachtsmärkte am Heiligen Abend. Händler und Karussellbesitzer setzen sich dann mit ihren Einnahmen ebenfalls an den Baum und zählen - kurz darauf wird dann immer eine Statistik veröffentlicht. Auf etwa 1,3 Prozent Netto-Wachstum schätzt Haverkamp das Umsatzpotential für den Handel im Weihnachtsgeschäft in der Region in diesem Jahr. Inflationsbereinigt liege man dann etwa im Jahresvergleich bei "plusminus Null".

Vorsichtig optimistisch sei er mit der Prognose seines Verbands für dieses Jahr, sagt Haverkamp. Wenn diese 1,3-Prozent-Nettowachstum-Vorhersage eintreffe, könne der Handel zufrieden sein: "Seit Corona ist die Geschäftsstimmung wie eine Herz-Rhythmus-Störung: auf und ab und kaum vorhersehbar. Pandemie, Krieg, wirtschaftliche Flaute, Hamas-Angriff auf Israel und nun die Trump-Wahl und die Regierungskrise in Deutschland - viele Gründe für Vorsicht und Unsicherheit, und es wird gerade nicht ruhiger."

Nach dem 25. lockt die Hybrid-Variante

Doch einige Marktbetreiber werfen die bisherige Öffnungs- und Schließroutine der Weihnachtsfeierei über Bord - und viele der Märkte nach neuem Konzept öffnen bis nach Weihnachten.

Auf der einen Seite hat das familiär-soziale Gründe: Unterm Weihnachtsbaum wächst das Schlechte-Laune-Potential. Schon am 25. Dezember, wenn die Mülltonnen von bunten Schleifen und Packpapier überquellen, haben viele Menschen die Besinnung satt und suchen Zerstreuung. Und sie sind offenbar bereit, neu Geld auszugeben.

Für Veranstalter und Flächenverpächter kann es sich lohnen, dass die Märkte länger laufen. Mehr Zeit für Einnahmen und die Vermieter der Flächen - also die Stadt Berlin, die Bezirke oder die Brandenburger Städte und Gemeinden - erhalten höhere Einnahmen.

Die zu Heiligabend noch fehlenden Umsatzprozente beim Geschäft können so an den Zusatztagen vielleicht noch aufgeholt werden. Eigentlich ein guter Grund, um in den Nach-Feiertagen Chris Rea dann doch noch einmal aufzulegen. Oder der einzige Grund.

Beitrag von Stefan Ruwoldt

73 Kommentare

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  1. 73.

    Es gibt auch leider nur WeinachtMärke die nur von Freitag-Sonntag Öffnen sprich nur 3.Tage das ist doch ein Witz oder ?
    Sprich Treptow-Köpenick an der Schloss Insel der macht nur drei Tage auf das lohnt sich doch garnicht .
    Mit freundlichen Grüßen
    René Dobkowicz

  2. 72.

    Ich verabscheue Rote Bete. Deshalb soll niemand mehr Rote Bete essen.
    So kommt mir "Weihnachten? Mir egal" vor. Wer nicht will, klinkt sich aus. Radio und Fernsehen für die Nachrichten, ansonsten gibt es Mediatheken und Musikkonserven. Auf Weihnachtsmärkte muss niemand gehen, auch Essen und Getränke auf den Weihnachtsmärkten sind absolut freiwillig. Mir ist das zu viel Trubel. Na und? Geh ich nicht hin. Aber es laufen ja reichlich Leute dort rum, die sich da gern amüsieren dürfen.
    Geschenkestress? Warum nicht verabreden, dass man sich nichts oder nur eine Kleinigkeit schenkt? Bei uns gibt es zu Weihnachten Geschenke nur für die Kinder, aber wir treffen uns in Familie und verbringen Zeit miteinander. Wir genießen es, dass alle ausgeschlafen sind und niemand gleich wieder losmuss.
    Wenn Leute zum Lachen in den Keller gehen, dürfen sie das gern tun. Aber bitte nicht beschweren, wenn andere nicht mit den Keller kommen, sondern dort lachen und Spaß haben, wo sie wollen.

  3. 71.

    Ganz echt
    "Schokoladenweihnachtsmänner in Jahresendfiguren umbenannt wurden bzw. werden sollten"
    habe ich in meinen 25 DDR-Jahren ein- bis zweimal als eindeutig zu erkennenden Scherz gehört, sonst nicht.

  4. 69.

    Jeder gestaltet sich diese Tage nach eigenem Ermessen. Niemand muss auf den Weihnachtsmarkt oder Wintermarkt, niemand muss Geschenke kaufen, niemand muss einen Baum aufstellen, niemand muss Lichterketten aufhängen oder Stolle backen. Aber, wer es will, der darf und wenn es ihm Freude macht, dann ist es doch gelungen, für ihn in seiner Welt und wenn der andere Weihnachten nicht mag, dann ist es so und er ignoriert diese Tage einfach. Aber für mich sind diese Tage einfach schön und friedlich und mir persönlich geht das Herz weit auf und ich frage mich warum und dann fällt es mir wieder ein, es ist das Fest der Liebe, der wesentliche Kern dieser Zeit besteht aus Frieden und Liebe. Wer hat denn Angst vor Tagen der Friedfertigkeit und Liebe? Man wird gütiger, spendet mehr, ist offener für jedermanns Sorgen, Weihnachten verzaubert uns ein kleines bisschen und wir werden wieder zu großen kleinen Kinder. Solange das so ist, mach ich mir keine Sorgen.

  5. 68.

    Nicht ganz richtig, nicht die Weihnachtsmänner waren gemeint, sondern die Engel. Diese wurden als "Jahresendflügelfigur" umgetauft.

  6. 67.

    Solch eine Assoziation ist halt nicht schlau. Können Sie das irgendwie erläutern? Klingt nämlich erstmal ziemlich absurd...

  7. 66.

    Ich hab gar nichts gegen ein Liseberg in Berlin. Ich würde da nur nicht hingehen genau wie in meiner Heimatstadt Gbg eben auch nicht. Ja es ist da voll, aber glauben Sie mir: wenn man die versammelten Kreuzfahrttouristen sowie deutsche und niederländischeTouristen rausnimmt,dann ist dort gähnende Leere. Die Göteborger lieben die Schären und die Küste. Wenn es sich für Investoren lohnen würde, gäbe es das längst in Berlin.

  8. 65.

    Nö, bis Heiligabend, es sind Märkte bis zur Weihnacht um eben für diese etwas vorher zu kaufen. Wintermärkte sind da was anderes.

  9. 64.

    Erstens heißt es natürlich Christkönigs-Sonntag. Und zum anderen beginnt Heiligabend gerade mal die Weihnachtszeit, die Märkte sollten mindestens bis heilige drei Könige auf haben!

  10. 63.

    Ich fürchte, Sie irren sich. Ich bin der totale Grinch. Wenn man kleinere Kinder hat, ist das was anderes, die wollen Weihnachten. Ich habe keinen Bock auf abfallende Fichtennadeln. Der letzte Baum, den ich hatte, verströmte einen "echt tollen" Duft, nicht gerade nach Weihnachtsbaum, sondern nach Katzenpisse. Das hat mich voll gegrincht, seitdem ist Schluss mit lustig. Gibt nach dem Essen 'nen Waldspaziergang und dann eine Feier mit Familie, am anderen Tag mit Freunden. An Heiligabend laden wir alleinlebende Nachbarn ein zu Kartoffelsalat und Würstchen, spielen Karten und quatschen. Wer sich Stress macht, ist selber schuld. Man muss Weihnachten nicht mögen, um sich mit Menschen zu umgeben, die man mag. Es ist aber eine gute Zeit, um Kontakte zu pflegen, das geht auch ohne Kommerz. Es gibt Menschen, die 5 Schwibbögen ins Fenster stellen und damit ihre Einsamkeit beleuchten. Das ist traurig. Dagegen helfen Würstchen und Gesellschaft gut, auch ohne Weihnachtslieder.

  11. 62.

    Die Überschrift erinnerte mich sofort an DDR-Zeiten, als Schokoladenweihnachtsmänner in Jahresendfiguren umbenannt wurden bzw. werden sollten.

  12. 61.

    Wie wär's mit einem Koks-Taxi-Drive-in-Markt, vielleicht billiger als Glühwein. Und dieser Markt wäre dann auch schneesicher. Sorry, aber leider fällt mir nix lächerlicheres ein, die Liste der Absurditäten ist schon lang genug.

  13. 59.

    Was haben Sie gegen einen Liseberg in Berlin ?? Die Göteborger lieben diesen Park und letztes Jahr war er proppe voll. Der Eintritt ist mit 595 SEK inkusive Fahrgeschäfte preiswerter als der Heidepark mit 64 Euro. Und die restlichen schwedischen Preise haben wir hier ja jetzt auch.
    Ich kann Looping fahren bis der Arzt kommt....was für ein Spaß:-)
    Oder Kopenhagen mit seinem Tivoli...so etwas geht bei uns leider gar nicht. Schade.

  14. 58.

    Hallo rbb, wie haltet ihr den überwiegenden Schwachsinn der Kommentare bloß aus. Werdet ihr Seelsorgerisch betreut oder nehmt ihr was?
    Mitfühlend D.Weber

  15. 57.

    Da steckt doch nicht etwas Kulturellzurückdrängendes dahinter?

  16. 56.

    Weihnachtsmärkte haben zumeist den Charakter eines Rummels. Die Mischung und die Anpassung zum Anlass macht es aus. Ich trauere der DDR keineswegs nach und bin auch nicht vergrämt. Ich stehe mitten im Leben. Nur vergleichen wird ja in der sogenannten Demokratie erlaubt sein. Schönen Feierabend

  17. 55.

    Ich fahre jeden Tag an dem abgedroschenen Markt am Potsdamer Platz vorbei - grauenhaft. Ich würde die Location jedes Jahr neu ausschreiben. Dieser Schandfleck "Winterwelt" o.ä. im Zentrum der Stadt ist extrem ausladend.
    Ansonsten kann das Leben imho in einer Hauptstadt schon etwas kosten.

  18. 54.

    >"Und das schöne ist, irgendwann ist der ganze Stuss auch wieder vorbei."
    Das ist ja das Schöne, dass solche schöne Zeit eben nur begrenzt ist. Ewig könnte ich das auch nicht durchhalten. Nach Silvester ist dann aber wirklich alles wieder gut. Weil dann sind die Osterhasen schon in Supermarktregalen.

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