Ausstellung | "Malicious Mischief" in den KW Berlin
Die erste europäische Retrospektive des Malers Martin Wong gibt einen bislang unbekannten Einblick in die Kunstszene des diversen Nordamerika der 1980er Jahre. Ein Besuch lohnt auch wegen der malerischen Qualität, findet Julia Sie-Yong Fischer
Beim Betreten des ersten Raums im Ausstellungshaus KW im Berliner Scheunenviertel sind Vitrinen mit Fotos, kleine Keramiken und gerahmte Zeichnungen zu entdecken, die in rotbraun gestrichenen Räumen und schummrigen Licht gezeigt werden. Das Frühwerk des chinesisch-amerikanischen Künstlers Martin Wong, dessen künstlerisches Werk in den weiteren Räumen überwiegend aus detailverliebten Gemälden besteht, wird immer wieder mit persönlichen Notizen und Videos ergänzt.
Hausfassaden aus rotbraunen Ziegelsteinen, homoerotische Gefängnisszenen, Porträts und jede Menge Symbole sind nur einige Motive des umfassenden Oeuvres Wongs. Erstmalig werden die Bilderserien des Malers, der neben Andy Warhol und Jean-Michel Basquiat zu den charismatischsten Personen in der Kunstszene zählte, in Berlin ausgestellt. Doch die wenigsten haben von ihm gehört. Zu Lebzeiten erfuhr Wong nicht den Erfolg, der ihm eigentlich gebührte.
Martin Wong wurde als Kind der zweiten Generation chinesischer Einwanderer:innen 1946 in Portland geboren und wächst an der amerikanischen Westküste auf. Er lebte offen schwul und schließt sich in den 1970er Jahren als Performancekünstler der queeren Hippiebewegung der amerikanischen Gegenkultur an. Nach einem Bruch zieht er nach New York und beginnt exzessiv zu malen, er selbst bezeichnete sich ironisch als "chinesischen Landschaftsmaler".
Porträts seiner Freunde, den Graffitikünstlern und Dichtern aus den lateinamerikanischen Communities, aber auch Stadtkulissen und Zeichen vor allem aus der Gebärdensprache, prägen sein Werk. Mit Freund und Liebhaber, dem Aktivisten und "Nuyorican Poets Café"-Gründer Miguel Piñero, arbeitete Wong sogar zusammen, etwa an Bildern wie "Portrait of Miguel Piñero" (1982). Die Erfahrungsberichte seines Freundes nutzte Wong als Grundlage für seine imaginierten Gefängnisszenen, die Raum für seine homoerotischen Fantasien entstehen liessen. Nach seiner HIV-Diagnose beschließt Wong 1994 aufgrund der schlechten Versorgungslage zurück in sein Elternhaus zu ziehen, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1999 von seiner Mutter gepflegt wird.
Obwohl Wong ein Autodidakt war, überzeugen seine Bilder auch malerisch mit seinem beeindruckenden Talent. Seine Auseinandersetzung mit seinem Umfeld, aber auch das Offenlegen seiner Fantasiewelt, ist in ihrer Art außergewöhnlich. Die Bilder fangen den Geist der aufwühlenden, politischen 1980er Jahre in den USA auf virtuose und vielschichtige Weise ein.
Wong gab in seinen Bildern jenen Menschen eine Bühne, um die sich sonst niemand kümmerte: Homosexuelle, Gefängnisinsassen, Gehörlose, Kriminelle und Drogenabhängige, die aus prekären Verhältnissen stammten und Minderheiten angehörten.
Die Ausstellung ist ein echter Geheimtipp nicht nur für Kunstfans, sondern auch für alle, die sich mit dem Leben von marginalisierten Gruppen in den USA der 1980er Jahre aus soziologischer Sicht auseinandersetzen möchten.
Das Ausstellungshaus KW Institute for Contemporary Art wurde in den 1990er Jahren in einer ehemalige Margarinefabrik in der Auguststraße im Scheunenviertel in Berlin-Mitte, unter anderem von dem derzeitigen Chef der Neuen Nationalgalerie, Klaus Biesenbach, gegründet. Es hat sich als wichtige Ergänzung zu dem zeitgenössischen Ausstellungsprogramm Berliner Museen etabliert.
Die Ausstellung "Malicious Mischief" [kw-berlin.de] von Martin Wong ist noch bis zum 14. Mai zu sehen, mittwochs bis montags von 11 bis 19 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr.
Beitrag von Julia Sie-Yong Fischer
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