Konzertkritik | Mia im Huxleys
Heimspiel für die Berliner Band Mia: Nach mehr als zwei Jahren pandemiebedingter Tour-Pause waren sie am Donnerstagabend im Huxleys in Neukölln zu Gast. Auch für das Publikum war es wie ein Nachhausekommen. Von Magdalena Bienert
Es ist ein ungewohnt leiser Anfang, den die Band Mia gewählt hat. Nach so langer Zeit des Wartens gibt es keinen knalligen Hit-Auftakt, sondern einen verdammt leisen. Nur Sängerin Mieze und Bassist und Keyboarder Robert sind für die ersten zweieinhalb Songs auf der Bühne des Berliner Huxleys.
Mieze, schon immer für ihre ausgefallene Outfits bekannt, ist in einen blauen Folien-Mantel gehüllt. Leise erklingen Klaviertöne und auch das Publikum ist noch schüchtern. Dabei bekommt es bereits mit dem dritten Lied einen Mia-Klassiker: "Hungriges Herz". Langsam stimmt es in die sanfte Klavierversion mit ein.
Obwohl das Lied schon 13 Jahre alt ist, hat keiner auch nur eine Textzeile verlernt. Frontfrau Mieze Katz holt zur Hälfte des Songs die restliche Band auf die Bühne und das Quartett ist mit voller Kraft zurück.
Mia (Eigenschreibweise: Mia.) befinden sich in ihrem 25. Bandjahr, wie die Frontfrau nicht ohne Stolz sagt. Seit der Schulzeit machen sie zusammen Musik. Miezes Stimme hat jedes Jahr davon gut getan, kraftvoll und sicherer denn je kommt sie rüber. Sie trägt immer noch ihren Pony zu halblangen blonden Haaren und… tatsächlich gibt es sie noch: die hautfarbenen Knieschoner, die schon damals ein optischer Störfaktor waren, sind auch zurück. Diesmal zu silbernen Boots.
Es dauert locker die erste halbe Stunde, aber dann sind alle warm miteinander geworden - alle, die mit dieser Band mindestens ihre Zwanziger verbracht haben.
Als Mia 2009 eine Bandpause einläuteten, war das für die Fans schmerzhaft, die Alben die danach kamen, fanden keine große Beachtung mehr. Mias aktuelle Platte "Limbo" erschien im Frühjahr 2020 - und was dann passierte, wissen wir.
Damals hätte die Band noch in der Columbiahalle gespielt, jetzt ist es eben das Neuköllner Huxleys, das zwar nur die Hälfte an Publikum fasst, aber auch eine wunderbare intime Atmosphäre mitbringt.
Die "Limbo-Tour" von Mia ist ein Best-Of durch die Bandgeschichte. Manches ist plötzlich aktueller denn je, wenn die 20 Jahre alte Textzeile aus dem Song "Machtspiele (Tanz drauf)" lautet: "Ich hasse den Krieg! Ich liebe das Leben". Mieze schwenkt zu diesem musikalischen Manifest die Regenbogenfahne. Ein anderes Lied widmet sie "allen Frauen, die gerade auf die Straßen gehen".
Die alten Mia-Songs hat die Band allesamt neu arrangiert und manchmal muss man ziemlich genau hinhören, bis es Klick macht. Spannend ist das. Auch wenn man sich mit den Texten nicht mehr ganz so identifizieren kann, wie noch vor zehn bis 20 Jahren und die fantasievolle Bildsprache inzwischen oft am Kitsch vorbeischrammt, ist es trotzdem mit Mia immer noch wie Nachhause kommen. Für beide Seiten.
Nach zwei Stunden geht das Quartett sichtlich gerührt von der Bühne und die Mia-Fans tänzeln, nach der Schluss-Party mit unter anderem "Tanz der Moleküle" mit der berühmten Zeile "Mein Herz tanzt", happy mit Seifenblasen-Lauge im Haar zum Ausgang.
Dass man diese Berliner Band ehrlich vermisst hat, wurde erst beim Konzert klar.
Sendung: rbb24 Inforadio, 09.12.2022, 7 Uhr
Beitrag von Magdalena Bienert
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