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Quelle: imago/Stefan Zeitz

Interview | Junge Familien auf dem Wohnungsmarkt

"Diese Gruppe kann im Moment gar kein Wohneigentum bilden"

Eine junge Familie will sich in Berlin eine Wohnung kaufen oder bauen - dieser Wunsch hat derzeit kaum eine Chance. Matthias Günther vom Eduard-Pestel-Institut erklärt, warum es Durchschnittsverdiener hier so schwer haben - und wie man ihnen helfen könnte.

rbb|24: Herr Günther, warum können es sich Durchschnittsverdiener heute nicht mehr leisten, eine Wohnung in der Hauptstadt zu kaufen?

Matthias Günther: Zum einen sind die Preise in Berlin ganz kräftig gestiegen in den letzten Jahren. Zum anderen hat die mittlere Einkommensgruppe auch Schwierigkeiten, an Kredite zu kommen. Es wird ein hohes Eigenkapital verlangt - und Kredite mit langjähriger Zinsbindung sind für sie nur schwer zu kriegen. Von daher kann diese Einkommensgruppe im Moment in Berlin gar kein Wohneigentum bilden. Berlin hat eine Eigentumsquote von 15 Prozent. Das ist eine der niedrigsten bundesweit.

Hintergrund

Forschung zu Wohnungsmärkten

Das Eduard-Pestel-Institut

Der Diplom-Ökonom Matthias Günther (57) leitet seit elf Jahren das Eduard-Pestel-Institut für Systemforschung in Hannover. Das Institut forscht im Auftrag von Kommunen, Unternehmen und Verbänden besonders zu den Themen Regionalwirtschaft, Wohnungsmärkte und Demographie.

Wie hat sich der Anteil der Wohneigentümer in den vergangenen Jahren entwickelt?

Durch die Daten des Statistischen Bundesamtes sehen wir, dass gerade in Ostdeutschland die Wohneigentumsquote der 25- bis 40-Jährigen zwischen 2002 und 2014 sehr deutlich gesunken ist. Und wer bis zum Alter von 40 Jahren kein Wohneigentum gebildet hat, hat natürlich hinterher kaum noch die Chance, es zu tun. Denn der Zeitraum, den man als Erwerbszeitraum noch zur Verfügung hat, um den Kredit abzuzahlen, wird viel zu kurz.

Welche Gründe gibt es für diesen Rückgang ?

Eine wesentlicher Punkt ist die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte. Viele junge Menschen erhalten nur Zeitverträge. Und so lange sie nur befristet beschäftigt sind, können sie kein Wohneigentum bilden. Die Flexibilität, die von den jungen Leuten am Arbeitsmarkt eingefordert wird, hindert sie daran. Hier braucht man neue Förderinstrumente, um mittlere und untere Einkommensklassen mit ins Boot zu bekommen - damit man denen auch Wohneigentum ermöglicht.

Was sind das für Förderinstrumente?

Wir schlagen eine Kreditförderung vor. Die Leute haben so die Sicherheit eines langfristigen Kredits, bei dem der Zinssatz über 30 Jahre fest liegt - damit hat man kein Zinsänderungsrisiko. So kann man diesen Kredit über die Laufzeit von 30 Jahren komplett tilgen und hat die Gewissheit, dass sich da nichts ändern wird.

Das Thema Wohneigentum ist - gerade in Berlin - oft ideologisch aufgeladen. Wofür plädieren Sie?

Ich sehe das Thema eigentlich ganz pragmatisch. Die sehr ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland hängt auch mit der sehr niedrigen Wohneigentumsquote zusammen. Eine Wohnung oder ein Haus ist im Prinzip die einzige sehr große Sachinvestition, die private Haushalte tätigen können. Von daher wäre es sinnvoll, einen größeren Teil der Bevölkerung mit Wohneigentum auszustatten.  

Denn Sie müssen bedenken: Wir gehen davon aus, dass das Rentenniveau bis 2030 sinken wird. Würde man hier rechtzeitig ansetzen, könnten mehr Leute mit einem abgezahlten Haus oder einer Wohnung in den Ruhestand gehen. Dann könnten sie auch mit einer niedrigeren Rente besser leben, als weiter mit steigenden Mieten umgehen zu müssen.

Das Gespräch führte Ute Barthel, Redaktion Investigatives und Hintergrund

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