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Absatzrückgang in Deutschland
Offen, fortschrittlich, ökologisch - noch vor Kurzem stand dafür Tesla. Alles, was Elon Musk jetzt nicht mehr verkörpert. Viele wenden sich von der Marke ab, die Verkaufszahlen schwinden. Kommt nach dem Tesla-Hype die Tesla-Scham? Von Efthymis Angeloudis
Patrik Schneider kann in die Zukunft sehen, oder so ähnlich. Auf jeden Fall kann der Grafikdesigner aus dem baden-württembergischen Pforzheim mit großer Wahrscheinlichkeit vorhersehen, ob am nächsten Tag viele Bestellungen für sein Produkt aufgegeben werden oder nicht. Wie er das macht? Er schaut einfach nach, was Elon Musk auf X (ehemals Twitter) als letztes gepostet hat.
"Wenn irgend so ein richtig dummer Take kommt, sehe ich, wie bei mir die Verkäufe hochgehen und am konstantesten tun sie das seit seiner Wahlempfehlung für die AfD." Musk wettert gegen die Bundesregierung – Bestellungen gehen hoch. Musk gibt eine Wahlempfehlung für die AfD ab – Bestellungen gehen hoch. Musk trifft Weidel auf X [tagesschau.de] - "da ging die Kurve sowas von steil nach oben über Nacht".
Denn Schneider verkauft Sticker, vor allem solche, die er Anti-Elon-Sticker nennt. Die Idee dahinter ist simpel: Tesla-Fahrer, die sich für die teils rechtsextremen Inhalte, die Musk verbreitet, schämen, kleben einen Sticker von Schneiders Firma an ihren Tesla. Zum Beispiel seinen Verkaufsschlager: "I bought this before Elon went crazy" - ich habe das gekauft, bevor Elon verrückt wurde – und sagen so der Welt: 'Ok, ich fahre Tesla aber ein Musk-Jünger bin ich nicht.'
"Early adopters" nennt Stefan Wegner von der Werbeagantur Scholz&Friends diese frühen Tesla-Fahrer. Eine junge, fortschrittliche, ökologisch gewissenhafte Zielgruppe, die sich anfänglich mit dem Produkt Tesla identifiziert hat und jetzt von Musks Kontroversen Abstand nehmen möchte. "Tesla waren die allerersten, die es geschafft haben, ein Elektroauto in der Breite auf den Markt zu bringen, das die Menschen begeistert hat", erklärt Wegner. "Genau deswegen hat der Autohersteller aus Kalifornien bei Menschen gepunktet, die technologie-affin sind, die gerne als erste mit dabei sein wollen." Das habe sich naturgemäß verändert.
Seit der Einmischung des Tech-Milliardärs in den deutschen Wahlkampf werfen Kritiker Musk vor, an einem globalen Netzwerk von Rechtsextremen zu arbeiten [tagesschau.de]. Und das kommt bei einem Teil seiner Kundschaft verständlicherweise gar nicht gut an.
"Diejenigen, die sich ein Tesla aus einer grünen Überzeugung heraus gekauft haben, die werden jetzt sicher so etwas wie eine Tesla-Scham empfinden und sich vielleicht mit ihrem Tesla auch nicht mehr aus der Garage trauen", sagt Wegner rbb|24 im Gespräch, "und ganz bestimmt beim nächsten Mal auch eine andere Elektroautomobilmarke wählen."
Dass Elon Musks Unternehmen in Deutschland bereits an kaufwilliger Kundschaft verloren hat, sieht man nicht zuletzt an den Verkaufszahlen. Die Neuzulassungen von Autos der Marke Tesla haben sich für 2024 mit 37.000 im Vergleich zu 63.000 für 2023 fast halbiert. Der Marktanteil im Elektroautosegment in Deutschland ist von 12,1 auf 9,9 Prozent geschrumpft. BMW konnte die US-Amerikaner sogar vom zweiten Platz der E-Auto-Neuzulassungen verdrängen.
Doch Tesla ist bei weitem nicht die einzige Elektromarke, die im Vergleich zum Jahr zuvor sinkende Verkaufszahlen aufzuweisen hat. 2024 wurden in Deutschland erstmals weniger E-Autos neu zugelassen als im Vorjahr: 380.609 Elektroautos, fast 144.000 weniger als 2023.
"Hauptgründe für den Rückgang waren vor allem das Aus für die Förderung von E-Autos [tagesschau.de]", sagt Markus Emmert vom Bundesverband E-Mobilität (BEM) dem rbb. "Und mit Sicherheit eben auch das vorsichtigere Kaufverhalten aufgrund der Wirtschaftslage."
Doch selbst in dieser Situation konnte VW seinen Spitzenplatz konsolidieren, BMW seine Position auf dem E-Auto-Markt mit 42.066 Neuzulassungen (2023: 40.420) und einem Marktanteil von 11,1 Prozent (2023: 7,7 Prozent) spürbar verbessern. Im Vergleich zur deutschen Konkurrenz ist die US-Marke der große Verlierer. "Gerade in Deutschland gibt es aber immer noch Markentreue und Volkswagen ist natürlich so etwas wie ein Gesetz, auch wenn im Kontext der E-Mobilität da noch einiges aufzuholen ist", erklärt Emmert.
Treue Kunden hatte Tesla auch. Auch wenn die Gründe für die Treue laut der Münchener Managementberatung Berylls by Alixpartners woanders lagen. "Tesla hatte fast keinen Wettbewerb in der E-Auto-Branche", sagt Sascha Jaite dem rbb. Selbst wenn man das Design nicht sonderlich toll fand, hatte man fast gar keine Alternative."
Jetzt wo es Alternativen gäbe, lasse auch der Absatz und das Interesse der Kunden nach, sagt Jan Burgard, ebenfalls von Berylls. "Tesla hat eigentlich ein Angebotsproblem. Die Fahrzeuge sind schon in die Jahre gekommen", erklärt Burgard. "Und jetzt kommt natürlich ein zusätzlicher Faktor dazu, die Politik."
Und auf Musks Politik wird man als Tesla-Fahrer angesprochen, ob man es mag oder nicht, wie Schneider erfahren musste. Auf einem Supermarkt-Parkplatz sagte man ihm, er solle als Tesla-Fahrer die AfD wählen. Das gab Schneider zu denken: "Schon krass, jetzt hast du dir dein Traum-Auto geholt und wirst dafür ins rechte Eck geschoben."
Zuhause suchte er nach einem Anti-Elon-Sticker für sein Auto. Den gab es schon in Amerika - aber eben nur da und nur als Aufkleber und nicht auf Folie. Da der Grafikdesigner schon mit Folien handelte, entschloss er sich kurzum selbst einen solchen Sticker zu basteln. "Den habe ich hochgeladen auf Amazon und ja, das war der Anfang der Reise."
Den "visuellen Ausdruck der Tesla-Scham" nennt das Werbe-Fachmann Stefan Wegner. Elon Musk rufe auf, die AfD zu wählen und im AfD-Wahlprogramm stehe mehr oder minder: Schafft das Elektroauto ab. "Und diese totale kognitive Dissonanz, diese Widersprüche sind natürlich kurios", empfindet Wegner. "Bei einer bestimmten Käufer-Zielgruppe, die sich jetzt von Tesla abwendet, genau wie sie sich von Twitter oder heute X abwendet, ist das bestimmt ausschlaggebend und tatsächlich auch eine Konsumentscheidung."
Das dürfe man aber nicht überbewerten. "Die meisten Konsumentinnen und Konsumenten konsumieren am Ende nicht politisch, sondern entscheiden tatsächlich eher nach Kosten, nach Qualität und nach Affinität und das ist aus meiner Sicht ausschlaggebender als die politische Einstellung", erklärt der Partner bei der Werbeagentur Scholz&Friends.
Auch Berylls sieht Tesla bei weitem nicht in einer Flaute und den Standort Grünheide (Oder-Spree) sicherlich nicht in Gefahr. Gerade in Grünheide würde jetzt das Update des Model Y produziert. Dazu wird diskutiert, auch das Model Q in der dortigen Fabrik zu bauen.
"Es gibt eigentlich keine Anzeichen, dass man sich Sorgen machen müsste, dass sich das groß auf die Beschäftigung und auch Produktionssituation auswirkt", sagt Jan Burgard von Berylls dem rbb. Der Marktanteil sei mit fast 10 Prozent nach wie vor groß.
Einen Kunden hat Tesla allerdings ganz sicher wegen Musks politischen Kontroversen verloren. "Sollte sich in dem Unternehmen nichts tun, dann gibt es für mich keinen Tesla mehr", ist Patrik Schneider fest entschlossen. Auch wenn das Model Y ein "sau gutes Auto" sei, "für mich ist ein Punkt erreicht, da kann ich einfach nicht mehr mitgehen", erklärt der Grafikdesigner seine Pläne nach dem Ende seines Leasingvertrages in drei Jahren.
Und die Entscheidung fällt ihm trotzdem nicht leicht. "Das sage ich mit einem weinenden Auge, weil ich wirklich extremst großer Tesla-Fan bin. Aber manchmal ist es wichtiger, sich selbst treu zu bleiben."
Sendung: rbb24 Inforadio, 15.01.2025, 14:35 Uhr
Beitrag von Efthymis Angeloudis
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