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Audio: rbbKultur | 10.11.2022 | Oliver Kranz | Quelle: Berta-PR-Produktion

Chorprojekt "Rights for Children"

"Ich habe das Recht, meine Eltern zu kennen"

Vor 30 Jahren hat Deutschland die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ratifiziert. Doch werden sie auch eingehalten? Das Chorstück im Berliner Theater im Delphi für Kinder und Jugendliche hat eine eindeutige Botschaft. Von Oliver Kranz

In Alltagskleidung schlendern sie über eine leere Tanzfläche – 15 Kinder und Jugendliche, eine Gruppe, die diverser kaum sein könnte: Die jüngsten sind 7, die ältesten 24 Jahre alt. Sie sind groß und klein, hell- und dunkelhäutig, straight und trans, behindert und nicht behindert.

Und alle haben ein Leuchten in den Augen, wenn sie auf die Kinderrechtskonvention verweisen: "Ich habe das Recht, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben. – Ich habe das Recht, meine Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden. – Ich habe das Recht auf Leben!" Selbstbewusst fordern sie ihre Rechte ein. Sie sprechen mal abwechselnd, mal im Chor. Zwei Musiker, die am Rand der Spielfläche sitzen, geben den Rhythmus vor.

Paragrafen nur leere Versprechungen?

Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen legt unter anderem das Recht von Kindern auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung, das Recht auf einen Namen und eine Staatsangehörigkeit und das Recht auf Gesundheit fest. 196 Staaten haben sie unterschrieben, die meisten haben sie auch ratifiziert. Doch sie wird kaum vollständig eingehalten.

Regisseur Alexander Weise frage sich daher, ob die wohlklingenden Paragrafen leere Versprechungen seien. Es gebe Kriege, die Umwelt werde zerstört und selbst in Deutschland, wo die meisten Kinderrechte beachtet würden, tauchten Probleme auf. "Ich bin in den 1970er Jahren aufgewachsen", sagt Weise. "Ich bin der Sohn eines Fleischers und der erste in meiner Familie, der studiert hat. Das war damals völlig normal. Heute hingegen sieht man, dass es wieder eine soziale Frage geworden ist, wer welche Bildung bekommt."

Kontrastprogramm auf der Bühne

Auf der Bühne steht den euphorischen Kindern und Jugendlichen ein Erwachsener gegenüber, der andere Töne anschlägt. "Die historischen Zeitfenster, während denen tatsächlich und wirkungsvoll Macht zugunsten der Machtlosen eingesetzt wurde, sind meistens nur kurz geöffnet", sagt er düster. "Immer geht die größte Gefahr von denen aus, die eigentlich für die Sicherheit verantwortlich sein sollten. So ist es im Staat, wenn sich die politischen Spitzen gegen die eigene Bevölkerung wenden. Und so ist es auch mit den Kindern. Ihre schlimmsten Gegner sind die Alten."

Schnell wird klar, dass auf der Bühne ein Gegensatz konstruiert wird: auf der einen Seite die hoffnungsfrohen jungen Leute – auf der anderen ein komplett desillusionierter alter Mann. "Der Mensch ist kein einzigartiges und individuelles Wesen mehr", klagt er, "sondern eine Ansammlung von mehr oder weniger definierbaren Eigenschaften, mit denen sich das Ausmaß der erlittenen Diskriminierung genau feststellen lässt."

"Ich habe ein Recht auf Leben"

Der Mann fordert die Kinder und Jugendlichen heraus – doch das ist nicht der Kern der Produktion. Wichtiger ist, wie die jungen Leute miteinander umgehen, wie sich aus den so unterschiedlichen Individuen eine Gruppe bildet. Alexander Weise arrangiert sie als kraftvollen Chor. Er ist ein Spezialist für rhythmisches Sprechen und hat schon Chöre in Inszenierungen von Ulrich Rasche inszeniert, die zum Theatertreffen eingeladen wurden. In "Rights for Children" laufen die jungen Akteurinnen und Akteure immer wieder wild durcheinander, um dann stehenzubleiben und sehr akzentuiert die Kernbotschaften zu rufen: "Ich habe ein Recht auf Leben! – Ich habe ein Recht auf Leben!". Der Ton wird im Verlauf der Inszenierung immer dringender.

Die Euphorie des Anfangs ist verloren

Doch auch leise gesprochene Sätze haben große Wirkung: "Jedes vierte Kind leidet an chronischer Unterernährung. – Alle sechs Sekunden stirbt ein Kind an vermeidbaren Ursachen. - Alle sieben Minuten stirbt ein Jugendlicher an den Folgen von Gewalt."

Man kennt solche Statistiken, doch wenn sie von Kindern und Jugendlichen gesprochen werden, wirken sie spürbar wie eine Anklage. Das chorische Sprechen wird zum Gesang: "Hast Du auch dieses Gefühl im Bauch? Fühlst du es auch? Wir sitzen hier auf einem Pulverfass. Es hat sich einiges angestaut…"

Die Euphorie des Anfangs ist verflogen, auch die jüngsten auf der Bühne blicken mit ernsten Gesichtern ins Publikum. Ist die Welt noch zu retten, lautet die unausgesprochene Frage. Hat die junge Generation eine Zukunft? Die beklemmende Stimmung lockert sich erst beim Schlussapplaus. "Rights for Children" ist ein kraftvolles Stück mit einer klaren Botschaft: Wer Kinderrechte will, muss aktiv für sie eintreten.

Sendung: rbbKultur, 10.22.2022, 07:55 Uhr

Beitrag von Oliver Kranz

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