Fragen und Antworten
In vielen Berliner Briefkästen liegt dieser Tage der neue Grundsteuer-Bescheid. Eine Reform hat dafür gesorgt, dass Grundstücke neu bewertet wurden. Das kann zu deutlich mehr - aber auch zu weniger Grundsteuer führen. Antworten auf einige Fragen.
Rund 900.000 Bescheide – den Grundsteuermessbescheid und den Grundsteuerwertbescheid über die neue Grundsteuer, die ab 2025 gilt – verschickt das Land Berlin bis Ende des Jahres. Ein Teil ist schon raus. Viele Berliner wundern sich, dass die Kosten – entgegen der vorherigen Versicherung des Gegenteils aus der Politik – teils deutlich steigen.
Nach einer Erhebung des Eigentümerverbands "Haus und Grund" führt die Reform zu einem starken durchschnittlichen Anstieg der Steuerlast. Der Verband hat dafür die Daten von 200 seiner Berliner Mitglieder ausgewertet. Danach liegt der durchschnittliche Anstieg bei 74,4 Prozent.
Finanzsenator Evers (CDU) hatte zugesagt, dass das Land insgesamt nicht mehr Grundsteuer einnehmen will, als vor der Reform. Damit die Steuersumme in Berlin nicht insgesamt steigt, wurde im Sommer 2024 sogar eigens ein neues Gesetz beschlossen.
Die Grundsteuerreform tritt am 1. Januar 2025 in Kraft, ab dann muss die neue Grundsteuer gezahlt werden. Bis Ende 2024 gilt noch die bisherige Grundsteuer aus der vorherigen Berechnung.
Die Grundsteuer in Berlin wird aus einer ganzen Reihe von Daten ermittelt. Dazu gehören beispielsweise der Bodenrichtwert, Grundstücksfläche, Wohnfläche, aber auch das Mietniveau. Ein wesentlicher Faktor in der Berechnung ist zudem der Hebesatz, mit dem der Grunsteuermessbetrag multipliziert wird. Diesen Satz setzt die Kommune fest.
Der Berliner Senat hat diese Größe im Zuge der Reform von 810 auf 470 Prozent fast halbiert. Das heißt, alle Berlinerinnen und Berliner, die über ein Grundstück, ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnungen verfügen, können ihre zukünftige Grundsteuer mit folgender Formel selbst berechnen:
Grundsteuerwert x 0,00031 (Steuermesszahl) x 4,7 (Hebesatz)
Der Bund der Steuerzahler nennt auf seiner Internetseite [steuerzahler.de] ein konkretes Beispiel: Wenn für eine durchschnittliche Eigentumswohnung ein Grundsteuerwert in der Größenordnung von – je nach Bodenrichtwert – z.B. 200.000 Euro mit dem Grundsteuerwertbescheid festgesetzt worden ist, ergibt sich eine künftig zu zahlende Grundsteuer von 200.000 Euro x 0,00031 x 4,7 = 291,40 Euro.
Berlin wendet bei der Berechnung eine Regelung an, die den Wert der Grundstücke einberechnet. Niedersachen, Hessen und Bayern haben dagegen das sogenannte Flächen-Lage-Modell gewählt [haufe.de]. Hier fokussieren sich die Länder auf die Grundstücksgröße und/oder die Größe der jeweiligen Wohnung. Daher bezahlt, verkürzt formuliert, wer in einem großen Haus wohnt mehr als derjenige, der in einer kleinen Wohnung wohnt.
Dass die Grundsteuer im Schnitt nach der Reform zu steigen scheint, führt "Haus und Grund" auch auf die neue Berechnung zurück. Diese beruht unter anderem auf dem Bodenrichtwert.
"Da in vielen Regionen Deutschlands, insbesondere in Ballungsgebieten, die Bodenpreise in den letzten Jahrzehnten gestiegen sind, treibt dies die neuen Grundsteuerwerte erheblich in die Höhe", erklärte der Verband der "Morgenpost" [Bezahlinhalt]. Auch die Marktentwicklung spielt eine Rolle: In Berlin, München oder Hamburg sei das Bauland begrenzt, während die Nachfrage stark wachse.
Für die meisten Eigenheimbesitzer handelt es sich um einige Hundert Euro pro Jahr, für Eigentümer von Mietshäusern oft um vierstellige Beträge. Wolfgang und Beate Hebenstreit aus Berlin-Mahlsdorf, die in einem Einfamilienhaus mit 140 Quadratmetern Wohnfläche leben, sollen beispielsweise statt vorher 227 Euro Grundsteuer jährlich jetzt 782 Euro zahlen.
Bei anderen Eigentümern gibt es dagegen genau den umgekehrten Effekt. Markus Oegel, CDU-Bezirkspolitiker in Neukölln, und seine Frau wohnen in einer rot-verklinkerten Doppelhaushälfte im Ortsteil Rudow. Und beide freuen sich, dass nun nur noch 306 statt 720 Euro auf ihrem Steuerbescheid stehen.
Grundsätzlich kann der Vermieter einer Immobilie die Grundsteuer zu 100 Prozent auf die Mieter umlegen. Falls der Vermieter selbst in der Immobilie wohnt, muss er seinen Anteil natürlich selbst übernehmen.
Voraussetzung für die Umlage auf die Mieter ist jedoch, dass eine entsprechende Vereinbarung bei den Nebenkosten im Mietvertrag festgehalten wurde, was meist der Fall ist. Fehlt diese, darf der Vermieter die Betriebskosten und damit auch die Grundsteuer nicht auf den Mieter umlegen.
Die rechtliche Grundlage dafür, dass Betriebskosten umlagefähig sind, bildet der Paragraf 556 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Absatz 1. Die Betriebskostenverordnung (§ 2 Nr. 1 BetrKV) legt fest, dass die Grundsteuern zu den Betriebskosten zählen.
Welcher Mieter wie viel zahlt, wird anhand der anteiligen Wohnfläche berechnet, sofern kein anderer Verteilerschlüssel (z.B. Anzahl der Personen im Haushalt oder Wohneinheiten) vertraglich festgelegt wurde.
Übrigens: Die gezahlte Grundsteuer kann bei der Einkommensteuererklärung nicht angerechnet werden.
Durch eine Grundsteuerreform wurde die Datengrundlage verändert, mit der die Höhe der Grundsteuer berechnet wird. Auslöser dafür war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018: Darin hatten die Richter die bisherige Ermittlung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt, weil sie auf Basis völlig unterschiedlicher und veralteter Zahlen zum Wert der Grundstücke kalkuliert wurde.
So wurden für Häuser im Westen Deutschlands und damit auch im Westteil Berlins die sogenannten Einheitswerte aus dem Jahr 1964 herangezogen. Im Osten waren es dagegen Zahlen von 1935. Das Bundesverfassungsgericht sah darin eine klare Ungleichbehandlung.
Das neue Grundsteuergesetz enthält aus diesem Grund neuen Bewertungsregeln. Es sieht vor, dass der gesamte Grundbesitz in Deutschland auf den Stichtag 1. Januar 2022 neu bewertet wird, d. h. mit den am 1. Januar 2022 bestehenden Verhältnissen, heißt es auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums. Hierfür mussten die Eigentümerinnen und Eigentümer eine Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts elektronisch an das Finanzamt übermitteln.
Obwohl die Grundsteuer für Städte und Kommunen eine ihrer wichtigsten Einnahmequellen ist – mit ihrer Hilfe werden die lokale Infrastruktur und beispielsweise Dienstleistungen wie Schulen oder Büchereien finanziert – sollte die Reform kostenneutral ausfallen. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums liegen die Einnahmen aus der Grundsteuer derzeit bei 15 Milliarden Euro pro Jahr.
Man kann in den ersten vier Wochen nach Erhalt des Bescheids Widerspruch einlegen. Obwohl die neue Grundsteuer erst ab dem 1. Januar 2025 gilt, haben bundesweit mehr als 6,16 Millionen Steuerzahler bereits gegen ihre Grundsteuerwert- und Messbescheide bei den Finanzämtern Einspruch erhoben. Das ergab eine aktuelle Umfrage des ARD-Wirtschaftsmagazins "Plusminus" bei den zuständigen Finanzministerien der Länder.
Doch auch wer Widerspruch einlegt, muss fürs Erste wie alle anderen Eigentümer die Grundsteuer, so wie sie im Steuerbescheid steht, überweisen. Lediglich für Härtefälle stellt der Finanzsenator individuelle Regelungen wie die Stundung von Zahlungen in Aussicht.
Bei Ungereimtheiten, Zahlendrehern oder anderen Fehlern im Bescheid aufgrund eigener Angaben oder einer falschen Berechnung der Behörde kann ein Widerspruch aber durchaus sinnvoll sein.
Die Berliner Finanzverwaltung sieht indes schlechte Chancen für Kläger. Zumindest Einspruch gegen die Anwendung der gesetzlichen Grundlagen habe "grundsätzlich keine Aussicht auf Erfolg", heißt es auf der Internetseite zur Grundsteuer [berlin.de].
Welche Kritik an der Grundsteuerreform und den neuen Berechnungen gibt es?
Der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümer "Haus und Grund" will eigenen Aussagen nach die "ungerechte" Reform in Berlin vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen, weil sie sie in Teilen für verfassungswidrig hält. Die Rede ist gar von "Staatsversagen" [tagesschau.de].
"Die Reform ist ein absolutes Grundsteuer-Chaos", urteilte "Finanztip"-Steuerexperte Jörg Leine. "Das zeigte sich schon, als vor zwei Jahren mit sehr kurzer Frist Grundsteuererklärungen für 36 Millionen Grundstücke abgegeben werden mussten." Millionenfache Einsprüche seien die Folge gewesen.
Der späte Versand der Bescheide für die komplett neue Grundsteuer sei "ein Armutszeugnis für die politischen Verantwortlichen", fügte Leine hinzu. Die Betroffenen hätten aufgrund der späten Zustellung der Bescheide im Zweifel nur wenige Wochen Zeit, das Geld aufzubringen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.11.2024, 13:50 Uhr
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