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Audio: kulturradio | 01.12.2022 | Barbara Behrendt | Quelle: Graziela Diez

Theater im Gefängnis

Die Spieler sind Trumpf

Darf man, muss man einen Tyrannen töten, um eine bessere Gesellschaft zu ermöglichen? Albert Camus’ Stück "Die Gerechten" von 1949 stellt diese Frage. Das Theater "aufBruch" hat es nun mit Gefangenen der JVA Plötzensee inszeniert. Von Barbara Behrendt

Ein Theaterabend im Gefängnis ist mit ein wenig mehr Aufwand verbunden: eine Dreiviertelstunde früher da sein, in Fünfer-Gruppen durch die Türschleusen, Personalausweis gegen Besucherausweis tauschen, Leibesvisitation wie am Flughafen, alle Habseligkeiten in Schließfächer packen. Geschafft.

Pünktlich um 18 Uhr treten sie auf: die (in diesem Fall) acht Männer, die sieben Wochen lang fast jeden Nachmittag geprobt haben. Einerseits sei das eine schöne Abwechslung zur öden Gefängnisroutine, erzählen einige nach der Vorstellung, andererseits eine Herausforderung: Nach der Arbeit noch mehrere Stunden proben, Texte lernen. Für viele ist es die erste Berührung mit Theater überhaupt.

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Ein Stück aus dem vorrevolutionären Russland

Wie bei Albert Camus spielt auch die Aufführung im vorrevolutionären Russland 1905. Camus bezieht sich auf das Bombenattentat in Russland, bei dem Sozialrevolutionäre den Onkel des Zaren ermordeten. Allerdings erst beim zweiten Versuch. Der Attentäter schreckte zurück, als er in der Kutsche neben dem Großfürsten zwei Kinder sitzen sah. Dieser Attentäter ist Janek, ein Dichter, der aus Liebe zum Volk tötet und Sätze sagt wie: Auch Poesie ist revolutionär. Sein Antagonist ist Stepan, ein harter Mann, für den der Zweck die Mittel heiligt. Revolutionär ist für ihn nur die Bombe.

Der Regisseur Peter Atanassow hat das Stück stark gekürzt und streut, typisch für seinen Stil, Fremdtexte ein: Bertolt Brecht, ein Brief Bakunins, Peter Weiss. Szenen aus den legendären Filmen von Sergej Eisenstein werden ebenfalls eingeblendet, Panzerkreuzer Potemkin etwa: protestierende Massen, die vom Regime niedergeschossen werden.

Fremdtexte und Filmschnipsel lenken von Camus ab

Die Bilder sollen die Situation im Russland des 20. Jahrhunderts verdeutlichen, die harte Arbeit, die verhungernden Menschen. Die Fremdtexte wollen dagegen eine Allgemeingültigkeit behaupten. Beides lenkt viel zu sehr von Camus ab. Noch problematischer sind die Lieder: Am Ende singen die Männer vom Glauben, der stärker ist als die Angst - und mit dem Glauben hatte Camus nun wirklich nichts am Hut.

Muss ein Diktator ermordet werden beim Kampf für die gerechte Gesellschaft? Dürfen Unschuldige sterben? Diese Grundsatzfragen geraten bei den zahlreichen Schnipseln aus dem Fokus.

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In dieser Haftanstalt waren auch RAF-Terroristinnen untergebracht

Klar, man muss das Naheliegende nicht zwingend aussprechen: die blutige Revolution in Iran, der Diktator in Russland, der in der Türkei - man kann innerlich dort leicht anknüpfen. Vielleicht hätte man aber zumindest etwas aus der Tatsache machen können, dass in eben dieser Haftanstalt 1985 auch RAF-Terroristinnen untergebracht waren, die ebenfalls meinten, für eine gerechtere Gesellschaft zu töten. Doch alles Konkrete, Plastische verschenkt die Inszenierung. Hat man Camus nicht vorher gelesen, versteht man schwer, um welchen Kern der Abend kreist. Beim Regiekonzept knirscht es also hörbar.

Die Spieler dagegen sind der Trumpf der Inszenierung. Es sind ganz unterschiedliche Typen, einige sind viril und laut, mit unglaublichem Druck auf dem Kessel, aber großer Inbrunst und Ernsthaftigkeit dem Stoff gegenüber. Es gibt zarte und leise Männer und konzentriert beherrschte. Und ein Mann, dem man seine Bühnenerfahrung deutlich anmerkt, der in einem Theaterton spielt und toll singen kann. Es ist beeindruckend zu sehen, wie das Theater hier ganz bei sich ankommt: normale Menschen, die sich für anderthalb Stunden einem Stück, einer Rolle verschreiben - und dafür alles einsetzen: ihre Körpersprache, ihre Stimme, ihre Wut.

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Ins Gespräch kommen mit den Gefangenen

Nach der Vorstellung gibt es die Möglichkeit, bei einer Limo ins Gespräch zu kommen. Schon allein deshalb lohnt sich das Theater "aufBruch", das schon seit 25 Jahren Theater mit Gefangenen in Szene setzt: Vorurteile und Ängste werden abgebaut.

Für die Mitwirkenden ist so ein Theaterabend ein Ego-Booster. Manchmal ist es das erste Erfolgserlebnis im Leben, eine wichtige Anerkennung. Die Insassen sind stolz auf sich, zu Recht. Man schaut in glückliche Gesichter nach der Premiere. Einer der Mitspieler, Steven Mädel, sagt, das Schönste sei, wie so eine Gruppe mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, Religionen, mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen über sieben Wochen zusammenwächst. Viele wollen beim nächsten Mal unbedingt wieder dabei sein. Theater lohnt sich.

Sendung: rbbKultur, 01.12.2022, 07:10 Uhr

Beitrag von Barbara Behrendt

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