Sie kommen aus verschiedenen Welten, die sich bekämpfen. Und sie machen gemeinsam Musik. Wie fühlen sich die jungen Musikerinnen und Musiker des West-Eastern Divan Orchestra, wenn die Gewalt im Nahen Osten die Schlagzeilen beherrscht? Maria Ossowski hat sie bei Proben in Berlin besucht.
Seit vier Jahren spielen sie gemeinsam im Kammermusikensemble des West-Eastern Divan Orchestra. Sindy, die Bratscherin aus Ägypten, Samir, der Geiger aus Palästina und Miriam, ebenfalls Bratscherin, aus Israel. Sie sind eng befreundet, schicken sich nette Videos in ihrer WhatsAppgruppe. Musik als universelle Sprache verbindet sie, Kammermusik lehrt, den anderen genau zuzuhören.
"Es ist so ein heikles Thema"
Den Nahostkonflikt können sie nicht wegmusizieren, aber er ist nicht ihr ständiges Hauptthema. Dennoch sind die Nachrichten präsent, besonders, wenn die Gewalt aufflammt, so wie momentan. Miriam Manasherov erzählt von einem gemeinsamen Mittagessen: "Wir haben diskutiert, wie es für Menschen mit arabischen Namen ist, in mein Land, also nach Israel einzureisen. Das ist schwer auch für mich zu verstehen. Mir tun meine Freunde leid, dass sie solche Probleme haben, nach Tel Aviv zu kommen. Anderseits weiß ich, dass die Kontrollen notwendig sind. Das wollte ich ihnen erklären. Es geht nicht um sie persönlich, wenn die Kontrolleure garstig sind. Die greifen sich eben auch Leute raus, die nichts mit dem Konflikt zu tun haben. Ich verstehe beide Seiten."
Sindy Mohamed, die Ägypterin, nickt, und berichtet vom Gespräch aus ihrer Perspektive. Ihr war wichtig, dass die Situation der arabischen Einreisenden Miriam leidtut. "Das Wichtigste ist, wie wir diskutieren, welche Worte wir wählen und dass wir uns in die andere Person hineinversetzen können. Das Gespräch war offen. Miriam hat mir erklärt, warum die Kontrolleure unangenehm sind. Dafür gibts eben Gründe."
Samir Obaido, der Palästinenser, hat eher zugehört. Er ist schweigsamer, aber er wählt jedes Wort mit Bedacht. "Ich fühle mich nicht verantwortlich für das, was passiert, deswegen rede ich nicht gern darüber. Es ist so ein heikles Thema. Es gibt nicht viel Verständnis dafür, was vor Ort passiert, worum die Menschen streiten. Ich nähere mich dem Thema immer wieder an und denke, wenn ich reifer bin, wenn ich erwachsener bin, wenn ich mich als Mensch weiterentwickelt habe, dann werde ich mehr darüber sprechen. Vielleicht. Generell vermeide ich Gespräche darüber."
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Offene Gespräche helfen
Der Geiger Michael Barenboim ist Professor und Dekan an der Barenboim-Said-Akademie, er musiziert im Kammermusikensemble, momentan spielen sie sie das traumhaft schöne Oktett von Enescu. Seit vielen Jahren konzertiert er auch mit oder im Divan-Orchester. Wenn die Gewalt aufflamme, so erzählt er, wollen viele Orchestermitglieder reden. Das sei wichtig. Er unterstützt das, denn offene Gespräche helfen.
Reflektiert und intelligent, tiefsinnig und verantwortungsbewusst gehen die Musikerinnen und Musiker mit jenem politischen Konflikt um, der sie ihr ganzes Leben begleitet. Das sei, zugegeben, in Berlin natürlich einfacher als zu Hause, erzählen sie, denn sie sind weit weg von der Krisenregion. Aus der Ferne sehen sie vielleicht deutlicher, dass die verfeindeten Parteien aufeinander zugehen müssten. Miriam erinnert sich ans erste Mal, als sie arabische Menschen kennenlernte. Das war im Divan Orchester, sie war 18, und sie konzertierten in Weimar.
"Deutsche waren auch dabei, aber ich war am liebsten mit den Leuten aus Syrien und dem Libanon zusammen, denn letztendlich lieben wir das gleiche Essen, wir hören die gleiche Musik, wir tanzen dazu, wir haben die gleiche Tradition. Die schlimmsten Kriege gibts immer innerhalb der Familie."
Alle lachen. Das sei wahr. Sindy appelliert an die Vernunft der Menschen in ihrem Alter. "Die junge Generation muss es anders machen. Wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Warum müssen wir alle Fehler wiederholen? Der Mensch ist doch nicht so ein Idiot. Wir müssen es anders machen. Wir müssen reden, auch wenn’s weh tut."